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Religionsausübung im Alltag

Mod1: Berühmt berüchtigt. Der Islam und seine Gefolgschaft. In den Medien werden duzende Debatten über diese Religion und ihre Anhänger geführt. Eine Überzeugung, die vermutlich das größte Aufsehen unserer Zeit erregt hat. Wer sind diese Muslime? Was sind das für Menschen?

Diese Frage stellen sich wahrscheinlich viele unter uns. Und genau diese Frage möchten wir heute beantworten. Wer sind unsere muslimischen Mitbürger? Wie leben sie? Und wie können sie ihre Religion mit dem Münchner Alltag vereinbaren. Dazu brauchen wir erstmal ein paar Fakten.

Mod2: Mehr als 100.000 Muslime dürften in München leben. Das sind über 7% der Bevölkerung. Die Religionszugehörigkeit wird anhand der Staatsangehörigkeit und dem Migrationshintergrund ermittelt.

Stimme: Ja soweit so gut. Aber wer san aber die jetzt die bärtigen Männer und die Kopftuch-tragenden Weiberlein die neben mia in der U-Bahn hocken?

Mod1: Nicht nur diese Menschen machen sich Gedanken in der U-Bahn.

Niessen: Wir kriegen mit dem Kopftuch manchmal echt komische Blicke. Und ich denk mir manchmal, wenn ich jemanden seh, zum Beispiel in der U-Bahn, sag doch was dir grade im Kopf schwirrt! Weil ich sehe das einfach und ich wünschte ich könnte dann einfach zu der Person sagen: „Was willst du denn?“

Zeidan: Was willst du denn? Was ist denn deine Frage?

Niessen: Kann ich etwas klarstellen?

Mod1: Genau aus diesem Grund haben Teresa Niessen vom Verein Nachbarschaftshilfe, und Taha Ali Zeidan von der Initiative Münchner Muslime den Speed-Dialog ins Leben gerufen. Bei diesem Dialog lernen sich Muslime und Nicht-Muslime kennen, kommen ins Gespräch und stellen sich gegenseitig Fragen, welche man wahrscheinlich so auf der Straße kaum jemandem stellen würde. Ich als Muslima bin begeistert von dieser Idee und möchte beim Speed-Dialog teilnehmen. Vorher ersuch ich noch mit Teresa Niessen ins Gespräch zu kommen, um zu erfahren, wie die Idee überhaupt zustande gekommen ist und wie der Dialog abläuft.

Niessen: Bei Speed-Dialoge treffen sich Muslimen und nicht Musliminnen. Also Muslime und Musliminnen. Da gibt’s immer Zweierpaare und die Zweierpaare haben 8 Minuten um sich miteinander zu unterhalten auszutauschen, Fragen zu stellen oder einfach nur übers Wetter zu reden, über was sie reden möchten. Genau. Und alle 8 Minuten wird dann gewechselt.

Mod1: Zum wievielten Mal macht ihr das gerade?

Niessen: Das machen wir zum 2ten Mal. Wir hatten im März schon im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus einen Termin und das war jetzt der zweite.

Mod: Konnten sie ihre Vorurteile abbauen?

Niessen: Ich denke teilweise schon, ja. Also man hat sich auf jeden Fall kennengelernt und es gibt auch nen Rahmen um vielleicht mal kritischere Fragen zu stellen. Ich denke viele Leute… ich weiß ja nicht mit was für Vorurteilen sie kamen, vielleicht kamen sie ja auch gar nicht mit Vorurteilen. Das weiß man natürlich nicht. Aber, genau. Ich hoffe und ich denke schon, dass sie abgebaut werden konnten. Ja.

Mod: Wie kamst du überhaupt  auf die Idee so etwas zustande zu bringen?

Niessen: Genau, da muss ich gestehen, ich habe einen Radiobeitrag gehört über das gleiche Projekt in Berlin und da heißts „Meet a Muslim“ und genau, dann dacht ich sowas in der Art wäre ja auch schön in München zu veranstalten. Und dann kam ich mit den Münchner Muslimen in Kontakt und dann haben wir das zusammen geplant.

Mod: Die muslimische Seite war direkt offen und wollte mitmachen? Oder gabs erst Komplikationen?

Niessen: Ne, die waren sehr offen. Die haben sich gefreut und genau, wir haben uns getroffen und uns überlegt wie wir das aufziehen wollten. Uns war wichtig, dass es eben nicht einseitig ist, also der Titel „meet a muslim“ zum Beispiel war uns zu einseitig. Und wir wollten einfach das Mensch mit Mensch in Kontakt kommt.

Mod: Sowohl die Muslime als auch die Nicht-Muslime haben einige Fragen die sie ihrem Gegenüber stellen möchten. Im Speed Dialog wird ihnen diese Gelegenheit gegeben.

Mädchenstimme1: Meistens, was mich vielleicht interessieren würde, hast du schon mal in deinem Umfeld mitbekommen, dass jemand der kein Muslim war, irgendwie, rassistische Gedanken hatte oder so Vorurteile. Und wie reagierst du dann auf sowas.

Mädchenstimme2: Also ich bin für Sea-Shepherd öfter am Stand. Ich weiß nicht ob du das kennst, aber das ist ne Meeresschutzorganisation. Auf jeden Fall haben wir halt dann auch immer mal wieder mit Leuten zu tun, die halt in irgendner Form zu uns hinkommen und erstmal sagen „Ach, seid ihr die, die die Leute aus dem Mittelmeer fischen und uns die ganzen Probleme hier herbringen?“ Das ist so der Moment wo man erstmal sagt so: „Ok Abstand! Stopp. Nein, das sind wir nicht. Aber das würde ich auch machen.“ Ja, diese Aussage, am Anfang, das erste Mal hat mich das so getroffen, dass Leute das so formulieren. Und dann hab ich halt ne krasse Diskussion angefangen und versucht den Leuten das so irgendwie zu erklären, warum Menschen im Mittelmeer ertrinken und warum sie gerettet werden. Und, ja, dann bist du einfach irgendwo an nem Punkt wo du merkst, du rennst hier grad vorn Brett!

Mod: Und natürlich darf hier das folgende heißbegehrte Thema nicht fehlen: das Kopftuch.

Mann: Es ist nicht einfach nur ein Symbol, es ist ja ein Gottesdienst in dem Sinne. Und dementsprechend ist das für meine Frau, also meine Mutter, speziell jetzt natürlich die auf der weiblichen Seite, ist das natürlich schon ein sehr starkes Thema immer wieder. Also das kommt immer wieder auf, aber wir reden dann nicht immer drüber. Was uns dann eher beschäftigt sind so eher die Leute die uns komisch anschauen, und das eigentlich seit ich verheiratet bin. Und die Blicke die einem zugeworfen werden so, „warum trägt die jetzt sowas aufm Kopf“ und ich finds ehrlich gesagt unverständlich. Da sind Frauen oder Männer die haben blaue Haare, Leute die tragen irgendnwie zwei unterschiedliche paar Schuhe, was ich viel seltsamer find, und dann ist das eine Tuch Diskussionsmaterial für, keine Ahnung, zwei Generationen an Menschen und ich find das ist bisschen zu viel. Wir sagen overhead(?). Aber ja, es ist ein Thema. Wir sehen uns ja selbst nicht so. Ich seh meine Frau jetzt nicht so oh jetzt trägt sie ein Kopftuch, sondern ich seh halt meine Frau und mit der unterhalt ich mich und andere sehen da n Kopftuch. Ich muss mich da erst reinversetzen, weil ich das in dem Moment gar nicht versteh. Das ist so als würde ich dich jetzt an deiner Uhr festmachen würde, ja. Ich find da nicht den Mensch, sondern ich sehe diese Uhr und diese Uhr stört mich so extrem, dass ich den Mensch dahinter einfach komplett fertig mache. Und das ist ja Schmarrn.

Frau: Das ist absurd. Das ist total absurd.

Mann: Genau. Ja, es ist etwas über das man eigentlich gar nicht so viel reden will, oder braucht, weils nicht dieses Thema ist, aber es kommt halt immer wieder mit rein. Alles okay?

Frau: Ja, ja. Total interessant. Ich fand interessant wie du son vergleich gezogen hast mit einem alltagsgegenstand oder einem Kleidungsstück aus dem Alltag, das Kopftuch ist ein Stück Stoff, und dann das die Turnschuhe, oder wenn jemand etwas Kurioses anhat, was auffällt, ne, und man schließt von einer Äußerlichkeit auf den Charakter und auf die Haltung des Menschen. Und ja, ansonsten kann ich dir nur sagen, ich kann mich jetzt nicht direkt für andere Menschen schämen, ne, weil, aber es tut mir schon leid. Oder es schmerzt mich irgendwie, wenn ich erfahr, von anderen jetzt hier in der Runde, die das so auch beschrieben haben, wie sie das persönlich empfinden. Also sie sind in der U-Bahn und sie spüren die Blicke. Einen Blick weg. Oder eine erzählte vorher, dass sie einmal ein Fahrgast in der U-Bahn angespuckt hat. Also… Niederträchtig. Das ist wirklich widerlich.

Mann: Das ist leider in den letzten 3-4 Jahren wieder mehr geworden. Also, meine Frau hat mir gesagt, das war ne lange Zeit gar nicht so schlimm, und dann ist es ist mehr geworden wieder. Das ist schon aufgefallen. Ich mein Leute haben uns in der U-Bahn dumm angemacht die ganze Zeit. Also das war öfters hintereinander. Ist leider schon der Fall.

Mod: Im Allgemeinen beobachte ich das nicht-muslime viel mehr fragen an Muslime haben, als Muslime an nicht Muslime. Assad erklärt seiner Dialogpartnerin Christine weshalb das in seinem Fall so ist.

Assad: Ich bin hier aufgewachsen in Deutschland und ich bin mit vielen Leuten aufgewachsen, die keine Muslime waren und sind. Und dementsprechend weiß ich mehr über Leute die keine Muslime sind als die Leute die keine Muslime sind über mich oder uns wissen.

Frau: Das andere was es jetzt interessant macht, deine frau und du ihr macht mehr negative Erfahrungen als ich. Also man muss nicht nur über negative Erfahrungen sprechen aber insofern ist das Interesse natürlich da, wie ihr euch fühlt und wies im Alltag ist oder auch was man jetzt machen könnte. Wegen Äußerlichkeiten wurde ich noch nie blöd angemacht. Also das heißt ich war in dem Sinne glaub ich schon beschützt. Also bin beschützt aufgewachsen. Weil so auch als blonde Frau kriegst du vielleicht irgendwann mal Blicke ab und irgendwann nervt des. Aber das ist ja harmlos. Das ist ja sozusagen erstmal fühlt man sich dann attraktiv und was Negatives, was richtig Abfälliges oder was so Niederträchtiges. Ja. Ich persönlich hab das nicht erfahren. Deshalb ist mein Mitgefühl jetzt auch so.

Mod: Im Gespräch mit den Leuten merk ich, dass die Gesellschaft in der ich lebe meine Religion ganz anders wahrnimmt als ich. Häufig nehmen sie mich aufgrund meiner Religion sogar negativ wahr. Meiner Meinung nach entstehen diese Vorurteile aus Unwissenheit. Ich hatte auch anfangs Vorurteile gegenüber den bierbäuchigen Bayern. Aber über den direkten Kontakt und meiner Beschäftigung mit dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland konnte ich meine Vorurteile abbauen. Mittlerweile bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich auch mit meiner Religion ein Teil dieser Gesellschaft bin. Ich möchte aber auch gerne, dass diese Gesellschaft in der ich lebe, versteht was für eine Religion ich habe. Und auch, dass man als Muslim bzw. Muslima nicht unbedingt in einer Parallelwelt lebt. Deshalb möchte ich mich auf den Weg machen und mit so vielen Muslimen und nicht-Muslimen wie möglich über diese Religion reden.