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Der Nachwuchs hat hohe Erwartungen ans Marketing: Die Brands sollen authentisch sein, ehrlich und sich vor allem intensiv mit der Zielgruppe austauschen. Die Gen Z ist die erste Generation, die nicht nur konsumieren, sondern auch kreieren will.

Text Cathrin Hegner

„Flexpelliarmus!“ – wenn Harry Potter zur Generation Z gehören würde, könnte sich wohl so mancher Zauberspruch anders anhören. Der Hexfluencer würde regelmäßig mit engen Freunden ungefilterte Momente auf Be Real teilen. Alle Zauberer wären always on, würden sich so akzeptieren wie sie sind und am Ende als Kollektiv von Individualisten die Welt retten.

Das Internet ist voll von solchen „Übersetzungen“. Auf dem Social Media-Kanal TikTok macht sich die Gen Z ausgiebig über die „Muggel“ lustig: Millennials mit Seitenscheitel und Röhrenjeans, die noch immer Harry-Potter-Filme gucken. Von der Welt der nach 1995 Geborenen haben sie keine Ahnung, ihre Sprache verstehen sie ebenso wenig wie ihre Ängste und Wünsche: „Generation Selfie“ trifft auf „Generation Selbstfindung“.

Misstrauen gegenüber etablierten Marken

Was schon im Familienleben nicht einfach ist, wird für Werbungtreibende zur Herausforderung. Laut einer Umfrage der Gen-Z-Agentur Adolescent glauben nur acht Prozent der 14- bis 27-Jährigen, dass Brands ihre Generation verstehen. Nach einer Kindheit im Krisenmodus misstraut der Nachwuchs Regeln und Institutionen früherer Generationen, auch etablierten Marken und deren Werbeversprechen. Laut der Beratungsfirma Kelton Global denken 80 Prozent der 15- bis 18-Jährigen, Marken gehe es nur ums Geld, drei von fünf Befragten glauben ihren Aussagen nicht.

 „Die Gen Z ist besonders skeptisch, weil sie in einem Medienumfeld aufgewachsen ist, in dem sie sich Gehör verschaffen und auch etwas bewegen kann“, sagt Tom Schwarz, Geschäftsführer der Kreativschmiede Seven.One AdFactory. Man wolle „nicht nur mitreden, sondern auch mitwirken“, weiß Neil Heinisch, Co-Founder der Gen-Z-Agentur PlayTheHype, und mit 20 Jahren selbst Zielgruppe: „Die Konsumenten haben maximale Möglichkeiten, sich mit Marken auszutauschen und üben massiven Einfluss auf das Marketing aus.“

In ein paar Jahren wird die Gen Z zur wichtigsten Konsumentengruppe, schon heute redet sie bei vielen Anschaffungen mit. Und an Selbstwertgefühl mangelt es nicht: Weltweit denken 74 Prozent der unter 24-Jährigen, sie hätten die Macht, das Verhalten einer Marke zum Besseren zu verändern, so eine Studie der McCann Worldgroup. Für Marketer ist die Zielgruppe dagegen nicht so leicht zu bewegen: Weil sich ihre Aufmerksamkeit auf immer mehr Plattformen verteilt, ist sie über klassische Medien nur schwer zu erreichen. Zudem sorgt die flüchtige Mediennutzung dafür, dass immer weniger Werbewirkung bei den Jüngeren hängenbleibt.

Relevanz wichtiger als Reichweite beim Markenaufbau

„Früher konnte man eine Marke allein über Reichweite aufbauen, heute bewegt sich die Zielgruppe in Content-Bubbles“, sagt Urs Meier, Head of Client der Gen-Z-Agentur Garden of Youth. Marken müssten „Relevanz in Communitys erzeugen, um wahrgenommen zu werden“.

Auch mit Demografie kommt man nicht weit, denn die Gen Z ist extrem heterogen: Man setzt sich für Nachhaltigkeit ein und steht auf Fast Fashion, trinkt weniger Alkohol (#sobercurious) und raucht mehr Gras. Zuhause bleiben ist das neue Feiern – auch nach der Pandemie.

Die Jugend sehnt sich nach Sicherheit und Ehrlichkeit, wie die Erwartungen ans Marketing belegen. Die Brands sollen auf negatives Feedback reagieren (58 Prozent), zeitnah antworten (55 Prozent) und Ideen aus der Community berücksichtigen (51 Prozent), hat die Digital Content-Agentur House of Yas herausgefunden. Zudem wird erwartet, dass die Unternehmen Haltung zeigen. 81 Prozent würden eher Produkte von Marken kaufen, die sich zu gesellschaftspolitischen Themen positionieren.

Statt warmer PR-Luft ist Kommunikation auf Augenhöhe gefragt, betont Agenturgründer Neil Heinisch: Man solle weniger über, sondern mehr mit der Zielgruppe sprechen und sie am besten gleich selbst einbinden. So hat PlayTheHype für die Chips-Marke „funny frisch“ eine TikTok-Kampagne umgesetzt, bei der mehr als 25.000 Jugendliche ihren Moment mit der Marke hochgeladen haben. Den Erfolg der Kampagne macht Heinisch auch daran fest, dass die Zielgruppe die Spots gedreht hat. Der „Wunsch nach Echtheit abseits der glossy Markenwelten“ müsse von Werbungtreibenden aufgegriffen werden.

Nicht nur konsumieren, sondern auch kreieren

Dass sich die Gen Z gerne einbringt, hat man auch bei der Krombacher-Tochter Drinks & More verstanden. So hat die Rapperin Shirin David die Eistee-Marke „DirTea“ im Austausch mit der Community entwickelt, die auch bei Geschmacksrichtungen mitentscheiden konnte. Man wolle nicht nur auf Social Media präsent sein, sondern „kanalgerechten Content bieten und mit der Zielgruppe interagieren“, heißt es bei Drinks & More. Die Marke fokussiere von Anfang an Shirins Community und deren Bedürfnisse.

Dass auch andere Rapperinnen und Rapper wie Capital Bra, Bushido, Haftbefehl und Katja Krasavice Eistee-Marken haben und sogar die Gamer ihre Drinks vermarkten, ist für Gen-Z-Marketer Meier von Garden of Youth kein Problem: „Sie alle haben ihre Daseinsberechtigung, weil sie komplett unterschiedliche Bubbles bedienen.“ Produkte und Werbung werden zunehmend personalisiert, sagt Meier: „Es gibt immer weniger Momente, Marken und Menschen, die die gesamte Gen Z abdecken.“


Illustration: rosepistola.de


Bild Cathrin Hegner
Cathrin Hegner arbeitet als freie Medienjournalistin, Autorin und Moderatorin in München. Zuvor war sie für Fachmedien wie Werben & Verkaufen und als Ressortleiterin für Horizont tätig.
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