Cookie Hinweis

Suche

Tendenz

Das Magazin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien

Das Recht auf berufliches Glück
zur Übersicht aller ArtikelAlle Artikel zur Übersicht aller AusgabenAlle Ausgaben

Das Recht auf berufliches Glück

In Zeiten des Fachkräfte­mangels müssen sich auch Medienunternehmen etwas einfallen lassen, um bei den Mitarbeitenden zu punkten. Das gilt besonders für die Gen Z, deren Ver­ständnis für die Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit ein neues Level erreicht hat. Doch beim Thema New Work stoßen gerade mittlere und kleine Medienunternehmen an ihre Grenzen.

Text Lisa Priller-Gebhardt

Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, hält den Ruf der jungen Generation nach mehr Work-Life-Balance offenbar für übertrieben. In einem FAZ-Interview Anfang Februar antwortete sie auf die Frage, ob  das gestiegene Freizeitbedürfnis junger Menschen ein Problem für die Gesellschaft darstelle: Da solle man besser jemand anderen ansprechen, denn „Wir sind die Agentur für Arbeit, nicht für Freizeit.“
 
Die in Medienberichten häufig zitierte Umschreibung für die unter 25-Jährigen, „Generation Freizeit“, trifft sicherlich nur auf einen Teil der jungen Menschen zu – und auch diese scheut nicht die Arbeit an sich. Sie setzt nur andere Prioritäten. Laut Studien ist die Gen Z durchaus leistungsbereit, aber nicht um jeden Preis. Sie verzichtet im Zweifel auf Geld, wenn dafür mehr Freizeit rausspringt. „Die Gen Z hat ein anderes Verständnis von Work-Life-Integration. Für sie hat es einen höheren Stellenwert, berufliche und private Interessen in Einklang zu bringen. Junge Menschen beschützen ihre persönliche Energie und vertreten ihre Interessen“, sagt Carina Pennig, Senior Vice President Talent Acquisition, und damit verantwortlich für Recruiting und Employer Branding bei ProSiebenSat.1.

Anderes Verständnis von Work-Life-Integration

Der Ruf nach mehr Flexibilität und Individualismus, um Berufs- und Privatleben besser zu vereinen, ist in den zurückliegenden Corona-Jahren noch einmal deutlich stärker geworden. „Vor allem die Gen Z, die mit dem Aufkommen der Pandemie in die Arbeitswelt eingetreten ist, hat eine andere Perspektive auf die Arbeitswelt und stellt hier ganz konkrete Forderungen in Bezug auf Flexibilität und Individualisierung“, beobachtet Kerstin Michels, Co-Founderin von Voiio. Die Beratungsfirma hilft Unternehmen, New-Work-Themen wie Diversität oder mentale und physische Gesundheit zu etablieren.

Die Gen Z gibt also den Weg vor, wie die Arbeitswelt künftig aussehen sollte. Um junge Menschen heute überhaupt noch für ein Unternehmen begeistern zu können, müssen vor allem diese drei Eckpunkte passen: „Der Purpose, also die Frage nach dem Sinn und Zweck“, sagt Michels. Ebenfalls wichtig: die weitere Entwicklung. „Hier geht es nicht um die nächste Karrierestufe oder das höhere Gehalt, sondern um die inhaltliche Entwicklung“, so die Voiio-Chefin. Und drittens: Wellbeing beziehungsweise Work-Life-Balance, die beispielsweise flexible Arbeitszeiten und einen flexiblen Arbeitsort beeinhaltet.

„One size fits all“ gehört der Vergangenheit an

Auch ProSiebenSat.1-Managerin Pennig hat diese drei Felder als wesentlich für ihre Mitarbeitenden identifiziert. Um Beruf, Familie und Freizeit besser vereinbaren zu können, bietet der Konzern vier unterschiedliche Modelle für hybrides Arbeiten an, die unter Beteiligung der Belegschaft entwickelt wurden. „One Size fits all ist passé“, betont Pennig. Neu dazugekommen ist das Arbeiten im EU-Ausland. Mitarbeitende können 30 Tage im Jahr außerhalb Deutschlands arbeiten. In 11 Ländern ist das derzeit möglich.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Thema Purpose. „Ob sich die Mitarbeitenden mit den Produkten oder der Wertewelt identifizieren, ist heute bewerbungsentscheidend“, erklärt die ProSiebenSat.1-Managerin. Hier zeige der Konzern mit Themen wie Green Production oder Public-Value-Formaten Haltung. „Das zahlt auch auf das Employer Branding ein“, sagt Pennig. Last but not least kommen hinzu: die Gestaltungsmöglichkeiten. Als digitaler Entertainmentkonzern kann ProSiebenSat.1 eine große Vielfalt an Berufsbildern anbieten. „Und wer mal etwas anderes ausprobieren möchte, schnuppert per Job-Shadowing in eine andere Abteilung rein.“

In puncto Akquise räumt Pennig ein, dass der Markt für Early Professionals anspruchsvoll ist. Man spricht sie am besten über die Social-Media-Kanäle an und passt die Art der Ansprache der Zielgruppe an. „Sie entscheidet binnen einer Sekunde, ob sie den Content gut findet“, erklärt Pennig.

Auch andere Medienhäuser nutzen den Hebel New Work, um die Arbeitswelt von heute auf morgen auszurichten. Der Medienkonzern Hubert Burda Media bietet seinen Mitarbeitenden psychologische Hilfe an, wenn sie beispielsweise durch die coronabedingte Mehrbelastung mentale Unterstützung brauchen. Die Sendergruppe Discovery fördert Vielfalt und Wertschätzung im Unternehmen und bekämpft mit einem „Unconscious Bias Training“ mögliches Schubladendenken. Und die Agentur Netzwerk gibt ihren Mitarbeitenden fünf zusätzliche Urlaubstage, den sogenannten „Urlaubs-Booster“, falls die Regelzeit nicht ausreicht. Außerdem wurde in den Tiroler Bergen eine „Mountain-Lodge“ in einem historischen Bauernhaus eingerichtet, das für Arbeits- und Urlaubszeiten genutzt werden kann.

New Work stößt in der Medienbranche an seine Grenzen

Generell erfordert die Arbeit in der Kreativ-Sparte viel Leidenschaft und die Bereitschaft, auch jenseits eines Achtstundentages am Ball zu bleiben. „Es ist für die junge Generation nicht mehr selbstverständlich, über die Randzeiten hinaus zu arbeiten“, sagt Till Coenen, Geschäftsführer von Radio Arabella. Schwierig, wenn viele Termine nicht während der regulären Arbeitszeit stattfinden. „Wir regeln das fair und gestatten einen Ausgleichstag“, so Coenen.
Für seinen Kollegen Martin Schelauske, Geschäftsführer des Funkhauses Regensburg, ist das Thema Work-Life-Balance insbesondere in den Redaktionen inzwischen fast schon ein K.o.-Kriterium bei der Einstellung. „Wenn jemand weniger arbeiten möchte, dann fehlt meist das passende Gegenstück im Personal. Der Wunsch nach Work-Life-Balance des einen geht dann immer zulasten der anderen Kollegen“, gibt Schelauske zu bedenken. „Der Wunsch nach freier Zeit schiebt sich in der Regel dahin, wo es für keinen anderen Mitarbeiter passt, nämlich am Freitagnachmittag“, so der Funkhaus-Chef.

Dennoch hat sich auch bei kleinen Unternehmen in puncto Flexibilität einiges getan, obschon das Thema New Work gerade in der Medienbranche an seine Grenzen stößt. Hier ist eine vollständige Loslösung von Büros und Kollegen nicht praktikabel. Doch bei Radio Arabella arbeiten inzwischen zwei Drittel in Präsenz und ein Drittel zuhause oder an einem frei gewählten Ort. „Dazu statten wir die Mitarbeitenden mit der entsprechenden Technik aus“, erklärt Coenen.

Kleinere Medienunternehmen müssen mit anderer Währung punkten

Während Medienhäuser wie ProSiebenSat.1 oder Hubert Burda Media mit Benefits wie Sabbaticals, neuester IT-Ausstattung für das Homeoffice oder Mental-Health-Programmen aufwarten können, ist es für kleinere Betriebe schon schwieriger zu punkten. Sie leiden darunter, dass sich der Arbeitsmarkt zu einem „Arbeitnehmermarkt“ entwickelt hat. „Mit Blick auf die demographische Entwicklung muss man sagen: Was wir heute erleben, ist erst der Anfang“, sagt Schelauske, der im Moment etliche Stellen offen hat und inzwischen bei der Personalsuche auch auf Quereinsteiger setzt.  

Wie lässt sich Begeisterung wecken?

Coenen, Schelauske und viele andere Kollegen und Kolleginnen treiben Fragen wie diese um: Wie schaffe ich es, junge Menschen so zu integrieren, dass sie sich als Mehrwert sehen? Wie gelingt es, Begeisterung zu wecken? Wie erreicht man, dass sie sich als wesentlichen Teil der Redaktion sehen? Schwierig, denn vor allem junge Mitarbeitende sind ihren Arbeitgebern gegenüber oft nicht sehr treu. „The Fear of missing out“, kurz FOMO, also das Gefühl, es könnte wo anders noch was Besseres geben, grassiert auch hier. „Diese Angst müssen Unternehmen ihren Mitarbeitenden nehmen und ihnen zeigen: Das kriegst du auch bei uns“, empfiehlt Michels.

Neben dem ständigen Austausch und Feedback-Gesprächen spielt bei der Gen Z auch eine faire Bezahlung eine große Rolle. Hier hapert es in manchen Betrieben. Und kaum ein regionaler Sender kann nur im Ansatz mit den Gehältern aufwarten, die Hochschul-Absolventen in der Industrie verlangen können. Voiio-Managerin Michels rät: „Ein Pfund, mit dem auch kleine Medienunternehmen wuchern können, ist neben Geld noch eine andere Währung: die Bestätigung durch die Zielgruppe, aber auch durch die Geschäftsführung. Mit witzigen Beiträgen, berührenden Moderationen oder einem überraschenden Podcast wird man von den Fans – und hoffentlich auch von den Vorgesetzten – gefeiert.“


Illustration: rosepistola.de
Foto: Voiio

Bild Lisa Priller-Gebhardt
Lisa Priller-Gebhardt schreibt für Fachmagazine wie Werben & Verkaufen und Zeitungen über die deutsche Medienlandschaft. Themenschwerpunkte der freien Journalistin sind Fernsehen, Digitalwirtschaft sowie Printmedien.
zur Übersicht aller AusgabenAlle Ausgaben zur Übersicht aller ArtikelAlle Artikel

Artikel teilen

Aufnahme in den Verteiler

TENDENZ als pdf

  • TENDENZ 1/23
  • (PDF, 3 MB)

Info

Bildnachweis 1/23