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Die Macht der Intermediäre
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Die Macht der Intermediäre

Soziale Online-Netzwerke, Instant-Messenger, Suchmaschinen oder Videoportale: Diese sogenannten Intermediäre sind wesentliche Elemente des Kommunikations- und Informationsverhaltens. In zwei Studien der Landesmedienanstalten wurde untersucht, welchen Einfluss Intermediäre auf die gesellschaftliche Meinungsbildung nehmen.
Text KRISTIAN KUNOW

Intermediäre erschließen ihren Nutzern im Internet Inhalte aus unterschiedlichen Quellen. Ihre Algorithmen filtern, bewerten und personalisieren Informationen. Deshalb wurden im Rahmen des MedienKonvergenzMonitors der Landesmedienanstalten im vergangenen Jahr zwei Schwerpunktstudien in Auftrag gegeben. Bereits bevor der US-Wahlkampf die Debatte um die Rolle von Facebook, Twitter & Co. aufflammen ließ, haben sich die Studien aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema Intermediäre und Meinungsbildung befasst. Die bevölkerungsrepräsentative Befragung von Kantar TNS gibt Aufschluss über Häufigkeit und Motive der Nutzung von Intermediären. Die qualitative Studie des Hans-Bredow-Instituts liefert Einblicke, wie Intermediäre in konkrete Praktiken und Netzwerke der Meinungsbildung eingebunden sind. Die Studien sind Ausgangspunkt einer kontinuierlichen und systematischen Beobachtung der Bedeutung von Intermediären für die Meinungsbildung durch die Landesmedienanstalten.

DOMINANZ VON GOOGLE
& FACEBOOK

Die Ergebnisse der Studie von Kantar TNS zeigen, dass die hohe Tagesreichweite des Internet (58,3%) nur noch klar vom Fernsehen (79,1%) übertroffen wird. Tageszeitungen und Zeitschriften fallen mit 40,7 bzw. 13,8 Prozent deutlich zurück. Von den „Internetnutzern gestern“ nutzten mit 95,5 Prozent fast alle mindestens einen Intermediär online. Dabei kommen Suchmaschinen auf eine Tagesreichweite von 81,8 Prozent, gefolgt von Instant Messengern (75,8 %), sozialen Online-Netzwerken (53 %) und Videoportalen (43,7 %). Gefragt nach der informierenden Nutzung, also der Information zum Zeitgeschehen in Politik, Wirtschaft und Kultur aus Deutschland und aller Welt, gaben immerhin 57,3 Prozent der Befragten an, am Vortag dafür mindestens einen Intermediär genutzt zu haben. Auch bei der informierenden Nutzung liegen die Suchmaschinen (39,9 %) vorn, gefolgt von sozialen Online-Netzwerken (30,2 %). Videoportale (9,3 %) und insbesondere Instant Messenger (8,5 %) haben im Bereich der informierenden Nutzung eine deutlich geringere Bedeutung.

Auf der Ebene der einzelnen Intermediäre dominieren die Angebote von Google (Suchmaschine) und Facebook (soziales Online-Netzwerk). Mit einer Tagesreichweite im Bereich informierender Nutzung von 37,9 Prozent bei den Online-Nutzern liegt Googles Suchmaschine vor Facebook (24 %). YouTube (9 %) und WhatsApp (7 %) folgen mit deutlichem Abstand. Alle anderen der insgesamt zwanzig namentlich abgefragten Intermediäre erzielten Tagesreichweiten von drei oder weniger Prozent.

In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen haben YouTube (18 %) und WhatsApp (13 %) überdurchschnittlich viele sich informierende Nutzer. Bereits knapp die Hälfte (49,2 %) der 14- bis 29-jährigen Internetnutzer informieren sich allerdings täglich mit Hilfe von Googles Suchmaschine über das Zeitgeschehen. Auch Facebook ist mit 39,2 Prozent Tagesreichweite für die Jüngeren eine bedeutende Informationsquelle.

Bei den Online-Nutzern ab 14 Jahren haben Intermediäre in Deutschland mit 55,7 Prozent eine annähernd so hohe Tagesreichweite wie das Internet insgesamt. An einem Durchschnittstag nutzt ein Drittel (33,4 %) der Gesamtbevölkerung Intermediäre, um sich über das Zeitgeschehen zu informieren. Dabei sind Googles Suchmaschine und Facebook mit einer Tagesreichweite von 22,1 bzw. 14 Prozent die relevantesten Intermediäre. Diese Ergebnisse zeigen, dass gerade die den Unternehmen Google (Alphabet) und Facebook zuzurechnenden Angebote bedeutsame Tagesreichweiten in der deutschen Bevölkerung erzielen, vergleichbar mit denen des Rundfunks.

OMNIPRÄSENZ & AUDIENCE FLOW 2.0

Auch die Studie des Hans-Bredow-Instituts kommt mit Hilfe leitfadengestützter Diskussionen in Realgruppen und Interviews zu dem Ergebnis, dass Meinungsbildungsprozesse ohne Intermediäre nicht mehr denkbar sind. Zugleich sind Intermediäre aber nur ein Baustein im Prozess der Meinungsbildung. In Bezug auf die bei der Nutzung dominierenden Intermediäre stellt die Studie eine Omnipräsenz und Überlegenheit der Suchmaschine von Google fest. Sie wird vor allem zur gezielten Informationssuche verwendet, gleichzeitig ist bei den Nutzern eine geringe Kompetenz bezüglich der Selektionsleistung des Algorithmus zu beobachten. Bei Facebook sind mit Ausnahme informationsorientierter Nutzer nachrichtliche Inhalte nicht Zweck der Nutzung. Dennoch können gesellschaftlich relevante Themen im Kontaktnetzwerk des Nutzers präsent sein.

YouTube wird ebenfalls nicht vorrangig für meinungsbildende Inhalte genutzt. Das Video-Portal erschließt den Nutzern dennoch als Universalplattform Inhalte, die für eine Meinungsbildung relevant sind, und ermöglicht eine habitualisierte Nutzung (z.B. News-YouTuber). Hinzu kommen algorithmische Empfehlungen. Letzterer Effekt kann vor dem Hintergrund der klassischen TV-Programmgestaltung als „Audience Flow 2.0“ bezeichnet werden. WhatsApp hingegen hat eine große Bedeutung für den interpersonellen Austausch. Ein Potenzial für gruppenbezogene Meinungsbildung wird gerade erst entdeckt, zeigt sich aber schon an Einzelbeispielen. Allen Intermediären ist den Studienergebnissen zufolge gemein, dass sie bei ihren Nutzern Teil der Wissens- und Informationssuche sind, wenngleich sie sich unterschiedlich für die Informationsbedürfnisse eignen. Vor allem Facebook und YouTube unterstützen – auch im Zusammenspiel mit den Angeboten der klassischen Medien – die Wahrnehmung von gesellschaftlichen Problemlagen, Deutungen und Meinungsverteilungen. Für die Formierung eigener Einstellungen und Meinungen sowie daraus resultierender Handlungsabsichten sind allerdings die Face-to-Face-Kommunikation mit dem eigenen sozialen Umfeld sowie die Berichterstattung publizistischer Medien nach wie vor bedeutsam.
Infografik zur Nutzung der Intermediäre

GRAFIK: rose pistola; iStock.com: AdrianHillman, Magnilion, stendy; INFOGRAFIK: rose pistol
Bild Dr. Kristian Kunow
Dr. Kristian Kunow
betreut als Referent der BLM und der Gemeinsamen Geschäftsstelle der Landesmedienanstalten die Bereiche Medienwirtschaft und Forschung (u. a. Medien KonvergenzMonitor, Digitalisierungs­bericht und Webradiomonitor).
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