Cookie Hinweis

Suche

Tendenz

Das Magazin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien

Der Medienstaatsvertrag im Stresstest
zur Übersicht aller ArtikelAlle Artikel zur Übersicht aller AusgabenAlle Ausgaben

Der Medienstaatsvertrag im Stresstest

DLM-Symposium 2022

Mit dem Medienstaatsvertrag (MStV) haben die Länder und 
die Medienanstalten „regulatorisches Neuland“ betreten. Denn erstmals sind darin Regeln für Medienintermediäre und 
Plattformen festgeschrieben. Diese neue Medienordnung, seit November 2020 in Kraft, befindet sich nun im Stresstest 
der Umsetzung. Wie die Praxis aussieht und ob das neue Recht greift, thematisierte das diesjährige DLM-Symposium der Medienanstalten in Berlin.

Text Bettina Pregel

„Für uns als Medienanstalten ist Regulierung im Sinne von mehr Meinungsvielfalt keine Option, sondern ein Muss", brachte Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), das Ziel der Umsetzung des Medienstaatsvertrags im Laufe des Symposiums auf den Punkt.
Mit den Regulierungsvorgaben zur Sicherung der Meinungsvielfalt haben die Länder eine Vorreiterrolle innerhalb der Europäischen Union übernommen. Während die Gesetzesvorhaben der EU-Kommission noch nicht komplett abgeschlossen sind (vgl. S. 26-27), befinden sich die Vorgaben zur Regulierung der Medienintermediäre (Suchmaschinen und soziale Netzwerke) in Deutschland bereits im Stresstest. Die rechtlichen Grundlagen sind mit dem Medienstaatsvertrag und den konkretisierenden Satzungen der Medienanstalten gelegt.
„Jetzt beginnt der echte Test“, so Dr. Wolfgang Kreißig, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), zum Auftakt des Symposiums am 23. März in der Berliner Vertretung des Landes Baden-Württemberg. „Der Medienstaatsvertrag hat sich bisher als zukunftsfähiges Instrument zur Sicherung von Vielfalt durch neue Vorgaben für mehr Transparenz und zur Zugangs- und Diskriminierungsfreiheit bewährt.“ Ein Kernelement sei angesichts des veränderten Mediennutzungsverhaltens die Intermediärs-Regulierung.

Maßgabe für die Praxis: „Sensibilisierung der Branche“

Mit der algorithmengesteuerten Aggregation und Selektion von Inhalten übernehmen die Intermediäre eine Gatekeeper-Funktion, die früher den klassischen journalistischen Medien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen vorbehalten war. Wie frei ist die Meinungsbildung also noch, wenn Unternehmen wie Meta oder Google darüber entscheiden, wer welche Nachrichten zu sehen bekommt?

Die Medienanstalten setzen bei der Intermediärs- und Plattform-Regulierung zunächst auf kontinuierlichen Dialog. Maßgabe für die Praxis ist laut Kreißig ein „niederschwelliger Ansatz“: „Wir wollen der Branche Hilfestellungen geben und sensibilisieren.“
Ein treffendes Bild für das „regulatorische Neuland“ fand der Hamburger Senator für Kultur und Medien, Dr. Carsten Brosda, im Gespräch mit Moderator Torben Klausa: Mit dem Medienstaatsvertrag gingen die Länder „die ersten Schritte auf einem zugefrorenen See, bei dem man noch nicht weiß, ob das Eis trägt. Aber man tastet sich vor.“

„Noch mehr für Transparenz tun“

Wie das Vortasten in der Prüfpraxis für die Intermediäre aussieht, erklärten BLM-Präsident Thorsten Schmiege und MA HSH-Direktorin Eva-Maria Sommer. Die Transparenz-Vorgabe beinhaltet laut Schmiege vor allem Informationspflichten gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern. So müssten die zentralen Kriterien, nach denen Inhalte aggregiert, selektiert und präsentiert werden, gut nachvollziehbar sein.
Das Ergebnis eines ersten Transparenzmonitorings der Medienanstalten: „Alle Intermediäre müssen noch mehr für Transparenz tun“, so der BLM-Präsident. Es gebe niemanden, der nichts gemacht hätte, aber auch niemanden, der die Vorgaben zur vollsten Zufriedenheit erfüllt hätte.
Transparenz ist also geboten, Diskriminierung verboten: Medienintermediäre dürfen journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote nicht diskriminieren. Dies gilt jedoch nur, wenn sie besonders hohen Einfluss auf deren Wahrnehmbarkeit haben. Der Einfluss wird laut der Intermediärs-Satzung der Medienanstalten vor allem anhand von Daten wie Nutzungsreichweite, Nutzer­zahlen, Verweildauer und Aktivität der Nutzenden oder Anzahl der Views je User ermittelt.

Vorreiterrolle von Deutschland bei der Medienregulierung

Was die Transparenz angehe, so die Public Policy-Managerin bei Meta, Marie-Teresa Weber, sei in den letzten Jahren mit Blick auf die Informationen für Inhalteanbieter und Nutzende doch schon sehr viel passiert, beispielsweise mit Hilfe- und Transparency-Centern auf Facebook.

Nicht nur sie, sondern auch Michael Neuber (Google Germany) und Claus Grewenig (RTL Deutschland) sehen den Medienstaatsvertrag ein Stück weit als Pionierleistung, was Intermediäre, Plattformen und die Anreizregulierung in puncto Public Value angeht. Deutschland wirkt damit in seiner Vorreiterrolle auch inspirierend auf das Regulierungspaket der Europäischen Kommission.
Bei der Vereinbarkeit von nationalem und europäischem Recht mit Blick auf die digitale Medienordnung gibt es offenbar noch Luft nach oben. „Eine passgenaue Regulierung von global agierenden Anbietern gelingt am besten durch ein kluges Zusammenspiel von europäischem und nationalem Recht“, hatte schon der Hamburger Mediensenator zu Beginn des Symposiums hervorgehoben.
Der DLM-Vorsitzende forderte mit Blick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Staatsferne des Rundfunks: „In den Diskussionen um den Digital Services Act (DSA) und den European Media Freedom Act (EMFA) sollte die explizite Aufnahme des Staatsfernegebots für Rundfunk auch auf europäischer Ebene angedacht werden.“
Einigkeit herrschte beim Schlusspanel des Symposiums: Die Regulierung von Medienfreiheit und -vielfalt ist auf Ebene der Bundesländer bestens aufgehoben, da sie vor Ort vollzogen wird, Beurteilungen im Einzelfall ermöglicht und schneller agieren kann als eine europaweit ausgerichtete Regulierung.

Die Aufzeichnung des Symposiums sowie Informationen und Fotos sind hier zu finden:
https://www.die-medienanstalten.de/dlm-symposium-2022.


Bild Lisa Priller_Gehardt
Bettina Pregel ist stellvertretende Pressesprecherin und Social Media-Verantwortliche in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Die gelernte Redakteurin und Pressereferentin arbeitete zuvor bei Tageszeitungen und Fachzeitschriften.
zur Übersicht aller AusgabenAlle Ausgaben zur Übersicht aller ArtikelAlle Artikel

Artikel teilen

E-Paper 1/22

TENDENZ als pdf

  • TENDENZ 1/22
  • (PDF, 7 MB)

Info

Bildnachweis 1/22