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Das Magazin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien

Video on Demand – das neue Lagerfeuer
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Video on Demand – das neue Lagerfeuer

Streaming-Standort Bayern

Video on Demand ist im Mainstream angekommen. Nicht mehr nur junge Menschen verlagern ihren Bewegtbildkonsum ins Netz. Den Trend befeuern Streaming-Plattformen, aber auch TV-Sender mit ihren Mediatheken. Besonders geballt zeigt sich die Branche mit Anbietern wie Amazon Prime Video, Disney+, Sky oder Joyn am bayerischen Standort München – aus guten Gründen.

Text Petra Schwegler

Was für die Generation X das TV, ist für die Generation Z das Streaming: Die zwischen 1961 und 1980 Geborenen haben Stefan Raab geschaut und über Michael „Bully“ Herbig gelacht. Die heute unter 30-Jährigen der Gen Z feiern Julien Bam, lernen aber immerhin Bully dank seiner Wiedergeburt als Amazon-Prime-Video-Bespaßer in „LOL“ neu kennen. Doch unterscheiden sich die beiden Zielgruppen maßgeblich in der Frage, wie lange welcher Bildschirm flimmert.

Das neue Lagerfeuer brennt im Netz

Die seit Jahren beobachtete Verschiebung hin zu Video, insbesondere bei jungen Zielgruppen, dokumentiert die Langzeitstudie der ARD/ZDF-Massenkommunikation (MK-Studie). In der Ausgabe „Trends 2021“, die die Corona-Pandemie mit Lockdown-Phasen umfasst, ist die Rede von der neuen „Gen Video“. Inzwischen verbringen 14- bis 29-Jährige mehr Zeit mit Bewegtbild (46 Prozent ihrer Mediennutzungszeit) als mit dem ebenfalls boomenden Genre Audio (43 Prozent). Dabei konkurrieren Video-und Audio-Anwendungen immer öfter auf dem Smartphone um die Aufmerksamkeit der User.

Verlierer dieser Entwicklung ist das klassische TV, über Jahrzehnte hinweg das Lagerfeuer der Mediennutzung: 44 Prozent der unter 30-Jährigen verbringen laut der MK-Studie doppelt so viel Zeit mit Streaming-Angeboten wie mit linearem Fernsehen. Sie streamen im Schnitt täglich 83 Minuten Inhalte bei Amazon, Netflix und Co., zappen sich aber nur noch 41 Minuten lang durch TV-Programme.

Für TV ein Ansporn: Sender sind Profiteure und Verstärker des Trends. Ihre Mediatheken erreichen laut der ARD/ZDF-Langzeitstudie innerhalb einer Woche mittlerweile 38 Prozent der Bevölkerung. Aktuelle Umbauten in der Branche verdeutlichen, dass im Auswahlprozess des „Windowing“ bei der Frage „Wo läuft was?“ die Online-Variante immer öfter gewinnt.

Markt sortiert sich neu

Auf Anbieterseite werden die im TV-Markt bekannten Claims neu abgesteckt. Übers Netz sind Prime Video und Netflix Marktführer bei den abofinanzierten Abrufen von Inhalten (SVoD). Die Goldmedia VoD-Ratings weisen ihnen für den Erhebungszeitraum der ARD/ZDF-Massenkommunikations-Studie 33 beziehungsweise 24 Prozent Marktanteil zu. Disney+ konnte sein Startjahr 2020 gleich mal auf Augenhöhe mit Sky Go/Sky Ticket (9 Prozent) abschließen, gefolgt von DAZN (7 Prozent), Magenta TV (6 Prozent) und RTL+ (4 Prozent). Das VoD-Angebot von ProSiebenSat.1 und Discovery, Joyn, wird unter „Sonstige“ mitgezählt, die Goldmedia mit 5 Prozent Anteil am SVoD-Markt angibt. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Ranking der Top 25 VoD-Anbieter Ende 2020 (vgl. Grafik).

Der Wettbewerb verschärft sich weiter. Mit dem Launch von Paramount+ wird Ende 2022 gerechnet. HBO Max könnte nach Ablauf der bisherigen Vereinbarung zwischen Sky und Warner Media im Jahr 2025 im Markt mitmischen. Immer mehr stellt sich die Frage, wie viele Abos ein User aus Kostengründen abschließen kann und will. Netflix verliert gerade erstmals seit zehn Jahren Kunden. Branchenprimus Prime Video sorgt dagegen für Wettbewerb im werbefinanzierten Streaming-Markt (AVoD): Noch 2022 soll Amazon Freevee zusätzlich loslegen – kostenfrei und mit eigenen Inhalten. Disney+ kündigte jüngst ein vergünstigtes Abo mit Werbeeinblendung an, Netflix wird wohl mitziehen. Deutsche Player wie Joyn bieten bereits kosten­freie werbefinanzierte Inhalte an.

München „gefühlte Hauptstadt des europäischen Streaming-Marktes“

Der deutsche Wettbewerb im VoD-Markt spielt sich vor allem am Medienstandort Bayern ab. Am Hotspot München sitzen sechs der laut Brand Index zehn beliebtesten Streaming-Dienstleister. Darunter befinden sich neben den internationalen Schwergewichten Amazon Prime Video und Disney+ auch die Anbieter Sky Ticket, Joyn und der Sport-Dienst DAZN. Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), betonte beim ersten VoD-Gipfel der BLM-Tochter MedienNetzwerk Bayern die Rolle Münchens als „gefühlte Hauptstadt des europäischen Streaming-Marktes“.

Hilfreich im wachsenden Streaming-Markt ist die breite Produktionslandschaft an der Isar mit namhaften Häusern wie Bavaria, Constantin oder Leonine. Es gilt, sich über exklusive Inhalte von anderen Diensten abzugrenzen. Immer mehr nationale „Originals“ werden von internationalen VoD-Anbietern beauftragt. Gute Voraussetzungen dafür bieten die Rahmenbedingungen am Standort, darunter die finanzielle Unterstützung. Der FilmFernsehFonds Bayern (FFF) zählte 2021 beispielsweise zu den größten regionalen Förderern für Serien­produktionen.

Bayern will führende Rolle im Zukunftsmarkt VoD einnehmen

Bayern ist bei der Produktion der relevanten Streaming-Genres Fiktion und Information/Doku führend. Das ist eine Chance, aber auch eine Herausforderung für den Medienstandort: Durch die Auflagen der Corona-Pandemie pausierten Fiktion-Produktionen, rücken jetzt nach und verschärfen den „War for Talents“. Zentrales Thema des VoD-Gipfels war, „dass das Thema Fachkräfte alle Akteure im VoD-Bereich betrifft“, so BLM-Präsident Schmiege. Dieses Problem könnten Medienpolitik, Anbieter und Bildungseinrichtungen wie die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) gemeinsam anpacken.

Mit den Ballungszentren Unterföhring, Ismaning und Grünwald spielt Bayern bereits eine führende Rolle im Bewegtbildbereich – und will diese auch im Zukunftsmarkt VoD einnehmen. Der „Blaue Panther“ trägt dem Anspruch Rechnung: Als Nachfolger des Baye­rischen Fernsehpreises wird er am 19. Oktober erstmals im Rahmen der Medientage München nicht mehr nur für herausragende TV-Stücke, sondern auch für Streaming-Produktionen oder hochkarätige Formate von Web-Creators verliehen. 

Bild Bettina Pregel
Petra Schwegler arbeitet seit 2019 in der Kommunikation der Medientage München und für das MedienNetzwerk Bayern. Die Journalistin war zuvor Newschefin bei der Fachzeitschrift Werben & Verkaufen. Seit Mai 2019 ist sie Mitglied der Jury für den Deutschen Radiopreis.
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