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Kollegin KI im
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Kollegin KI im Redaktionseinsatz

Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Journalismus hat durch ChatGPT einen ordentlichen Schub bekommen. Was die Technologie kann und was nicht, zeigen Beispiele für den Einsatz in Redaktionen. Das Anwendungsspektrum reicht von der Recherche über automatisch erstellte Texte und synthetische Radioprogramme bis hin zur Kreation von Werbespots.

Text: Lisa Priller-Gebhardt


Für das Publikum und die Gäste der Sendung ‚Münchner Runde‘ im Bayerischen Fernsehen war es ein gewöhnungsbedürftiger Anblick: In der Talkrunde saß neben den üblichen Gästen auch Roboter Pepper. Er diskutierte mithilfe des Programms ChatGPT mit. Eine medienwirksame Einbindung der KI, die verdeutlicht, was inzwischen möglich ist. Mit Anwendungsfällenvon KI im Journalismus aus der jüngeren Vergangenheit hat sich Medienprofessor Christoph Neuberger von der Freien Universität Berlin Anfang 2023 auseinandergesetzt. Er ist Mitverfasser des Whitepaper „Künstliche Intelligenz im Journalismus“ der „Plattform Lernende Systeme“, das diverse Beispiele auflistet – außerhalb des Einsatzes von ChatGPT, das erst jetzt flächendeckend genutzt wird.

Archive durchsuchen und Reichweiten prognostizieren


„Medienhäuser wie der WDR setzen Künstliche Intelligenz ein, um Archive zu erschließen, etwa durch die automatisierte Verschlagwortung von Textinhalten oder die Digitalisierung audiovisueller Inhalte“, nennt Neuberger ein Beispiel. Das ARD-Metadatensystems „medas“ ermöglicht es, crossmedial die digitalen Archive der Rundfunkanstalten zu durchsuchen. So werden beispielsweise Zitate in audiovisuellen Beiträgen gefunden. Denn mit Hilfe von KI ist die Tonspur der Beiträge als Text durchsuchbar.

Tageszeitungen wie die der Mediengruppe Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) nutzen KI, um täglich hunderte von online veröffentlichten Artikeln durch eine von KI vorgelesene Fassung zu ergänzen. Außerdem ist die KI-Datenanalyse im Stande, zu prognostizieren, wie viel Reichweite – und damit Werbeeinnahmen – ein Artikel generieren wird. Sie empfiehlt dann, ob der Beitrag kostenlos oder kostenpflichtig angeboten werden soll.

KI wird auch für die Analyse großer Datenmengen genutzt. Eine Enthüllung wie die Panama-Papers der Süddeutschen Zeitung beispielsweise wäre ohne KI vermutlich nicht möglich gewesen – Basis waren vier Terabyte Material.
 

ChatGPT hat bereits Einzug in die Redaktionen gehalten

Mit dem Start generativer KI-Tools wie ChatGPT, DALL-E und Midjourney sind die Anwendungsfelder nochmals gewachsen. Mit ihnen ist es möglich, Texte zusammenzufassen, Artikel zu schreiben und Bilder zu generieren. „Viele Nachrichtenagenturen nutzen das inzwischen, um automatisch Texte zu schreiben“, sagt Neuberger. Aber auch in Verlagshäusern halten generative KI-Tools Einzug. Im Kosmos von Ippen Digital finden sich auf den Webseiten hunderte Texte, die mit maschineller Unterstützung generiert wurden.

Das Frage- und Antwortportal gute Frage.net setzt ChatGPT als Assistent für die Beantwortung von Fragen aus der Community ein, für die nach zwölf Stunden noch keine Antwort eingegangen ist. Beispielsweise für Fragen aus bestimmten Themenwelten wie Musik, Sport und Beauty. „BrAIny“, so der Profilname, hat bisher rund 3.000 Fragen beantwortet. „Wir prüfen die Antworten, ehe sie online gehen. Außerdem erhalten die Nutzerinnen und Nutzer einen klaren Hinweis, dass die Antworten von KI erstellt wurden“, sagt guteFrage.net-CEO Philipp Graf Montgelas. Ein interessantes Spielfeld für den Einsatz von KI bieten auch neue Radioprogramme ohne echte Moderatoren. So betreibt die Sendergruppe Absolut Radio von der Antenne Deutschland GmbH seit Mitte Juli 2023 den Radio-Stream „Absolut Radio AI“, der ausschließlich von der AI namens kAI moderiert wird. Und das Medienhaus Audiotainment Südwest hat Ähnliches angekündigt. „Wir wollen ein uniques neues Programm kreieren, das auch klar als synthetisches Programm mit KI gekennzeichnet ist“, so Programm-Geschäftsführerin Valerie Weber.

Und der Münchner Sender Radio Gong nutzt ChatGPT in der Vermaktung. Mit dem Radio AD Maker können Werbekunden, die über kein so üppiges Budget verfügen, kostengünstig ihre eigenen Spots kreieren. Einfach die entsprechenden Prompts eingeben und ChatGPT formuliert daraus mehrere Textvorschläge. Dann entscheiden, ob eine männliche oder weibliche Stimme den Text sprechen soll und die Hintergrundmusik auswählen – emotional oder entspannt. „Aufgrund der einfachen Bedienbarkeit sind auch spontane Buchungen möglich. Das ist besonders für kleine Betriebe reizvoll“, erläutert Geschäftsführer Johannes Ott, der mit dem Radio AD Maker zusätzliche Werbeumsätze generiert.

Gehören menschengemachte Inhalte im Internet bald der Vergangenheit an?

Die meisten Medienmanager sehen den Einsatz von KI in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Effizienzsteigerung. In den Führungsetagen scheint man vor allem davon zu träumen, in Zukunft weitgehend ohne Journalisten und Journalistinnen auszukommen. Oliver Eckert, Chef von Burda Forward, sagte gegenüber dem Mediendienst Kress Pro, „die letzten Tage des Internets, an denen der überwiegende Anteil der Inhalte noch menschengemacht ist“, seien bereits angebrochen. „Ich gehe davon aus, dass bereits in zwei Jahren der Großteil der Inhalte im Internet von Maschinen geschrieben sein wird“, glaubt Eckert.

Neuberger sieht die Einsparung von Personal kritisch. „Meiner Meinung nach sind solche Tools wie ChatGPT noch nicht tauglich für Zeitungs- und Zeitschriften-Redaktionen. Mit ihnen können keine aktuellen Themen erstellt werden, denn die verfügbaren Daten reichen nur bis Ende 2021. Außerdem verlieren Redakteurinnen und Redakteure viel Zeit damit, die mittels KI erstellten Inhalte nochmal zu prüfen“, so Neuberger. Solche Tools könnten im redaktionellen Einsatz allenfalls zur „Inspiration dienen“ oder dazu, „Aspekte zu entdecken, die man vorher nicht auf dem Schirm hatte“.

„Kopfgemachter“ versus „maschinengemachter“ Journalismus

Während also die Verantwortlichen für die Zahlen ihre Bilanzen mit Hilfe der KI aufpolieren wollen, sorgen sich Journalistenverbände um das journalistische Berufsethos. Diese Ängste sind nicht unbegründet: So hat beispielsweise der Konzern Hubert Burda Media ein ganzes Heft mit Hilfe von KI erstellen lassen. Das fertige Produkt „Lisa kochen und backen - 99 PastaRezepte“ hatte einen faden Beigeschmack. Es fand sich nämlich an keiner Stelle im Blatt der Hinweis, dass das Magazin mit KI erstellt worden sei. Das Boulevardblatt „Die Aktuelle“ wartete mit der Titelgeschichte „Erstes Interview mit Michael Schumacher“ auf. Ein Gespräch, das nie stattfand. Es wurde mit KI erstellt. Die Chefredakteurin musste gehen.

„Solche Skandale und deren öffentliche Diskussion sind wichtig, da es dabei auch um die Frage geht, wem die Leserschaft in Zukunft noch vertrauen kann“, sagt Neuberger. Sie haben wenig Möglichkeiten, wirklich nachzuvollziehen, „was kopfgemachter und was maschinengemachter Journalismus ist. Das kann für bestimmte Marken zum Problem werden.“ Andere werden davon profitieren. „Qualitätsmedien, die Leitartikel, Glossen, Kolumnen mit Foto und Vita der Verfasserinnen und Verfasser veröffentlichen, werden Vertrauensgewinne einfahren“, ist sich Neuberger sicher, der als Direktor am Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft forscht.

Die Kennzeichnungspflicht ist inzwischen ein großes Thema. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) fordert klare Richtlinien für den Einsatz von ChatGPT und Co. „Die Kennzeichnung muss in unmittelbarer Nähe zum Inhalt erfolgen und hinsichtlich Größe und Gestaltung klar erkennbar sein“, heißt es im Positionspapier des DJV. Viele Medienbetriebe, wie die dpa und der BR, haben für sich selbst entsprechende Guidelines aufgestellt.

Kennzeichnungspflicht und Transparenzgebot

Unterdessen hat das Thema auch die akademische Ausbildung erreicht, wie bespielsweise die Hochschule Macromedia in München, die den Studiengang Journalismus anbietet. „Unsere Studierenden lernen in Workshops den Umgang mit Tools wie ChatGPT und dürfen sie sowohl für ihre Recherchen als auch für ihre Arbeiten verwenden, solange sie das Transparenzgebot wahren“, erklärt der Local Head of Faculty, Mo Badr. Um stets den neuesten Stand zu vermitteln, werden auch externe Experten aus internationalen Unternehmen an die Hochschule geholt. Dabei steht für Badr ein besonderer Aspekt im Vordergrund: „Ethischer Journalismus wird immer wichtiger. Daher ist es uns wichtig, dass die Studierenden im Umgang mit der KI den Fokus auf ethische Werte legen“, so Badr weiter.

Und das ist die gute Nachricht: „Am Berufsbild wird sich nichts ändern. Journalisten recherchieren komplexe Zusammenhänge, fassen sie so zusammen, dass sie für Rezipienten und Rezipientinnen verständlich werden und sie sich dann ihre eigene Meinung bilden können“, ist sich Neuberger sicher.

Abbildung: rosepistola.com / rawpixel

Bild Lisa Priller-Gebhardt
Lisa Priller-Gebhardt schreibt für Fachmagazine wie Werben & Verkaufen und Zeitungen über die deutsche Medienlandschaft. Themenschwerpunkte der freien Journalistin sind Fernsehen, Digitalwirtschaft sowie Printmedien.
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