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Tendenz

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Gesellschaftlich Verantwortung wahrnehmen und Relevanz schaffen
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Gesellschaftlich Verantwortung wahrnehmen und Relevanz schaffen

Weg vom Hype-Thema Nachhaltigkeit hin zum Selbstverständnis zu kommen: Das wünscht sich Annette Kümmel, Chief Sustainability Officer bei der ProSiebenSat.1 Media SE. Aus den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung hat der Medienkonzern die Handlungsfelder Gesellschaft, Diversität & Inklusion, Klima & Umwelt sowie Governance & Compliance ausgewählt. Tendenz hat nachgefragt, wie diese Felder mit Leben gefüllt werden.

Interview Bettina Pregel

Tendenz: Heute schon privat und beruflich nachhaltig gehandelt? Wenn ja, inwiefern?

Annette Kümmel: Jeden Tag versuche ich, möglichst viele alltägliche Handlungen nachhaltig zu gestalten und mich immer weiter zu verbessern. Ich bin davon überzeugt, dass auch die kleinen Dinge einen Unterschied machen: Meinen Haushalt führe ich weitgehend plastikfrei, ich kaufe regional und Bio, habe auch zuhause auf Ökostrom umgestellt und fahre konsequent mit der Bahn, statt ins Flugzeug zu steigen. Nachhaltiger Alltag ist aber weit mehr als das: Es fängt bei der Gestaltung des Frühstücks an und geht damit weiter, wie ich meine Kolleginnen und Kollegen bezeichne. Denn Sustainability ist ja längst nicht auf den Umwelt-Aspekt begrenzt, sondern umfasst etwa auch Diversität und Inklusion. Deshalb achte ich auch auf gendersensible Sprache.

Was sind eigentlich die Aufgaben eines Chief Sustainability Officer in einem Medienunternehmen?

Meine Aufgaben unterscheiden sich nicht von Nachhaltigkeitsbeauftragten anderer Unternehmen. Mein Hauptziel ist es, Nachhaltigkeit mit seinen drei Säulen – Soziales, Ökologie und Ökonomie – als integrales Managementverständnis in allen Konzernbereichen von ProSiebenSat.1 zu implementieren. Nachhaltiges Wirtschaften als Basis all unserer geschäftlichen Entscheidungen soll zum Selbstverständnis werden. In Aufgaben gesprochen heißt das: Impulse geben und beraten, Ideen verstärken und vorantreiben, Projekte und die Interessen unserer Zielgruppen in Einklang bringen. Bei ProSiebenSat.1 stehen dabei gesellschaftliche Verantwortung und Public Value thematisch besonders im Fokus.

Nachhaltigkeit ist in der Medienbranche 2020 zum Trending Topic aufgestiegen, haben Sie in einem Beitrag für den Fachdienst turi2 geschrieben. Warum ist das so?

Nachhaltiges Wirtschaften hat viele Treiber: Allen voran hat sich in den letzten Jahren das eigene unternehmerische Verantwortungsbewusstsein verändert. Als Unternehmen treffen wir zum einen Managemententscheidungen, zum anderen haben wir aber auch die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsziele über Inhalte auf unseren Plattformen abzubilden und unser Publikum und Werbetreibende darauf aufmerksam zu machen. Natürlich ist unser journalistischer Auftrag seit jeher auch ein gesellschaftlicher Auftrag und doch hat er sich zuletzt erweitert. Darüber hinaus wird Nachhaltigkeit nicht nur für uns, sondern auch für Bewerberinnen und Bewerber, Investierende, unser Publikum und Werbepartner zunehmend relevanter. Immer mehr Medienunternehmen beschäftigen sich intensiv mit ökologischen und Diversitäts-Themen und arbeiten gemeinsam an branchenweiten Standards. Die Branche rückt bei dem Thema enger zusammen, tauscht sich aus und unterstützt sich gegenseitig, um besser zu werden!

Welche Handlungsfelder umfasst der Ansatz von ProSiebenSat.1 und wie haben sich diese Felder entwickelt?

Wir haben vier Handlungsfelder aus den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ausgewählt und diese mit konkreten Leitsätzen für uns und unser Handeln hinterlegt:

  1. Gesellschaft: Wir bilden Meinungen & fördern Demokratie.
  2. Diversität & Inklusion: Wir treten für Gleichberechtigung & Chancengleichheit ein.
  3. Klima & Umwelt: Wir setzen uns für ökologische Nachhaltigkeit & Klimaschutz ein.
  4. Governance & Compliance: Wir stehen für Offenheit & Ehrlichkeit.

Wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus? Könnten Sie uns aus jedem Handlungsfeld ein Beispiel nennen?

Ob mit der Galileo-Rubrik „Green Heros“, der „SAT.1 Waldrekord-Woche“ oder Thilo Mischkes Reportage „Rechts.Deutsch.Radikal.“ – mit unseren Public Value-Formaten rücken wir regelmäßig gesellschaftlich relevante Aspekte in das öffentliche Bewusstsein. Als Mitgründer des Bündnisses „Medien für Vielfalt“ setzen wir uns zudem für Diversität & Inklusion ein. Außerdem haben wir zwei interne Initiativen gestartet: unser LGBTIQ-Netzwerk „PROUD“ und „fempowerment“. Im Bereich Klima & Umwelt haben wir nach der erfolgreichen Etablierung der „Green Productions“ nun auch einen Kriterienkatalog für „Green Events“ entwickelt. Nicht zuletzt achten wir streng darauf, Diskriminierung zu unterbinden. Hier greift eine Vielzahl von Bündnissen im Bereich Governance & Compliance.

Medien sind prädestiniert, die Meinungsbildung zum Thema „nachhaltiges Handeln“ in der Gesellschaft zu fördern. Wie setzt das ProSiebenSat.1 in seinen Programmen um?

Wir greifen Themen aktiv auf, berichten und schaffen damit Relevanz. In der alljährlichen Aktionswoche „Green Seven“ nutzt ProSieben seine Reichweite, um insbesondere unser junges Publikum für Nachhaltigkeit im ökologischen Bereich zu sensibilisieren. Das neue Infotainment-Programm „Zervakis & Opdenhövel. Live.“ ist – neben Programmen wie „Galileo“, „taff“, „ProSieben Spezial”, „Uncovered” mit Thilo Mischke und „Jenke.“ – ein weiteres Beispiel, wie wir aktuelle, relevante, nachhaltige und unterhaltsame Themen in Reportagen, Rubriken und Interviews aufbereiten.

Inwiefern spielen Inhalte mit gesellschaftlichem Mehrwert, also Public Value,  eine besondere Rolle?

Public Value ist in unserem Selbstverständnis tief und lange verankert. Diese Inhalte gewinnen weiter an Bedeutung, das sieht man auch an unserem Programm. Public Value ist eine der elementaren Aufgaben im Gegengewicht zur Desinformation z.B. in den sozialen Medien.

Auf die journalistische Arbeit bezogen, wird immer häufiger über „Haltungsjournalismus“ diskutiert. Wie passt das zur demokratischen Diskurskultur?

Aus meiner Sicht ist zentral, dass wir auch als Medienunternehmen eine Haltung als Fundament haben, auf dem wir agieren. Kolleginnen und Kollegen können daran ihre journalistische Arbeit ausrichten, ohne dass dabei eigene Ansichten oder die anderer ausgeklammert oder die redaktionelle Unabhängigkeit eingeengt werden. Gerade der Diskurs ist es, der Meinungsbildung ermöglicht. Diesen lassen wir in einer ausgewogenen Berichterstattung zu. Wir bieten Orientierung – durch Themensetzung, Abbildung des Diskurses und Einordnung. So können sich kann sich unser Publikum eine eigene, fundierte Meinung bilden.

Intensiv diskutiert wird auch das Thema „Diversität in den Medien“, sowohl was deren Inhalte als auch die Zusammensetzung der Redaktionen betrifft. Welche Schritte sind notwendig, um diese Diversität umzusetzen?

Diversität können wir nur darstellen, wenn wir selbst divers sind. Da sind wir in einigen Bereichen schon sehr weit. Gleichzeitig müssen wir Diversität besser sichtbar machen, im Konzern aber natürlich auch in unseren Inhalten. Doch das reicht nicht aus. Deshalb bieten wir zum Beispiel Sensibilisierungsschulungen an und beteiligen uns an einer Studie zur audiovisuellen Diversität, bei der das Verhältnis von Frauen- und Männerrollen und auch weitere Diversitätskriterien im Fernsehen erhoben werden. Darauf aufbauend setzen wir konkrete Maßnahmen um.

Für welche Nachhaltigkeitsziele aus der UN-Agenda lohnt sich eine Zusammenarbeit der Medienunternehmen mit den Medienanstalten in den jeweiligen Bundesländern?

Wir sehen viele Anknüpfungspunkte für die Medienbranche. Bei ProSiebenSat.1 fokussieren wir uns insbesondere auf folgende Ziele: Hochwertige Bildung (SDG 4), Geschlechtergleichheit (SDG 5), weniger Ungleichheiten (SDG 10), Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13), Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen (SDG 16) sowie Partnerschaften zur Erreichung der Ziele (SDG 17). Neben den im zuletzt genannten Ziel geforderten Kollaborationen, sehe ich vor allem bei SDG 16 ein großes Potenzial. Konkret meine ich damit Meinungsvielfalt und Demokratieförderung, der Kampf gegen Hass und Hetze sowie Desinformation und Verschwörungsmythen, aber auch alle Themen rund um Antidiskriminierung und damit proaktiv für Diversität. Auch im Bereich der Medienpädagogik und damit Bildung machen Kooperationen Sinn.

Wie lautet Ihre Prognose für die weitere Entwicklung nachhaltigen Handelns in der Medienbranche?

Meine Prognose und mein Wunsch: weg vom Hype-Thema hin zum Selbstverständnis und gegenseitigem Weiterentwickeln.


Illustrationen: rosepistola.de
Portrait Annette Kümmel: ProSieben.Sat1 Media SE

Bild Bettina Pregel
Bettina Pregel ist stellvertretende Bereichsleiterinn im Bereich Technik, Medienwirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit in der BLM. Die gelernte Redakteurin und Pressereferentin arbeitetete zuvor bei Tageszeitungen und Fachzeitschriften.
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