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Nachhaltiges Sendebewusstsein
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Nachhaltiges Sendebewusstsein

Weniger CO2-Verbrauch bei der Produktion, Dienstfahrrad statt Dienstauto, umweltfreundliches Papier, Diversity-Strategie: Nachhaltigkeit hat so viele Ausprägungen, dass fast jedes Unternehmen irgendwann mit der Frage konfrontiert wird: „Wie halten wir es mit der Nachhaltigkeit?“ Auch die Medienbranche beschäftigt sich mit dem Thema und denkt allmählich um. Beispiele dafür gibt es bereits einige. Doch es bleibt noch viel zu tun.

Text Franziska Mozart

Für Medienunternehmen umfasst Nachhaltigkeit unter anderem, wie sie ihre Rolle in der Gesellschaft ausfüllen, wie sie die thematische und personelle Vielfalt in den Medien unterstützen (Diversity), ob sie barrierefreie Angebote entwickeln, wie sie sich für Umweltschutz einsetzen, mit Compliance-Themen umgehen und eine zukunftsfähige Finanzierung schaffen. Gleichzeitig können sie ihre Reichweite nutzen, um über Nachhaltigkeit journalistisch zu informieren.

„Als Wirtschafts- und Medienunternehmen agieren wir in zwei Richtungen: Zum einen treffen wir bestimmte Managemententscheidungen. Zum anderen haben wir als Medienunternehmen die Möglichkeit, unsere eigenen Nachhaltigkeitsziele über Inhalte auf unseren Plattformen abzubilden und unsere Zuschauerinnen, Zuschauer, Nutzerinnen und Nutzer darauf aufmerksam zu machen“, sagt Annette Kümmel. Sie ist Chief Sustainability Officer der ProSiebenSat.1 Media SE und Vorstandsvorsitzende des Verbands Privater Medien (VAUNET). Seit 2020 gibt es ein eigenes Nachhaltigkeits-Ressort, das das Thema im Konzern verankert. Die Bemühungen und Fortschritte lassen sich inzwischen auch in einem Nachhaltigkeitsbericht nachlesen.

Engagement für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit

Medienhäuser müssen wie andere Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, wenn sie mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und kapitalmarktorientiert sind, also Aktien herausgeben. In den kommenden Jahren werden aber noch mehr Unternehmen Nachhaltigkeitsberichte vorlegen müssen, die EU-Kommission arbeitet an einer Ausweitung der Berichtspflicht.

Doch auch Unternehmen, die zu dieser Veröffentlichung nicht verpflichtet sind, können selbstverständlich ihr Engagement in einem Nachhaltigkeitsbericht zusammenfassen. Die ARD hat das 2020 erstmals getan. Die neun Landesrundfunkanstalten sowie die Deutsche Welle haben darin ihr Engagement für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit festgehalten.
„Nachhaltigkeit ist kein Schlagwort, sondern einer der wichtigsten Bausteine für unsere Zukunft, egal ob es den langfristigen Erhalt unseres Planeten, eine chancengerechte vielfältige Gesellschaft oder eine beständige wirtschaftliche Wertschöpfung betrifft“, erklärt Dr. Susanne Pfab, ARD-Generalsekretärin. „Es geht immer darum, die Effekte unseres Tuns auf Gesellschaft und Umwelt im Blick zu haben und sich dafür einzusetzen, dass diese so bereichernd wie möglich sind. Das betrifft Medienhäuser genauso wie Gesellschaften in ihrer Gesamtheit oder jede und jeden von uns.“

So können Medienunternehmen nachhaltig handeln

Medienunternehmen können zunächst wie jedes andere Unternehmen auch nachhaltige Entscheidungen treffen. Von der Ablösung der Firmenwagen durch Mobilitätsbudgets, der Nutzung umweltfreundlicher Büromaterialien bis hin zur nachhaltigen Produktion der Produkte und Inhalte gibt es unzählige Möglichkeiten. Die Besonderheit in Sachen Nachhaltigkeit ist bei Medienhäusern aber ihre doppelte Rolle als Wirtschaftsunternehmen und als Absender journalistischer Inhalte.

„Grundsätzlich können wir als Medienunternehmen überall anknüpfen, indem wir Themen aufgreifen, berichten und Relevanz schaffen. Bei allem, was wir direkt beeinflussen können, also eigene Managemententscheidungen oder auch Eigen- und Auftragsproduktionen, können wir nachhaltige Ziele direkter und besser verankern als in Bereichen, in denen wir Lizenznehmer oder selbst Dienstleister sind“, erläutert VAUNET-Vorstand Annette Kümmel die Möglichkeiten der Branche (vgl. Interview S. 22-24).

Konkret heißt das: Medien, die in ihrem journalistischen Auftrag auch einen gesellschaftlichen Auftrag sehen, berichten über die komplexen Themen und Herausforderungen rund um Nachhaltigkeit. Sie verbreiten das Wissen und die Hintergründe, wirken meinungsbildend und tragen beispielsweise mit Themenspecials und eigenen Formaten inhaltlich ihren Teil zum Wandel bei. Kümmel verweist darauf, dass die Nachhaltigkeits-Ziele der Vereinten Nationen nicht nur von Staaten, „sondern auch von Unternehmen und von jedem einzelnen in der Zivilgesellschaft umgesetzt werden könnten und sollten.“

Engagiert ist in Sachen Nachhaltigkeit natürlich auch die Medienaufsicht. So will die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) den Nachhaltigkeitsgedanken gemeinsam mit den Unternehmen weiterentwickeln. Auf den Medientagen München wird es dieses Jahr erstmals einen Nachhaltigkeitsgipfel geben, der das Thema aufgreift.

Nachhaltigkeit ist in den vergangenen Jahren zunehmend aus der Öko-Ecke herausgetreten. Eine breitere Öffentlichkeit ist daran interessiert und setzt sich dafür ein. Damit wächst auch die Zielgruppe, die sich mit diesen Inhalten erreichen lässt. Nach einer repräsentativen Umfrage des Bundesumweltministeriums und des Umweltbundesamts im Jahr 2020 stuften 65 Prozent der befragten Menschen Umwelt- und Klimaschutz als sehr wichtiges Thema ein, soziale Gerechtigkeit nannten 66 Prozent.

Förderung von Demokratie und Diskurskultur durch Qualitätsjournalismus

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Förderung von Demokratie. „Mediales Superfood für Alle“ nennt ARD-Generalsekretärin Dr. Susanne Pfab den verlässlichen Qualitätsjournalismus, der die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft erfüllt. Doch nur 67 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind von der Glaubwürdigkeit der Medien insgesamt überzeugt zeigt eine Umfrage von infratest-dimap aus dem Jahr 2020. Die Zahl stieg zwar wieder leicht an im vergangenen Jahr, doch das Image des Journalismus hat in Deutschland gelitten.

Nachhaltigkeit bedeutet auf dieser Ebene, langfristig die Position der Medien zu stärken und die Diskurskultur aufrecht zu halten. Dieser Diskurs sollte für alle zugänglich sein, weshalb auch Barrierefreiheit und Inklusion wichtige Aspekte von Nachhaltigkeit in den Medien sind, um die gesellschaftliche Teilhabe zu stärken. So bieten öffentlich-rechtliche und private Sender zunehmend mehr barrierefreie Inhalte.

Das Fazit der Medienanstalten in ihrem 8. Monitoringbericht zur Barrierefreiheit vom März 2021 lautet: „Insgesamt setzte sich der positive Trend des vergangenen Jahres fort, aber bei der Geschwindigkeit der Entwicklung barrierefreier Angebote sieht die Gremienvorsitzendenkonferenz durchaus noch Potenziale.“ Die Zahlen dazu: Bei der ProSieben.Sat1-Gruppe wurden rund 27 Prozent der Sendungen mit speziellen Untertiteln für Hörgeschädigte ausgestrahlt, bei der Mediengruppe RTL blieb der Durchschnittswert barrierefreier Angebote mit 17 Prozent konstant.

Die Notwendigkeit für nachhaltige Lösungen in der Medienbranche hat eine Reihe von Projekten und Bündnissen hervorgebracht. Das beginnt bei der Produktion, geht über die Schaltung der Werbemittel und reicht bis in die Wohnzimmer des Publikums hinein, das sich für den "ökologischen Rundfunkempfang" statt für die energieaufwändigeren Streaming-Angebote entscheiden kann.

Projekte und Bündnisse der Medien

Ansätze, um die Medienproduktion ressourcenschonender zu gestalten, gibt es schon eine Weile. Mit dem Wachstum des gesellschaftlichen Interesses an Nachhaltigkeit haben sie zusätzlichen Schwung bekommen. Den „Arbeitskreis Green Shooting“ etwa hat die baden-württembergische Filmförderung bereits 2017 gegründet und sich dafür mit verschiedenen Akteuren der Filmbranche zusammengeschlossen. Unter anderen sind Produktionsfirmen wie Bavaria Fiction, Constantin und UFA dabei, ebenso Sender wie ARD und ZDF, die Mediengruppe RTL und Sky (vgl. S. 14-16).

Auch in Print-, Radio- und Online-Medien gibt es neue Vorstöße in Sachen Nachhaltigkeit. Magazine hinterfragen das Einschweißen in Plastikfolie. Das geht nicht immer zu 100 Prozent, aber schon Zwischenschritte können eine große Wirkung haben. Gruner und Jahr etwa lässt die Paletten mit den Geo-Magazinen für den Einzelverkauf seit Oktober 2020 nicht mehr mit Folie umwickeln, sondern nur noch durch dünne Kunststoffschnüre zusammenhalten. Das spart pro Jahr 600 kg Verpackungsfolie ein. Ein weiterer großer Hebel ist das Papier. Das kann aus Recycling-Fasern entstehen oder aus Holzabfällen, sodass dafür keine Bäume gefällt werden müssen.

Möglich ist außerdem die Umstellung auf Ökostrom in der Produktion, die eine Menge an CO₂ einspart. Der Radiosender egoFM hat entsprechende Entscheidungen getroffen und kann sich seit April 2021 als klimaneutraler Radiosender bezeichnen. Zwar fallen noch immer 40 Tonnen CO₂ pro Jahr an, diese kompensiert der Sender aber durch die Unterstützung eines Klimaschutzprojekts in Uganda (vgl. S. 18-19).

Beim Radio spielt auch der Verbreitungsweg eine wichtige Rolle. Die Studie „Green Radio“ der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und des Bayerischen Rundfunks (BR) zeigt, dass die Umstellung von UKW auf DAB+ den Stromverbrauch von Radiosendern deutlich reduzieren kann. Würde der Bayerische Rundfunk seine Programme ausschließlich über den digitalen Weg ausstrahlen, könnte er je Programm 75 Prozent an Energie einsparen. Bei Antenne Bayern wären es sogar rund 85 Prozent. Moderne Radios brauchen trotz Zusatzfunktionen wie DAB+, WLAN und Display deutlich weniger Strom als die Altgeräte.
 
Die Herstellung und der Betrieb der Geräte machen auch bei Online-Angeboten einen erheblichen Anteil ihres ökologischen Fußabdrucks aus. Webseiten-Anbieter können zwar ihre Server mit Ökostrom laufen lassen, doch auf einen großen Anteil der anfallenden Emissionen haben sie keinen Einfluss. Zum einen ist da die Infrastruktur. Das Internet ist ein enormer Energiefresser. Der Internet-Knotenpunkt in Frankfurt etwa machte Ende 2019 ein Fünftel des gesamten Stromverbrauchs der Stadt aus. Zum anderen brauchen die User entsprechende Endgeräte, um Online-Medien abrufen zu können. Diese Geräte müssen produziert werden und brauchen Strom oder Akkuleistung, um zu laufen.

Vermeiden, reduzieren, kompensieren

Unabhängig vom Medien-Kanal bietet auch die Redaktionsarbeit selbst viel Potenzial für nachhaltige Entscheidungen. Geo etwa arbeitet nach dem Prinzip „vermeiden, reduzieren, kompensieren“. Das lässt sich auch auf andere Redaktionen übertragen. Das Vermeiden von Reisen haben in der Corona-Pandemie alle gelernt: Viele Gespräche werden auch in Zukunft nicht mehr vor Ort stattfinden müssen.
Interviews lassen sich auch vor dem Bildschirm führen, wenngleich nicht alle. Gerade größere Reportagen und Recherchen leben von den Eindrücken vor Ort. Für notwendige Reisen kann sich eine Redaktion auf eine bestimmte Distanz oder Reisedauer festlegen, innerhalb der sie Bahnfahrten bevorzugt. Wenn es gar nicht anders geht und Flugreisen nötig sind, gibt es immerhin die Möglichkeit, die angefallene Menge an CO₂ durch den Kauf von Zertifikaten zu kompensieren.

Auch in Sachen Vermarktung bewegt sich die Branche in Richtung Nachhaltigkeit. Werbungtreibende Unternehmen setzen eigene Schwerpunkte in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie (vgl. S. 26-27). Ökologie, nachhaltiges Wirtschaften, Diversity oder Gendergerechtigkeit sind dabei unterschiedlich gewichtet. Ein Beispiel:
Die Werbung zeigt zunehmend diverse Menschen und Lebensentwürfe – auch weil die Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr nur heteronormative Models sehen wollen.

Brand Safety: Hetze und Fake News nicht durch Werbung finanzieren

Außerdem hat in den vergangenen Jahren das Stichwort „Brand Safety“ an Bedeutung gewonnen. Unternehmen wollen nicht mehr in Zusammenhang mit Hate Speech auftauchen. Das Umfeld, in dem sie ihre Werbung schalten, strahlt auf sie ab. Qualität sollte hier im Zweifel die Reichweite ausstechen. Unilever verzichtete ein halbes Jahr lang auf Werbung bei Facebook und begründete die Rückkehr zu dem Internetriesen mit dessen neuen Selbstverpflichtungen.

Der gesellschaftliche Druck auf Unternehmen, mit ihren Werbegeldern nicht Hetze, Fake News, Rassismus und Sexismus zu finanzieren, wächst. Aus den USA ist der Hashtag #StopFundingHate nach Deutschland geschwappt, vorangetrieben vom Media-Experten Thomas Koch. Er schrieb zusammen mit seinem Mitstreiter Michael Maurantonio Unternehmen an, deren Werbung in entsprechenden Umfeldern auftaucht und machte dies im Social Web öffentlich.

Laut einer Befragung des Mediaunternehmens Mediascale zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen Appinio, durchgeführt 2020 unter 160 Media-Entscheiderinnen und -Entscheidern, spielt bereits für 63 Prozent der Befragten die Nachhaltigkeit der Werbeträger eine entscheidende Rolle. Dieses Bewusstsein für nachhaltige Mediaplanung hat neun Vermarkter an einen Tisch gebracht und die Initiative Green GRP ins Leben gerufen. Impulsgeber war Mediaplus, die Media-Agentur unter dem Dach der Münchner Serviceplan-Gruppe. Zusammen mit dem Klima-Beratungsunternehmen ClimatePartner können nun die CO₂-Emissionen von Werbekampagnen berechnet und durch die Unterstützung von zertifizierten Klimaschutzprojekten ausgeglichen werden.

Eine Frage der Haltung

Doch wie nachhaltig kann und muss Werbung für ein Produkt sein, das selbst nicht nachhaltig ist? Und wie passt die Werbefinanzierung durch Anzeigen oder Spots für umweltschädliche Produkte oder Services in die Nachhaltigkeitsstrategie eines Medienunter-nehmens? Wer die ersten Schritte in Richtung Nachhaltigkeit geht, wird oft mit hohen Erwartungen konfrontiert. Es muss aber nicht alles von Anfang an perfekt sein. „Wir alle sind sicher noch nicht am Ziel“, resümiert Annette Kümmel. „Doch wir wollen uns ständig weiterentwickeln und verbessern, das ist unsere Haltung. Denn jeder Schritt in die richtige Richtung zählt.“


Artwork: rosepistola.de
Portrait Dr. Susanne Pfab: ARD/Anette Koroll
Portrait Annette Kümmel: ProSieben.Sat1 Media SE
Portrait Christian Strohmeier: EgoFM
Portrait Thomas Koch:The DOOH Consultancy

Bild Franziska Mozart

Franziska Mozart ist freie Journalistin in München. Nachhaltigkeit und Technik sind ihre Lieblingsthemen. Ihre Karriere startete sie nach dem Studium der Germanistik und Soziologie beim Fachmagazin Werben & Verkaufen.

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