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Media-Geld für den Klimaschutz
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Media-Geld für den Klimaschutz

Die Kommunikationsindustrie spielt eine zentrale Rolle beim Green Messaging: Werbetreibende, Medien und Agenturen gehen in Deutschland und weltweit vermehrt innovative Wege, um mit nachhaltigem Marketing dem Klimaschutz zu dienen. Im Media-Alltag werden Kampagnen jedoch weiterhin hauptsächlich nach den Zielsetzungen der Kunden und im Sinne des Return on Investment (ROI) geplant und durchgeführt.

Text Michael Stadik

Der Virunga Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo ist die Heimat der letzten Berggorillas in freier Wildbahn und gehört zum UNESCO-Welterbe. Um die Wälder im Park vor illegalem Raubbau zu schützen, wurden einige Klimaschutzprojekte ins Leben gerufen. So versorgt ein Laufwasserkraftwerk mit einer Leistung von derzeit 13,6 Megawatt bereits 5.000 Haushalte mit 30.000 Bewohnerinnen und Bewohnern sowie viele Kleinunternehmen. Die erneuerbare Energie aus dieser emissionsfreien Quelle spart 46.000 Tonnen CO₂ pro Jahr ein und ist ein wertvoller Beitrag zu den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung.

Finanziert wurde das Wasserkraftwerk im Kongo auch durch die Remscheider Vaillant Group, die im Marketing neue Wege beschreitet: Als erster Werbekunde entschied sich der Heiz-, Lüftungs- und Klimatechnikspezialist für ein neues, nachhaltiges Mediamodell, das vom Münchner Unternehmen Media4Planet vermittelt wird.

Die Buchung und Optimierung erfolgt dabei direkt bei den Werbeträgern oder über die Media-Agentur bei den Media4Planet-Medienpartnern. Der Erlös aus der Vermittlung der Kampagne fließt im Namen des Werbetreibenden in Klimaschutz-Projekte zur CO₂-Kompensation und kann zugleich im CSR-Report ausgewiesen werden.

„Wir sind ein Purpose-Unternehmen und damit nicht primär gewinnorientiert“, erläutert Peter Christmann, Geschäftsführer und Gründer von Media4Planet. „Unser Überschuss fließt, abzüglich der Kosten, in den Klimaschutz.“ Alle Projekte seien demnach zertifiziert und werden streng überwacht. „Wir erzielen somit konkrete und messbare Maßnahmen für eine lebenswerte Umwelt“, betont Christmann und rechnet etwa vor, dass Vaillant durch den nachhaltigen Mediaeinkauf 5.000 Tonnen CO₂ kompensiert habe. Zudem nutzt Media4Planet einen Teil des Vaillant-Erlöses für die zweite Welle der UNEP-Aktivierungskampagne „Klimaschutz heute für unsere Zukunft von morgen“, die auf den Sendern der ProSiebenSat.1-Gruppe läuft.

Green GRP: CO2-Fußabdruck für Werbemaßnahmen berechnen

Ebenfalls auf dem Ausgleich von Emissionen basiert der so genannte Green GRP. Mit dieser Initiative können Unternehmen den CO₂-Fußabdruck ihrer Werbemaßnahmen einheitlich berechnen und durch Klimaschutzprojekte wettmachen. Entwickelt wurde das Modell von der Agentur Mediaplus und dem Unternehmen ClimatePartner, beide in München ansässig. Die Berechnung der anfallenden Emissionen erfolgt entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Spot-Produktion bis hin zur Ausstrahlung. „Wenn Mediaentscheider beschließen, ihr Geld nur noch in klimaneutrale Media zu investieren, wächst der Druck auf alle Marktteilnehmer, dies auch zu ermöglichen“, beschreibt Andrea Malgara, Managing Partner Mediaplus, die Philosophie einer „offenen Marktinitiative“.

In der Tat unterstützen immer mehr Unternehmen der Kommunikationsindustrie den Green GRP. Im Sommer schloss sich beispielsweise BRmedia der Initiative an und stellte zusammen mit ClimatePartner die Werbeblöcke in den Radioprogrammen des Bayerischen Rundfunks klimaneutral. Ein reichweitenstarker Unterstützer für ClimatePartner ist auch die Bertelsmanns Ad Alliance. Frank Vogel, Chief Sales Marketing Officer: „In unseren Gesprächen mit den Media-Agenturen und Werbungtreibenden spüren wir immer deutlicher, dass eine Vielzahl an Nachhaltigkeits-Aspekten stärker in den Fokus rücken und auch aktiv bei uns angefragt und umgesetzt werden – unabhängig von der Größe der Unternehmen oder der Branche.“

Der Bewusstseinswandel spiegelt sich auch in der neuen Initiative „Planet Pledge“ der World Federation of Advertisers (WFA). „Marketing ist ein Herzstück im Geschäftsleben und muss auch zentraler Teil unserer Antwort auf den Klimawandel sein“, begründet Conny Braams, Chief Digital und Marketing Officer bei Unilever, warum der Großkonzern mit Bayer, Danone oder Mastercard zu den Vorreitern der WFA-Offensive zählt. Allerdings scheitert das Engagement für Nachhaltigkeit oftmals an den zusätzlichen Kosten für Klimaschutz und Co.: „Green Media ist weiterhin Premium“, stellt Media­4Planet-Chef Peter Christmann klar. Dennoch rechnet der erfahrene Mediamanager fest damit, im Herbst „wieder mit einigen Firmen zu kooperieren“.

Zusätzliche Kosten als Hindernis

Mediaplus-Partner Andrea Malgara verweist allerdings auf die Wirkung der Kampagne als oberste Prämisse bei der Planung. „Der Green GRP ändert nichts an der Zusammenstellung des Media-Mix“, hebt Malgara hervor. Meist, so seine Erfahrung, wollten die Werbekunden eben nicht vornehmlich die nachhaltigste Kampagne Deutschlands kreieren. „Die Auswahl der Kampagnenbausteine passiert deswegen nach wie vor auf Basis der Kunden-Zielsetzungen und im Sinne des bestmöglichen ROI.“ Nach einer aktuellen Analyse des EHI Retail Institute bleibt zum Beispiel der gedruckte Prospekt Leitmedium im Mediamix des Lebensmittelhandels. Die meisten Marketeers in diese Branche halten demnach den Prospekt auch künftig für unverzichtbar, weil er effektiv ist, eine große Reichweite hat und ein umfangreiches Produktangebot auf einen Blick präsentieren kann.

Klimaschützern hingegen sind vor allem nicht adressierte Werbebroschüren ein großer Dorn im Auge: Der Verein Letzte Werbung etwa zählt über 28 Milliarden Broschüren in Deutschland, die jährlich in deutschen Briefkästen ohne Aufkleber „Werbung – Nein danke!“ landen. Allein für die Papierproduktion, so die Initiative in einer Petition an die Bundesjustizministerin, werden 42 Milliarden Liter Wasser, 4,3 Milliarden kWh Energie und 1,6 Millionen Tonnen Holz von über 1,1 Millionen Bäumen verbraucht. Im Sommer hatte das Gesuch immerhin rund 108.000 Unterschriften gesammelt, um ein bundesweites Opt-in-System einzuführen. Ob die Petition tatsächlich Wirkung zeigt, steht allerdings politisch in den Sternen.

In der Praxis ist das nachhaltige Wirtschaften bereits im Alltag der Werbeindustrie angekommen. Die Publicis Groupe beispielsweise hat sich dem Pariser Klimaab-kommen verpflichtet und in Deutschland eine eigene Sustainability Squad gegründet. Das Standort-übergreifende Team entwickelt detaillierte Guidelines für unterschiedliche Bereiche, zum Beispiel in der Produktion. Beim Dreh der Werbespots etwa werden für die Maske nachhaltige Kosmetikprodukte genutzt.

Große Verantwortung für Green Messaging

Der Vermarkter Visoon von Axel Springer und ViacomCBS geht sogar noch einen unternehmerischen Schritt weiter und ist ins nachhaltige Fashion-Business eingestiegen. Dank dem Produktionspartner Trigema ist Nachhaltigkeit von der Produktion bis zum Versand garantiert – was auch die Auszeichnung mit dem Grünen Knopf als staatliches Siegel für nachhaltige Textilien belegt. „Die Kommunikationsindustrie hat aufgrund ihrer hohen Visibilität eine große Verantwortung für Green Messaging“, fasst denn auch Peter Christmann zusammen. „Werbung und Medien sind gesellschaftliche Leuchttürme und können hier eine wichtige Funktion einnehmen.“


Illustration: rosepistola.de

Bild Michael Stadik
Michael Stadik arbeitet arbeitet von Ingolstadt aus als als freier Journalist für Lokalzeitungen und Medienfachmagazine wie Werben & Verkaufen. Er schreibt u.a. für Werbe- und Mediathemen.
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