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Von wegen "Lügenpresse"
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Von wegen "Lügenpresse"

Für die Relevanz der Medienberichterstattung sind Medienvertrauen und Glaubwürdigkeit des Journalismus wichtige Faktoren. Während oder nach Krisenzeiten kann die Bewertung sehr unterschiedlich ausfallen. Die gute Nachricht: Ein Blick in die Forschung zeigt, dass das Medien­vertrauen trotz „Lügenpresse“-Rufen zumindest nicht dramatisch gesunken ist.

Text Bettina Pregel

Die Meldungen von tätlichen Angriffen auf die Presse häufen sich, gerade im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg. Nicht selten wird von „Enthemmung und Verrohung“ besonders radikaler Bürgerinnen und Bürger gesprochen. Diese vor allem online sehr lauten Gruppen greifen zunächst verbal, teilweise aber auch gewalttätig die Medien als „Lügenpresse“ an. Doch aus Sicht der Gesamtbevölkerung steht es um das Medienvertrauen in Deutschland laut repräsentativen Befragungen nicht so schlecht.

„Tendenz“ hat sich drei Studien bzw. Umfragen zu diesem Themenkomplex genauer angeschaut:

♦ den „Transparenzcheck“ der GIM im Auftrag der Medienanstalten, der die Kennzeichnung von Medieninhalten unter die Lupe nimmt und in diesem Zusammenhang auch Fragen zum Medienvertrauen stellt.
♦ die Langzeitstudie „Medienvertrauen“ der Universitäten Mainz und Düsseldorf.
♦ und die Langzeitstudie „Journalismus und Demokratie“ der Technischen Universität Dortmund.

Hohes Medienvertrauen in der Online-Bevölkerung

Die Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM) hat im „Transparenzcheck“ im Herbst 2021 knapp 4.000 Online-Interviews in der deutschsprachigen Bevölkerung geführt (Personen ab 16 Jahren mit Internet-Zugang). Das Ziel: Antworten auf die Frage zu finden, ob online die Kennzeichnung von Medieninhalten wirkt. Dazu sind vier Informationstypen gebildet worden: die journalistisch Informationsorientierten, umfassend Informationsorientierte, gering Informationsorientierte und nicht-journalistisch Informationsorientierte. Diese vier Typen werden auch nach ihren Einstellungen gegenüber Medien gefragt – also nach Medienvertrauen und Medienskepsis.

Das Ergebnis: Knapp die Hälfte aller Befragten hält die Medienberichterstattung für vertrauenswürdig oder ausgewogen (45% mit hohem Medienvertrauen). Über ein Drittel zeigen aber auch eine hohe Medienskepsis (36%). Sie zweifeln an der Wahrheit oder Unabhängigkeit journalistischer Information und haben folgenden beiden Aussagen zugestimmt: „Die Bevölkerung wird von den Medien systematisch belogen.“ bzw. „Die Medien und die Politik arbeiten Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.“

Höchste Ausschläge nach oben oder unten gibt es dabei bei den gering Informationsorientierten: Sie zeigen mit 46% eine hohe Medienskepsis. Erkennbar ist auch ein Zusammenhang mit der formalen Bildung. Das höchste Medienvertrauen und die geringste Medienskepsis zeigen Personen mit einem formal hohen Bildungsabschluss. Was Alter und Geschlecht betrifft, sind Vertrauen in und Skepsis gegenüber Medien tendenziell bei unter 50-Jährigen und unter Männern etwas stärker ausgeprägt.

Für das hohe Medienvertrauen spielen vor allem die Vertrauenswürdigkeit der journalistischen Berichterstattung und deren Einordnungsfunktion eine wichtige Rolle. Zwei Drittel der Befragten halten unabhängigen Journalismus für das Funktionieren der Demokratie für „sehr wichtig“.

Glaubwürdigkeit des Journalismus in der Pandemie gesunken

Hier sind Parallelen zu den Ergebnissen der Langzeitstudie „Journalismus und Demokratie“ von der Technischen Universität Dortmund zu erkennen. Die jüngste Umfrage des von der TU beauftragten Meinungsforschungsinstituts Forsa erfolgte Anfang 2022 online unter 1.000 Befragten ab 18 Jahren. 87 Prozent stufen den Journalismus generell als wichtig für das Funktionieren der Demokratie ein. 41 Prozent geben an, die Glaubwürdigkeit des Journalismus habe durch die Corona-Berichterstattung abgenommen.

Prof. Dr. Michael Steinbrecher vom Institut für Fernseh- und crossmedialen Journalismus an der TU-Dortmund hält diese Ergebnisse nicht unbedingt für widersprüchlich. Die meisten hielten den Journalismus ja nicht grundsätzlich für unglaubwürdig, sondern stellten nur einen negativen Trend fest, sagt er im Interview mit „medienpolitik.net“. „Ganz oben auf der Liste stand der Wunsch, möglichst neutral und präzise informiert zu werden und die Erwartung an den Journalismus, Meinung und Fakten zu trennen.“ Doch gerade in bestimmten Ausprägungen des Online-Journalismus gerieten die zwei Qualitätsdimensionen Richtigkeit und Schnelligkeit immer stärker in Konflikt.

Von einem Glaubwürdigkeitsbonus für klassische Medien wie Tageszeitungen oder den Rundfunk will Steinbrecher nicht sprechen. In den jüngeren Generationen gebe es keine so enge Bindung zu den klassischen Medienmarken mehr. Die zunehmende Informationsnutzung von Online-Quellen und sozialer Netzwerke wie Instagram und Co bestätigen auch der MedienVielfaltsMonitor der Medienanstalten und die „#UseTheNews“- Studie des Leibniz-Instituts für Medienforschung.

Medienvertrauen in Krisenzeiten gestiegen

Die Mainzer Langzeitstudie „Medienvertrauen“ kommt zum Ergebnis, dass Nachrichten aus rein internetbasierten Quellen deutlich weniger Vertrauen entgegengebracht wird. Das größte Vertrauen genießen die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. In der siebten Befragungswelle Ende 2020 wurden 1.200 Bürgerinnen und Bürger telefonisch durch das Meinungsforschungsinstitut IFAK interviewt.

Danach ist das Vertrauen in die Medien im Corona-Jahr 2020  deutlich gestiegen, und zwar von 43 auf 56 Prozent (vgl. Grafik Entwicklung des Medienvertrauens 2008-2020). Auch der in den Vorjahren beobachtete Medienzynismus und die Zustimmung zu Verschwörungserzählungen sind 2020 zurückgegangen – von 18% in 2019 auf 11% in 2020.

In der Krise spielen seriöse Quellen, an denen sich die Bürgerinnen und Bürger orientieren können und denen sie vertrauen, eine wichtige Rolle. Dazu gehören journalistische Angebote sowie wissenschaftliche und behördliche Informationen, die während des ersten Corona-Jahres eine hohe Relevanz für den Alltag hatten. Nicht umsonst wurden die Medien, darunter auch der öffentlich-rechtliche und der private Rundfunk, als systemrelevant eingestuft. Sie sorgen für Informations- und Meinungsvielfalt und sind zum entscheidenden Akteur im gesellschaftlichen Diskurs geworden. So haben sie ihre Relevanz unter Beweis gestellt.

Trotz Unkenrufen und „Lügenpresse“-Vorwürfen zeigt der Blick in ausgewählte Studien, dass es nicht so schlecht steht um das Medienvertrauen in Deutschland. Die Autoren der Mainzer Langzeitstudie fassen das in Media Perspektiven für die Zeit zwischen 2015 und 2020 so zusammen:  Das Vertrauen der Bürger in die etablierten Medien in Deutschland sei bisher nicht dramatisch erodiert.


Portrait Bettina Pregel: BLM/Gabi Hartmann
Konzept: rosepistola.de

Bild Bettina Pregel
Bettina Pregel ist stellvertretende Pressesprecherin und Social Media-Verantwortliche in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Die gelernte Redakteurin und Pressereferentin arbeitete zuvor bei Tageszeitungen und Fachzeitschriften.
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