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Radio-logischer Evolutions-<br>prozess
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Radio-logischer Evolutions-
prozess

Der Hörfunkmarkt befindet sich in einer Übergangsphase. Bewährte Programm- und Vermarktungskonzepte funktionieren noch und sichern hohe Reichweiten und Einnahmen. Doch die Digitalisierung zwingt die Branche zu neuen Inhalten und Geschäftsmodellen.

Text Guido Schneider

Das Radio ist ein Phänomen in der Medienlandschaft. Schon öfter wurde ihm ein baldiges Ende vorausgesagt, doch bis jetzt hat es jeden Angriff abgewehrt. Auch mit dem Internet sind die Anbieter von Hörfunkprogrammen weitaus besser zurechtgekommen als Zeitungen, Zeitschriften oder Fernsehsender. Während diese Medien unter YouTube, Facebook oder Amazon leiden und um ihre angestammten Geschäftsmodelle bangen, nutzen die Hörfunker außer der terrestrischen Ausstrahlung über UKW und DABplus auch das World Wide Web als weiteren Verbreitungsweg für ihr lineares Programm und für zusätzliche Streams unter ihrem Markennamen.

Fast scheint es, als lebe die Hörfunkbranche gerade in der besten aller Welten. Ihre althergebrachten Stärken, also die Nähe zum Hörer und die Eigenschaft als Tagesbegleiter mit regionaler und lokaler Informationskompetenz, funktionieren nach wie vor. Gleichzeitig bietet das Internet zusätzlich die Chance, bestehende Hörer über einen anderen Ausspielweg zu erreichen oder sich Zielgruppen mit spezielleren Anforderungen zu erschließen. Es scheint, dass digitale Mitstreiter wie die Musikstreamingdienste, die Podcast-Betreiber und vor allem die Smart Speaker mit ihren Sprachassistenten einen Audio-Boom ausgelöst haben, von dem auch das Radio profitiert. Jedenfalls können sich die Hörfunk-Nutzungszahlen weiterhin sehen lassen: Laut Media-Analyse (MA) 2019 I schalteten zuletzt 77,0 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung täglich das Radio ein. Die Hördauer blieb mit gut drei Stunden am Tag (192 Minuten) im Vergleich zur MA 18 II stabil. Die Verweildauer stieg sogar um zwei Minuten auf über vier Stunden pro Tag.

Konkurrenz aus dem Internet

Trotz des positiven Status quo kann sich die Hörfunkbranche nicht zurücklehnen. Mit dem Internet verschärft sich nämlich der Kampf um das Zeitbudget der Nutzer. Im größer gewordenen Audio-Kosmos müssen sich die Sender gegen unzählige Podcasts, originäre Webradios, User Generated Radios und vor allem Musikstreamingdienste wie Spotify, Apple Music oder Amazon Music durchsetzen, die ihren registrierten und/oder zahlenden Nutzern eine riesige Fülle an Musik bieten und Inhalte mit Hilfe von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz personalisiert ausspielen können. Anbieter wie Spotify vertrauen nicht allein auf Technik und Programmierkunst, sondern beschäftigen auch Musikexperten, die Playlisten von Hand kuratieren und damit die Musikkompetenz des Radios angreifen. Zudem will Spotify zum weltweit führenden Anbieter von Podcasts werden, um so noch mehr Abonnenten für seinen kostenpflichtigen Service zu gewinnen.

Der Hörfunk steht auch deshalb vor einem Transformationsprozess, weil sich die Nutzung vom analogen zu den digitalen Verbreitungswegen verschiebt. Laut Digitalisierungsbericht Audio 2018 ist der Anteil der Radionutzer, für die UKW der meist genutzte Verbreitungsweg darstellt, von 75 Prozent im Jahr 2014 auf weniger als 69 Prozent 2018 gesunken. Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil von Internetradio als meistgenutzte Hörfunkempfangsart auf 9,7 Prozent fast verdoppelt. Auch der digitale terrestrische Empfang nimmt Fahrt auf: Wurde DABplus 2014 nur von 1,1 Prozent als meistgenutzter Hörfunkempfangsweg genannt, stieg dieser Anteil bis 2018 auf 5,7 Prozent.

Die Nutzungsverschiebung zu den digitalen Kanälen führt auch dazu, dass nichtlineare Inhalte für das Publikum attraktiver werden, die über Smartphone, Smart Speaker, Laptop oder PC inzwischen leicht abrufbar und dank Flatrates kostengünstig nutzbar sind. Besonders die 14- bis 29-Jährigen entwickeln dabei eine On-Demand-Kultur. Laut dem Online-Audio-Monitor 2018 nutzen in dieser Altersgruppe mehr als 60 Prozent zumindest gelegentlich Musikstreamingdienste. Der entsprechende Wert für YouTube oder andere Videoplattformen lag sogar bei 83 Prozent, während 58 Prozent der jungen Leute ein Radioprogramm live im Netz hören.

Fragmentierung des Publikums

Das Publikum in der Online-Welt hört also anders und verteilt sich auf immer mehr Plattformen und Angebote. Droht dem klassischen Hörfunk gar ein Generationenabriss? „Auch junge Menschen nutzen weiterhin linearen Hörfunk, aber nicht mehr mit der gleichen Hördauer wie vor fünf oder zehn Jahren und gegebenenfalls auch nicht mehr über das UKW-Gerät“, betont Rainer Poelmann, Geschäftsführer der Leipziger Radioholding Regiocast. Auch der Medienberater Ulrich Hürter geht davon aus, dass sich Radioprogramme bei den jungen Hörern behaupten können. Allerdings müssten die Sender mehr tun, um junge Zielgruppen zu binden. Die bleiben nur, wenn es Programmmachern gelingt, „eine Community aufzubauen, die sich mit der Marke identifiziert“, glaubt Hürter. Poelmann sieht das anders und betont die Orientierungsfunktion: „Wenn wir es schaffen, inhaltlich relevant zu bleiben, können wir auch im linearen Bereich weiter erfolgreich sein und junge Menschen für unsere Angebote begeistern.“

Der klassische Hörfunk steht vor großen Herausforderungen. Deshalb fordert Karlheinz Hörhammer, Chef des landesweiten Senders Antenne Bayern, mehr Engagement. „Um nicht völlig ins Hintertreffen zu geraten, müssen die klassischen Hörfunkanbieter ihr Portfolio deutlich erweitern“, ist Hörhammer überzeugt. Antenne Bayern will den digital erweiterten Audio-Kosmos nutzen, um sich auch mit nichtlinearen Angeboten zu einem bundesweit agierenden Audio-Entertainment-Haus zu entwickeln, das Podcasts und diverse Streams für Zielgruppen anbietet. Schon jetzt betreibt das Ismaninger Unternehmen diverse Streams und Skills mit überregionaler Ausrichtung und hat im März 2019 das Podcast-Netzwerk Lautgut gegründet, das Premium-Inhalte wie die True-Crime-Serie „Dunkle Heimat“ anbietet.

Ausdehnung des Kerngeschäftes

Bei Hörfunkunternehmen wie Regiocast steht der Aufbau neuer Inhalte-, Vermarktungs- und Technologiekompetenz ganz oben auf der Agenda. Das dafür nötige Geld haben die Gesellschafter laut Poelmann locker gemacht. Und so hat die Holding 2016 in Berlin die Content-Unit The Farm gründen können, in der rund ein Dutzend Mitarbeiter die Transformation des klassischen Hörfunks vorantreiben und neue Audiobedürfnisse von Zielgruppen sowie Marketing- und Produktstrategien erkunden. Dabei arbeiten Digitalprofis und Programmmacher zusammen. So sind neue Produkte wie das webbasierte Content Management System IamRadio oder die App-Technologie Radio.likemee entstanden. Mit der personalisierbaren mehrPSR-App oder dem webbasierten Barba Radio, benannt nach der Moderatorin Barbara Schöneberger, spricht Regiocast nun neue vermarktungsrelevante Zielgruppen an.

Auch die lokalen Hörfunkanbieter reagieren auf den Umbruch der Nutzung. Nach Meinung von Johannes Ott, Programmgeschäftsführer bei Radio Gong 96,3 in München, müssen die örtlichen Stationen einerseits ihre bekannten Stärken – dazu zählt er die hohe Bekanntheit und Vertrautheit ihrer Sendermarken sowie die lokalen Inhalte – pflegen. Andererseits kommt es für Ott aber auch darauf an, „die Community mit unseren Reichweiten einzubeziehen und zu emotionalisieren“. Generell sieht er die Digitalisierung positiv. „Sie bietet uns neue, zusätzliche Möglichkeiten, unsere Hörer zu erreichen.“ So ist es für Radio Gong nun ganz einfach, zusätzliche Channels zu starten und Inhalte für das Programm über Social-Media-Kanäle zu generieren. „Auch der Smart-Speaker-Trend kommt uns entgegen. Audio ist hip“, betont Ott.

Starke lokale Inhalte und Nähe zum Hörer sind auch für Stephan Schwenk, Geschäftsführer von The Radio Group in Kaiserslautern, die beste Überlebensstrategie für das ortsnahe Hörfunk­programm, um sich im Zeitalter von Alexa und im verschärften Wettstreit mit den globalen Streaming-Diensten inhaltlich zu profilieren. Probleme sieht Schwenk eher auf die landesweiten Programme zukommen, die sich vorwiegend über ihre Musik definieren. „Ihnen wird es schwerer fallen, sich von den weltweiten Playern abzuheben“, glaubt der Medienunternehmer, der mit The Radio Group im Saarland und in Rheinland-Pfalz eine Lokalfunk-Kette betreibt und an Radio Cottbus und Radio Potsdam beteiligt ist. Schwenk ist sich sicher: „Wir haben durch die digitalen Big Player noch keinen Umsatz verloren, sind aber auf der Hut.“

Lokalfunk braucht digitale Kooperation

Um sich besser gegen Spotify und Co. zu wappnen und schlagkräftige digitale Angebote entwickeln und verbreiten zu können, fordert Radio-Gong-Manager Ott eine engere Zusammenarbeit im bayerischen Lokalfunk. „Gerade was die Entwicklung von Apps, Streaming- und Podcast-Technologie, Website-Lösungen, Social-Media-Strategien und Data Management anbelangt, müssen wir dringend Allianzen schließen und Synergien bilden. Die Kosten sind enorm, viele kleine Sender können das nicht aus eigener Kraft leisten.“ Konkret fordert Ott ein „digitales Kompetenz-Zentrum“ für alle Lokalfunkprogramme, in dem digitale Innovationen gemeinsam entwickelt werden sollen, um sich gegen Antenne Bayern und den Bayerischen Rundfunk langfristig behaupten zu können.

Anders liegen die Dinge, wenn es darum geht, digitale Daten für die Programmoptimierung und die Werbevermarktung zu sammeln. Dafür stehen im Hörfunkmarkt bereits mehrere Dienstleister zur Verfügung. Seit Februar 2018 betreiben Regiocast, Nordwest-Zeitung, Frank Otto Medien sowie bigFM, RPR 1., Radio Regenbogen und Radio 7 das Data-Service-Unternehmen Crossplan, das digitale Audio-Inventare von Radioprogrammen bündelt und für zielgruppenspezifische Vermarktung und die Entwicklung sowie Optimierung von Audio-Content-Produkten über eine Data Management Platform (DMP) verwenden will. Daneben ist der bundesweite Vermarkter Radio Marketing Service (RMS) seit Herbst 2018 mit seiner Audio-DMP aktiv. Sie kann Nutzer über bislang nicht adressierbare Geräte wie WLAN-Radios oder Smart Speaker mit Hilfe einer Listener-ID identifizieren. Diese Daten will RMS dann für datenbasiertes Targeting einsetzen und damit ein Gegengewicht zu Log-in-Plattformen wie Spotify bilden. Auch Antenne Bayern arbeitet gemeinsam mit weiteren Partnern an einer DMP-Lösung. Radio-Gong-Manager Ott plädiert dafür, dass die drei DMP-Anbieter ihre Kräfte bündeln und mit dem Lokalfunk kooperieren. Regiocast-Chef Poelmann zeigt sich offen für solche Allianzen im deutschen Markt. „Nicht jeder Veranstalter sollte versuchen, mit viel Geld das Rad neu zu erfinden. Wir können gemeinsam viel erreichen.“

Nutzer-Daten gewinnen an Bedeutung

Weil sich Werbung im Online-Audio-Bereich mit angereicherten Nutzerdaten zielgruppenspezifisch und personalisiert ausspielen lässt, sind höhere Tausend-Kontakt-Preise (TKP) als im klassischen Hörfunk möglich. Doch der Traum von signifikant mehr Umsatz erfüllt sich für den Lokalfunk nur, wenn für das Internet entsprechende Inhalte geschaffen werden. Einstweilen steht die alte UKW-Welt immer noch für das Gros der Umsätze, eben weil das Medium Hörfunk von der Werbewirtschaft weiterhin vorwiegend klassisch gebucht wird. Nach Angaben des Verbandes Privater Medien (VAUNET) erlösten die deutschen Hörfunkstationen 2018 etwa 800 Millionen Euro auf herkömmlichem Weg, während der Nettoumsatz mit Instream-Audio-Werbung nur auf 44 Millionen Euro geschätzt wurde, dafür aber zweistellig zulegen konnte.

Die aktuellen Marktdaten zeigen einmal mehr die Übergangsphase, in der sich der Hörfunkmarkt befindet. Das Alte funktioniert noch, doch Neues kommt hinzu und krempelt die Marktstrukturen um. Die große Unbekannte ist dabei der Hörer: Nutzt er Radioprogramme und Audio-Inhalte künftig verstärkt über Smartphone, Tablet, Smart Speaker oder andere mit dem Internet verbundene Devices, gewinnt die datenbasierte Vermarktung nach der Online-Logik gegenüber dem alten Modell allmählich an Bedeutung. Dann werden Kunden wie Agenturen zunehmend adressierbare Nutzungsdaten und programmatische Einkaufsmöglichkeiten einfordern. Ob oder wann es aber so weit kommt, weiß keiner genau.

Unterschiedliche Szenarien

RMS stellt indes die Weichen für eine zunehmend digitale Vermarktung und will schon 2025 die Hälfte seines Umsatzes mit Online-Audio-Werbung erzielen. 2017 waren es erst vier Prozent. Der Vermarkter will sich nach den Worten von Geschäftsführer Matthias Wahl zu einer Technikplattform entwickeln und Audioinventar gemäß der Nachfrage intelligent bündeln, was die Automatisierung von Buchung und Abwicklung und die Anreicherung mit Daten einschließt. Dazu soll die Online-Buchungsplattform von RMS und AS&S beitragen, die 2020 an den Start gehen wird. AS&S Radio vertraut dagegen stärker auf die UKW-Welt. Für Geschäftsführer Oliver Adrian bleibt die stabil hohe Reichweite, auf der klassische Hörfunk-Kombis basieren, ein Pfund: „Ich kann derzeit nicht erkennen, dass es sich die Werbewirtschaft leisten wollte, auf einen der letzten echten Reichweiten-Booster zu verzichten. Dafür gibt es schlichtweg keine Argumente.“ Targeting und Adressable Audio sind für Adrian nur Ergänzungen in der Aussteuerung von Kampagnen.

Unterstützung erhält AS&S-Geschäftsführer Adrian aus dem Lager des Lokalfunks. „Der Umsatz, den wir mit der klassischen Vermarktung erzielen, ist weit höher als der aus der zielgruppenspezifischen Vermarktung über Social-Media-Kanäle“, sagt Radio-Group-Chef Schwenk. „Radio erreicht die Masse mit günstigem TKP. Das ist seine Stärke.“ Zur datenbasierten Vermarktung hat Schwenk ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits erlaube sie eine exaktere Planung. Sollten die Werbekunden aber ganz auf diese Buchungsweise umschwenken, würden den Sendern Umsatzeinbußen drohen, die sich auch nicht durch höhere Tausend-Kontakt-Preise ausgleichen ließen. Deshalb bietet Schwenk die datenbasierte Vermarktung zwar an, um entsprechende Kundenwünsche zu erfüllen. Er will sie aber nicht in den Vordergrund rücken: „Wenn wir das tun, schneiden wir uns ins eigene Fleisch.“ Ähnlich sieht das auch Philipp von Martius, Geschäftsführer der Studio Gong GmbH und der Bayerischen Lokalradio-Werbung (BLW). Im Interview mit Tendenz (hier bitte den passenden Link einbauen) prognostiziert er mit Blick auf die bayerische Lokalfunklandschaft: „Wenn wir in drei, vier Jahren sagen können, dass wir beides gut können – die Vermarktung kampagnenfähiger Reichweite und datengestützter Kontaktvolumina – dann haben wir die aktuell gute Position des bayerischen Lokalfunks wirtschaftlich sinnvoll entwickelt.“

 Vermarktungslogik der Online-Welt

Mit dem Aufschwung der digitalen Verbreitungswege sowie der Nutzungsverschiebung von UKW zu DABplus und zu Online-Audio-Angeboten etablieren sich neue Buchungsprinzipien, die denen der Online-Werbewelt gleichen. „Die reine Lehre von der leistungsorientierten Planung nach Nettoreichweite, Gross Rating Point oder Breaks nach Bundesländern gibt es im Radio zwar noch, aber sie wird unwichtiger“, beobachtet Wolfgang Schuldlos, Mediaexperte und Inhaber des Instituts für Werbeerfolgs-Messung in Kochel am See. „Heute planen viele einkaufsorientiert. Das heißt, es zählen nicht die besten Leistungswerte, sondern die besten Konditionen und die Möglichkeit, die Konditionen im Sender-Mix zu optimieren.“ Ein weiterer Trend ist die Planung nach Wirkung, die einer mehrstufigen Logik folgt und immer eine Konvertierung von Kontakten zum Ziel hat. Mit diesem Planungsansatz lässt sich nachvollziehen, welche Aktionen auf einer beworbenen Landing-Page stattfinden, um dann die Wirkung auf Markenbekanntheit oder andere Wirkungsindikatoren zu erfassen. Mit diesem Ansatz ließen sich auch laufende Kampagnen optimieren, erklärt Schuldlos. Die Hörfunk-Branche wird sich also auch gegenüber den Werbekunden und Agenturen für neue Vermarktungsmodelle öffnen müssen. Jede Radio-logische Evolution setzt eben Anpassung voraus.

Grafik online-Audio-Angebote nach Alter
Privatwirtschaftlicher Hörfunk in Deutschland

Der privatwirtschaftliche Hörfunk unterliegt in Deutschland der Kulturhoheit der Bundesländer, die ihn seit dem Start in den 1980er-Jahren unterschiedlich konzipiert haben. Während in Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen sowie in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen zunächst landesweite Programme auf Sendung gingen, haben Bayern und Baden-Württemberg flächendeckend lokale Hörfunkstationen lizenziert, die von einem landesweiten Programm (Bayern) beziehungsweise mehreren regionalen Stationen (Baden-Württemberg) flankiert werden. Auch in Nordrhein-Westfalen ist lokaler Hörfunk im ganzen Land präsent, wird dort aber nach dem bundesweit einzigartigen Zwei-Säulen-Modell konzipiert, das jeweils die Programmverantwortung einer Veranstaltergemeinschaft überträgt und eine Betriebsgesellschaft die Mittel für den Programmbetrieb bereitstellen lässt. Die nordrhein-westfälischen Lokalfunkstationen beziehen ein Rahmenprogramm von Radio NRW. Die meisten östlichen Bundesländer haben zunächst auf landesweiten Hörfunk gesetzt. Lediglich Sachsen hat von Beginn an auch lokal werbefinanzierte Hörfunkprogramme zugelassen. Im Verlauf der vergangenen Jahre haben die Gesetzgeber in den Ländern aber eine weitere Auffächerung der Angebotstypen ermöglicht. In Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind inzwischen auch werbefinanzierte Lokalstationen auf Sendung. In Ländern wie Hessen und Mecklenburg-Vorpommern nutzen Special-Interest-Programme aus anderen Bundesländern terrestrische Übertragungskapazitäten und erweitern so ihr Sendegebiet. Zudem existieren weitere Hörfunk-Programme mit bundesweiter Zulassung, die in vielen Bundesländern UKW-Stützfrequenzen oder DABplus-Kapazitäten nutzen. Darüber hinaus existiert seit 2011 ein bundesweiter DABplus-Multiplex mit 13 Programmen, darunter neun privatwirtschaftliche Angebote. Hinzu kommen nichtkommerzielle Angebote wie Offene Kanäle, Bürgerfunk und Ausbildungsprogramme. Solche Angebote gibt es in nahezu allen Bundesländern, besonders ausgeprägt in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Thüringen. Bayern ist das erste Bundesland, in dem die Lokalradioprogramme simulcast in UKW und DABplus ausgestrahlt werden.

Illustration: Julia Krusch – juliakrusch.de
Porträt Guido Schneider: Jaytee Van Stean

Bild Guido Schneider

Guido Schneider ist freier Medienfachjournalist und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Themen aus den Bereichen Hörfunk, Bewegtbild und Marketing. Er schreibt für Fachdienste wie »Horizont« und »kress pro«.

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