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Tendenz

Das Magazin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien

Quereinstiege und Learning by doing
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Quereinstiege und Learning by doing

Die Medien befinden sich im ständigen Wandel. Und mit ihnen verändern sich die Jobs in der Branche. Ausbildungsstätten gehen davon aus, dass die Medienwirtschaft inzwischen weit mehr als 200 Berufe zählt. Für viele dieser Jobs gibt es noch nicht einmal allgemein gültige Ausbildungswege. Wer einen neuen Medienberuf ergreift, kommt häufig noch aus klassischen Ausbildungsgängen oder steigt quer ein, qualifiziert durch Weiterbildung oder Selbststudium. Tendenz stellt drei dieser interessanten neuen Medienberufe vor.

Text Petra Schwegler

„Am Anfang reicht für eine gute Audio-Aufnahme eine ruhige Abstellkammer“: So eine Aussage fällt, wenn man mit professionellen Podcast-Produzentinnen spricht. Susanne Klingner zählt zu ihnen. Das eigene Label „hauseins“ hat sie zusammen mit Katrin Rönicke 2017 ins Leben gerufen. Seither mischen die beiden Journalistinnen von München (Klingner) und Berlin (Rönicke) aus den Podcast-Markt mit mutigen und gut recherchierten Themen auf.

Längst sind sie nicht mehr zu zweit und produzieren längst nicht mehr aus der Abstellkammer. Hauseins hat sich zu einem richtigen kleinen Unternehmen entwickelt. Mit 25 freien Kolleginnen und Kollegen aus ganz Deutschland arbeiten Klingner und Rönicke auf Projektbasis zusammen. Deren Bezahlung orientiert sich mit im Schnitt mit 45 Euro pro Stunde an den Honoraren, die die öffentlich-rechtlichen Sender bezahlen. Das Team steht hinter Produktionen wie „Wir schaffen das!“ oder „Plan W“ in Kooperation mit dem Frauenwirtschaftsmagazin der Süddeutschen Zeitung (SZ). „Wir schaffen das“ zeigt fünf Jahre nach Angela Merkels berühmtem Satz in biografischen Hörein­blicken, wie bzw. ob sich das Land verändert hat.

Erfolgreiche Quereinsteigerin

Unter anderem im „SZ“-Kosmos nahm Klingners Karriere als Podcasterin ihren Anfang. Ihr Handwerk hat die klassisch ausgebildete Journalistin in Printredaktionen gelernt und verfeinert, stets auf freier Basis. Zu ihren Stationen zählten die „taz“ oder das „SZ-Magazin“. „Eine gute Basis“, wie sie heute findet. „Im Magazinjournalismus lernt man, Geschichten zu erzählen“, betont Klingner. Dass sie auch als Textchefin oder Redaktionsleiterin wirken konnte, helfe ihr heute enorm dabei, das Podcast-Label zu organisieren oder Themen zu entwickeln. 

Das gesprochene Wort liegt der hauseins-Gründerin schon lange. Den von ihr redaktionell betreuten Lila Podcast über aktuelle Debatten aus feministischer Perspektive gibt es seit 2013. Während eines längeren Aufenthalts in den USA, wo die Podcast-Szene schon lange floriert, kam Susanne Klingner die Idee zur Gründung eines eigenen Labels. Der Idee folgten Taten: Sie brachte sich selbst viel bei, hörte sich bei Profis um, übte viel. Inzwischen hat sich die Quereinsteigerin einen Namen in der expansiven Podcast-Branche gemacht. Mit Crowdfunding, Werbung und Beratungshonoraren steht hauseins auf soliden finanziellen Beinen. Klingner und Rönicke können als berufstätige Mütter vom Podcasten leben und sich ihre Arbeit gut einteilen.

Welche Tipps hat Susanne Klingner für den Nachwuchs? „Das Wichtigste ist die Leidenschaft, um sich im gut gefüllten Podcast-Markt noch abheben zu können.“ Sie lacht: „Für mehr Schwung beim Reden empfehle ich, vor dem Sprechen einmal tief in sich hineinzulachen. Dann wirkt die Stimme frischer.“

In ihrem Job dreht sich alles um die bestmögliche Erreichbarkeit von Usern über Themen und Kanäle. Lena Treichel ist Head of Audience Development bei t-online. In der Berliner Redaktion des Ströer-Portals kümmert sie sich mit ihrem Team darum, neue Trends, Themen und Zielgruppen zu erschließen. Dabei ist es ihr nicht nur wichtig, das Feedback von Nutzerinnen und Nutzern in die Arbeit miteinzubeziehen, sondern vor allem, mit Hilfe von Software und Daten immer einen Schritt weiterzudenken.

Die Expertin skizzierte bei media.innovations 2021, dem Innovationstag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien und des MedienNetzwerk Bayern, wie Taboolas Newsroom beispielsweise den (Echtzeit-)Traffic auf t-online dokumentiert. Die eigens für die Ströer-Marke programmierte Content Engine bündelt Analysen aus verschiedenen Datenquellen und spuckt optimal passende Artikel oder Bildmaterial zu verschiedenen Themenkomplexen aus.

Dabei hat das Treichel-Team im Herzen von Berlin immer die bestmögliche Reichweite der Inhalte vor Augen. Kommuniziert wird ein Volltreffer nach Klicks übrigens von Lena Treichels Lieblingstool „Buddy“: Es erscheint in Form eines Avatars mit Informationen zur Digital-Performance eines Beitrags auf den Bildschirmen der jeweiligen Redaktionsmitglieder.

Von der Medienkauffrau zur Datenjongleurin

Tagesgeschäft und strategische Projekte gehen in Treichels achtköpfigem Team Hand in Hand. Neben dem Bespielen der passenden Kanäle, dem tagtäglichen Monitoring des Traffics auf der Seite und dem Aufspüren neuer interessanter Geschichten befasst sich die t-online-Audience-Development-Abteilung mit Datenanalyse, Leuchtturmprojekten, Innovationen sowie mit neuen Plattformen und Kanälen in der hochdynamischen Online-Medienwelt.

Wie wird man eine solche Datenjongleurin? Lena Treichel ist gelernte Medienkauffrau. Seit 2013 arbeitet sie in der Medienbranche, war mehrere Jahre im Bereich der Suchmaschinenoptimierung (SEO) tätig und ist seit Anfang 2017 Teil der t-online-Redaktion. Seit 2019 gehört Treichel zum Audience-Development-Team.

Schwer tut sie sich, wenn es um eine kurze Definition ihres Jobs geht. Denn Audience Development ist ein umfassendes Aufgabengebiet. Es ist ein Fulltime-Job, bestehende Zielgruppen optimal zu bedienen und zugleich neue zu erschließen. Ganz wichtig sei es, so Lena Treichel, „Nutzerbindung und -vertrauen zu schaffen und zu optimieren“. Nur „glückliche“ User würden immer wieder zum Online-Portal t-online zurückkehren

Steve Heng ist auf fast allen Social-Media-Kanälen präsent, um auch wirklich alle zu erreichen: YouTube, Instagram, Twitch, Twitter, TikTok, WhatsApp und Facebook, aber auch E-Mails. Beruflich wie privat. Steve Heng ist Community Manager. Mit Leib und Seele. Denn wer mit dem Netz und ins Netz korrespondiert, „der muss Social Media leben“, wie Heng hervorhebt. „Man muss sich trauen, sich zu öffnen, sich als Person im Social Web zu präsentieren. Um glaubhaft zu sein, muss hinter den Inhalten ein Gesicht stehen“, berichtet er.

Zuletzt hat Steve Heng sein soziales Ich über fünf Jahre als Community Manager für die Digital-Initiative creative.forge der Münchner Bavaria Film eingesetzt. Seit Juli 2021 ist er Bindeglied zwischen der Ausbildungsinitiative Start into Media und dem Mediennachwuchs im Social Web. Auch wenn er digital bestens verdrahtet ist, blickt Heng mit großem Respekt auf diese Zielgruppe und stellt sich darauf ein, dass er wieder viel dazulernen wird: „Die jetzt 14- bis 16-Jährigen ticken nochmal ganz anders.“

Ein dynamischer Job, in dem es gilt, stets am Ball zu bleiben, um „die Sprache des Unternehmens im richtigen Kanal für die unterschiedlichen Zielgruppen zu übersetzen“. Für künftige Zielgruppen wünscht sich Heng, dass in der Schule mehr Medienkompetenz vermittelt werde, um einen besseren Umgang und mehr Verständnis für die Plattformen zu erreichen. Potenzial und Möglichkeiten der Sozialen Kanäle sollten ernster genommen werden.

Trennen von Beruf und privatem Dasein kaum möglich

Von Beruf ist Steve Heng gelernter Film- & Video Editor. Seine Berufung ist Social Networking. Davon kann er ein Leben in München finanzieren. Heng ist seit Jahren aktiver Teil der deutschen YouTube- und Social-Media-Szene: Er organisierte in Zusammenarbeit mit der Medienpädagogischen Einrichtung Café Netzwerk bereits „TubeMunich“, das erste YouTuber-MeetUp-Event in München. Er war auch als Ambassador für die Google-

Videoplattform YouTube tätig. Fachwissen eignete sich Heng vor allem mit seinem Channel "BreakoutTV" und seiner Präsenz im Netz als Content Creator an.

Fragt man Steve Heng nach Learnings aus seiner Arbeit als Community Manager, muss er nicht lange nachdenken: „Etwas mit dem Internet zu tun zu haben, ist nicht so einfach, wie man denkt. Man muss Spaß daran haben, mit Menschen umzugehen. Das Trennen von beruflichem und privatem Dasein ist kaum möglich.“

Wer sich dazu wirklich berufen fühlt und sich beim Bewerben kreativ in Szene setzten möchte, dem rät Heng: „Wer in einen digitalen Beruf einsteigen will, sollte digitale Aktivitäten vorleben. Für meine letzte Bewerbung habe ich ein einminütiges TikTok-­

Bewerbungsvideo eingereicht.“ Und: Es hat geklappt.


Artworks: rosepistola.de, unter Verwendung von unsplash.com: Adam Birkett (16)
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rosepistola.de, unter Verwendung von unsplash.com: Salman Hossain Saif (20)
Portrait Susanne Klingner:  Kinga Cichewicz
Portrait Lena Treichel: BLM
Portrait Steve Heng: Bavaria Film/ Stella Boda

Bild Petra Schwegler
Petra Schwegler arbeitet seit 2019 in der Kommunikation der Medientage München und für die Vernetzung und Strategische Partnerschaften im Mediennetzwerk Bayern. Die Journalistin war zuvor Newschefin bei der Fachzeitschrift Werben & Verkaufen. Seit Mai 2019 ist sie Mitglied der Jury für den Deutschen Radiopreis.
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