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Den Wandel gestalten statt hinterher-zulaufen
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Den Wandel gestalten statt hinterher-zulaufen

Die Trennung von Offline- und Onlinewelt war gestern. Im neuen Medienstaatsvertrag, der noch verabschiedet werden soll, werden die Rundfunkzulassung neu geregelt und erstmals auch Medienplattformen und Intermediäre wie Google oder Facebook in die Regulierung einbezogen. Im Tendenz-Interview erklärt Bayerns Medienminister Dr. Florian Herrmann unter anderem eine neue Regelung für Livestreaming.

INTERVIEW Bettina Pregel

Tendenz: Streaming, Podcasts oder Sprachassistenten verändern das Seh- und Hörverhalten der Nutzerinnen und Nutzer. Die Medienregulierung muss dem technologischen Wandel angepasst werden. Wie kann der Gesetzgeber dieses Hase-und-Igel-Rennen – sinnbildlich gesprochen – je gewinnen?

Florian Herrmann

Dr. Florian Herrmann: Der freie Austausch von Positionen und damit eine funktionierende, freie öffentliche Meinungsbildung sind die Grundvoraussetzungen für eine Demokratie. Dafür sind Medien unverzichtbar. Medienregulierung hat daher die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Meinungsbildung zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken, indem zum Beispiel das Entstehen von vorherrschender Meinungsmacht verhindert und Medienvielfalt gefördert wird.

Nicht nur das Seh- und Hörverhalten verändert sich. Auch neue Marktteilnehmer kommen durch die Digitalisierung hinzu. All dies hat Auswirkungen auf die öffentliche Meinungsbildung. Unser Anspruch ist es, dem Wandel nicht hinterherzulaufen, sondern ihn zu gestalten. Dies geschieht mit dem Medienstaatsvertrag.

Der Rundfunkstaatsvertrag der Länder soll 2020 durch den Medienstaatsvertrag ersetzt werden: Welchen Schwerpunkten widmet sich der neue Medienstaatsvertrag und was sind seine Ziele?

Der Medienstaatsvertrag verfolgt zunächst das Ziel, den Rundfunkstaatsvertrag an die Medienkonvergenz anzupassen. Betroffen sind davon die drei Bereiche Rundfunkzulassung, Medienplattformen und Intermediäre. Letztere sind insbesondere Suchmaschinen und Videosharing-Plattformen. Übergeordnetes Ziel ist es, die Medienvielfalt zu fördern, indem überholte Regularien aufgehoben und neue Marktteilnehmer – wie Google und YouTube – in die Regulierung mit einbezogen werden. Zudem wird im Medienstaatsvertrag die sogenannte Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie der EU umgesetzt.

Erstmals sind im Entstehungsprozess unter anderem Verbände, die betroffenen Unternehmen und Bürger beteiligt worden. Was haben sich die Länder und deren Rundfunkkommission davon erhofft? Welche Erfahrung haben sie damit gemacht?

Der Medienstaatsvertrag berührt eine Vielzahl an Interessen. Trotz steten Dialogs mit Bürgern und Vertretern der Medienunternehmen und -verbände ist es wichtig, deren Auffassungen auch zu konkreten Textvorschlägen zu erhalten. Die diversen Interessen werden dann in der Abwägung angemessen berücksichtigt. Die Anhörung hat viele konstruktive Anmerkungen ergeben. Die Erfahrung ist sehr positiv, sodass es letztlich sogar zwei Anhörungen – eine 2018 und eine 2019 – gab.

Bund, Länder und die Europäische Union beanspruchen Kompetenzen in der Regulierung von Online- und Offlinewelt. So ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vom Bund beschlossen worden, die Vielfaltssicherung bei Medienintermediären soll nun im Medienstaatsvertrag von den Ländern geregelt werden. Sehen Sie Optimierungsbedarf in der Abstimmung zur Medienregulierung?

Die im Grundgesetz geregelte Kompetenzverteilung hat sich bewährt. Danach sind für Gesetzgebungsvorhaben, die im Schwerpunkt Rundfunk beziehungsweise Medien betreffen, die Länder allein zuständig. Zwar gibt es im Einzelfall Erörterungen und auch Diskussionen zwischen Vertretern des Bundes und der Länder, ob der Medienbereich nur am Rande betroffen ist oder nicht. Optimierungsbedarf sehe ich aber nicht.

Rundfunkprogramme, „die nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten“, sollen künftig zulassungsfrei sein. Wann hat ein Angebot nur eine geringe Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung? Können Sie Beispiele nennen?

Bei diesem Kriterium handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der durch Landesmedienanstalten und Gerichte weiter konkretisiert werden wird. Umfasst werden jedenfalls Angebote im Einrichtungsrundfunk, zum Beispiel Rundfunk innerhalb eines Krankenhauses.

Derzeit besteht eine große Verunsicherung unter Streamern, ob sie ihre Livestreams auf Plattformen wie twitch oder younow als Rundfunk genehmigen lassen müssen. Kann der neue Medienstaatsvertrag diese Unsicherheit beseitigen?

Anlass der Debatte war die Entscheidung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), den Twitch.tv-Kanal PietSmietTV zutreffenderweise als zulassungspflichtiges Rundfunkangebot einzustufen. Die aktuelle Rechtslage ist insoweit klar. Zurecht wird aber seitens Livestreamern infrage gestellt, ob eine Zulassungspflicht angesichts der Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung noch angemessen ist. Die jetzt vorgesehene Regelung sieht eine Zulassungsfreiheit für Angebote vor, die im Durchschnitt der letzten sechs Monate weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreicht haben. Lediglich für Anbieter, deren Angebote um diesen Grenzwert pendeln, könnte daher Unsicherheit die Folge sein.

Der Halbjahresdurchschnitt von weniger als 20.000 gleichzeitigen Nutzern ist also die Grenze: Wer soll diese Daten wie ermitteln?

Für die Ermittlung dieser Daten ist zunächst der einzelne Anbieter zuständig. Jedoch muss nach dem Entwurf die zuständige Landesmedienanstalt das Überschreiten des Grenzwertes nachweisen, wenn sie an eine fehlende Zulassung Sanktionen anknüpfen möchte. Dies kann im Einzelfall jedoch Mitwirkungshandlungen des Anbieters auslösen.

Der neue Staatsvertrag sieht für Medienintermediäre wie Suchmaschinen und soziale Online-Netzwerke Transparenzvorgaben und Diskriminierungsfreiheit vor. Wie zum Beispiel kann eine Gleichbehandlung bei einer Suchmaschine aussehen? Und wie soll die Transparenzvorgabe gegenüber den Medienanstalten und der Öffentlichkeit umgesetzt werden?

Ohne Intermediäre würden Nutzer im Internet häufig nicht ihre gesuchten Inhalte finden. Intermediäre haben damit einen erheblichen Einfluss auf die Meinungsbildung. Sie sollen daher dem Nutzer erläutern, wie die jeweilige Auswahl und Anordnung beziehungsweise Reihenfolge der Treffer erfolgt. Die Erläuterung kann über das Internetangebot, entsprechend einem Impressum, erfolgen; die Intermediäre sind dabei aber relativ frei. Außerdem dürfen sie verschiedene Medienanbieter nicht diskriminieren, wenn sie einen hohen Einfluss auf die Wahrnehmbarkeit von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten haben.

Gerade im Bereich der Medienintermediäre ist die Konzentration von Meinungsmacht zu beobachten. Wieso lässt der neue Medienstaatsvertrag die Reform des bisher fernsehzentrierten Medienkonzentrationsrechts außen vor?

Die Reform des fernsehzentrierten Medienkonzentrationsrechts ist nicht aufgehoben. Hier besteht jedoch noch weitergehender Abstimmungsbedarf zwischen den Ländern.

Bayern ist ein Medienstandort, der Innovationen in hohem Maße fördert. Was entgegnen Sie der jüngst geäußerten Kritik von Verbänden aus der Digitalwirtschaft, dass der Medienstaatsvertrag-Entwurf die Freiheit der Nutzer einschränke und Innovationen blockiere?

Die genannten Verbände vertreten die Interessen der Anbieter von Medienplattformen. Das ist legitim. Sie kritisieren unter anderem Einschränkungen bei Überblendungen von Rundfunkprogrammen. Aus meiner Sicht wurde hier aber ein fairer Interessenausgleich erzielt, der auch den Anbietern von Rundfunkprogrammen Einkünfte und damit die Medienvielfalt sichert.

Freiheit im Internet hat auch ihre Grenzen, zeigen die Initiativen in verschiedenen Bundesländern gegen Hass im Netz, an denen auch Bayern beteiligt ist. Wie hat sich das politische Klima Ihrer Einschätzung nach durch diesen Hass verändert?

Hass – egal ob im Netz oder in der realen Welt – ist ein ernsthaftes Problem, da hierdurch jeglicher Austausch verhindert wird. In Bayern wurde deshalb vor kurzem die Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“ des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz zusammen mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien gestartet. Ziel ist es, Strafrechtsverletzungen im Internet schneller und effizienter zu verfolgen.

Vervollständigen Sie zum Abschluss doch bitte diesen Satz: Politische Einflussmöglichkeiten von Influencern wie Rezo sind

… erheblich und sind Teil des Diskurses der Bürgerinnen und Bürger, der notwendig ist in unserer Demokratie.

Grafik: Ozz Design/Shutterstock.com
Porträt Florian Herrmann: Bayerische Staatskanzlei
Porträt Bettina Pregel: BLM

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