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Das Magazin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien

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Ob Festivals, Fachkongresse, Ausstellungen oder Messen – alle Events haben eins gemeinsam: Ihnen wurde im März 2020 der »analoge« Stecker gezogen und niemand weiß, wann große Präsenzveranstaltungen wieder möglich sein werden. Auch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) traf es unvermittelt: Schnell erfolgte die Umstellung auf digitale Events – eine Chance, aber auch eine Herausforderung.

TEXT Tanja Nagel

Der Kommunikationsverband FAMAB beziffert die Verluste durch abgesagte Events in Deutschland bis Mitte August auf über 123 Millionen Euro. Und auch der deutschen Messebranche fehlen laut einer Hochrechnung der FAMAB und dem R.I.F.E.L.-Institut 3,5 Milliarden Euro durch den Ausfall von knapp hundert Messen.

Es mussten Alternativen her und damit begann die Experimentierphase mit digitalen Events: Die Landeszentrale verlegte die Präsentation der Funkanalyse Fernsehen Bayern am 1. April kurzerhand ins Studio der Mediaschool Bayern und übertrug die Veranstaltung via Online-Stream – mit guten Zuschauerzahlen. Während viele große Events die Wucht von Corona zu spüren bekamen, wurde im Kleinen jede erdenkliche Technik ausprobiert, um Events online zum Laufen zu bekommen: GoToMeeting, Zoom, Teams, Skype etc. – gefragte Referenten durften alle Videokonferenz-Programme einmal durchprobieren.

Keine Wackelbilder: Auch online zählt die Qualität

Improvisierte Events, bei denen man die präsentierten Folien nicht lesen konnte und die Moderation aufgrund von Verbindungsproblemen nur schlecht verstand, verschwanden schnell wieder von der Bildfläche. Denn die Zuschauer erwarteten Qualität. Glücklich, wer jetzt ein Fernsehstudio zur Verfügung hatte und live streamen konnte. Unter Berücksichtigung aller Hygienebestimmungen und Abstands­regeln war es auf diese Weise möglich, Mischformen aus Studioeinblendungen und Videointerviews quasi wie eine Fernsehsendung in die Welt zu schicken. So konnten zum Beispiel der Social TV Summit und der Medieninnovationstag der BLM online stattfinden – wenn auch stark gekürzt.

Erfahrungen mit Online-Seminare sammelten die für die BLM-Workshops verantwortlichen Kollegen. Die insgesamt 15 Webinare zu TV-, Radio- und Marketingthemen stießen auf großes Interesse und kamen bei den 220 Teilnehmern und Dozenten sehr gut an. »Ich hätte nicht gedacht, wie einfach und unkompliziert es sein kann, Wissenstransfer aktiv und lebendig digital zu gestalten«, so Dozentin Susanne Wiesner.

Auch die Medien.Bayern GmbH, eine Tochter der BLM, hat mit den Digitalks schnell ein neues Onlineformat eingeführt. »Grundsätzlich funktioniert das gut,« sagt Geschäftsführer Stefan Sutor. Die Events müssten nur kürzer und komprimierter sein. Dann eröffneten sich neue Chancen: »Für die Teilnehmer ist die Veranstaltung nur einen Klick entfernt. Allerdings verbunden mit der Gefahr, dass sie auch schnell wieder weg sind. Wir haben aber die Chance, auch Zuschauer dabei zu haben, die nicht vor Ort sein können oder die der Arbeitgeber nicht für drei Tage nach München schicken würde«, gibt Sutor mit Blick auf die digitalen Medientage 2020 zu bedenken.

Auch das größte Klassentreffen der digitalen Welt, die re:publica, spielte sich in diesem Jahr lediglich vor den Bildschirmen ab. »Wir mussten kurzfristig alles über den Haufen werfen und neu anfangen. Mitten in der Phase der Ausgangsbeschränkungen mit vielen Kindern im Home-Schooling auf dem Schoß wurde die virtuelle re:publica im digitalen Exil innerhalb weniger Wochen entwickelt und produziert,« so Mitbegründer Markus Beckedahl. Die re:publica 2020 fand in gewohnter Kooperation mit der Media Convention als rpRemote am 7. Mai live auf vier Kanälen gleichzeitig statt.

Die Organisatoren wurden dann auch mit 100.000 Livestream-Aufrufen belohnt. Doch so gut die rpRemote auch lief – ersetzen konnte sie das analoge Klassentreffen nicht ganz: »Die re:publica war immer ein Ort, wo viele Menschen aus dem Netz physisch für drei Tage zusammenkamen, um sich zu sehen, Freundschaften zu schließen und abends gemeinsam anzustoßen. Das fehlte beim digitalen Klassentreffen, auch wenn wir zum Schluss doch noch alle miteinander singen konnten. Aber leider nur an unseren Bildschirmen.« Und was war mit den Festivals? Das DOK.fest München machte es Anfang Mai vor: Das Dokumentarfilmfestival @Home startete als erstes Online-Festival Anfang Mai mit 121 der ursprünglich geplanten 159 Dokumentarfilme. Ärmer um ein paar Premieren, aber reicher um Zuschauer vor den Schirmen. Mit mehr als 75.000 Zuschauern verzeichnete das DOK.fest einen neuen Rekord. Zudem waren mehr als die Hälfte der Einzelticketkäufer bereit, einen Euro mehr zur Unterstützung der sonst beteiligten Kinos zu bezahlen.

Ebenso konnten alle geplanten Preise online vergeben werden – darunter auch der von der BLM erstmals gestiftete DOK.digital-Preis für innovatives Storytelling. Das DOK.fest war also auch digital ein Fest. Allein der rote Teppich fehlte. Vielleicht behalte man sich die Möglichkeit vor, auch künftig einen Teil des Festivals online stattfinden zu lassen, so Festivalleiter Daniel Sponsel.

Publikumsmessen ohne Publikum

Und wie haben es große Publikumsmessen wie die Internationale Funkausstellung (IFA) und die gamescom geschafft, das haptische Anfassen und Testen im Rahmen ihrer Ausstellungen virtuell zu ersetzen? Das weltweit größte Event rund um Computer- und Videospiele, die gamescom 2020, setzte vom 27. bis 31. August mit ihrem Werbeslogan »100 Prozent digital, 100 Prozent Heart of Gaming, 100 Prozent kostenlos« auf die digitale Masse. Die Veranstalter verbuchten das als großen Erfolg mit zehn Millionen Teilnehmern aus wesentlich mehr Ländern.

Die IFA 2020 wagte erstmals den Spagat zwischen Vor-Ort-Veranstaltungen und einer virtuellen Verlängerung. Zur IFA-Normalität gehörten dieses Jahr allerdings separate Zu- und Ausgänge bei jedem Einzelevent, deutlich breitere Gänge in allen Veranstaltungsarealen, eine vorgezeichnete Wegeführung und Desinfek­tions­spender (vgl. Beitrag auf www.blmplus.de). Wer nicht zu den zugelassenen 5.000 Besuchern gehörte, konnte Teil der digitalen IFA Special Edition 2020 sein. Die Messe, die in Teilen eher einer Geisterstadt glich, erfüllte dennoch eine Vorbildfunktion: »Sie ist ein Symbol und zeigt, dass wir gemeinsam über die Pandemie und ihre Folgen hinausschauen können,« so IFA-Chef Jens Heithecker.

Auch wenn bei den digitalen Festivals und Fachkongressen das Erleben vor Ort, und die persönlichen Gespräche am Rande fehlen, wird der coronabedingte Wandel nicht folgenlos für die Eventbranche bleiben: Viele Veranstalter werden auch in Zukunft auf hybride Formate setzen, um die Vorteile der Experimentierphase zu nutzen.

Für die Event- und Marketingagentur brandarena war der Lockdown eine Herausforderung. Ihr sind wie allen anderen in der Branche zunächst einmal 100 Prozent der Umsätze weggebrochen. Doch Geschäftsleiterin Ute Doetsch sieht mittlerweile auch die Vorteile von digitalen Events: Neben Kosten- und Zeitersparnis nennt sie die positive Umweltbilanz und die Möglichkeit einer nachhaltigeren Verwertung des Contents. 

Vor allem der leichte Zugang zu digitalen Events bietet laut Doetsch eine große Chance: »Durch die Krise erleben wir eine digitale Teilhabe von allen Zielgruppen – die Digitalisierung hat enorm an ›Fahrt‹ aufgenommen. Das ist auch eine Chance, Menschen zu erreichen, die vielleicht nicht so leicht ihr Zuhause verlassen können. Diese Zielgruppen können wir in Zukunft mit digitalen, barrierefreien Eventformaten erreichen. Der Gedanke der Inklusion kann noch mehr gelebt werden.« Das Experimentieren ist also noch lange nicht vorbei: Immer mehr Veranstalter testen wie bei der DMEXCO virtuelle Meetingräume. Der FAMAB-Verband präsentiert sogar schon wieder hygienekonforme Eventkonzepte – inklusive Corona-Test eines jeden Zuschauers vor Ort.

Es geht nichts über den persönlichen Austausch

Die 34. Medientage München (MTM) werden vom 24. bis 30. Oktober erstmals mit einer einwöchigen Digitalkonferenz statt einer dreitägigen Präsenzveranstaltung  an den Start gehen – mit Online-Panels, einer virtuellen Messe, interaktiven Networking-Möglichkeiten, und – je nach Situation – kleineren physischen Events vor Ort.

»Es geht nichts über den persönlichen Austausch«, betont Stefan Sutor, MTM-Organisator und Geschäftsführer der Medien.Bayern GmbH. »Ich gehe allerdings davon aus, dass wir auch nach dem Ende der Pandemie den Online-Konferenz-Teil stärker bespielen werden.« Deshalb werde zusammen mit den Partnern Fabrik19, Arvato und Google eine Plattform aufgebaut, um das Networking, die Expo und die verschiedenen Konferenzformate optimal abzubilden und die Interaktion zu stärken.

Der Medientage-Geschäftsführer sieht auch die Möglichkeit, in Zukunft Geld mit digitalen Events zu verdienen: »Immer mehr Veranstalter gehen dazu über, für Online-Events Eintritt zu verlangen; der technische Aufwand ist ja auch enorm. Ich glaube, es wird gelingen, mit sehr wertigen Online-Konferenzen auch Einnahmen zu generieren.« Analog, rein digital oder hybrid – es wird sich zeigen, welche Formate sich künftig etablieren können.

local_doctor/Shutterstock.com, iStock.com/invincible_bulldog

Bild Tanja Nagel
Tanja Nagel leitet das Veranstaltungsreferat in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, das im Bereich Technik, Medienwirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt ist. Sie ist gelernte Journalistin.
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