„Wird es übermorgen in der Nähe der Golden Gate Bridge wärmer als 21 Grad sein?“, fragt Dag Kittlaus sein iPhone. Keine Sekunde später sagt seine künstliche Intelligenz Viv: „Nein“, und zeigt ihm das Wetter zu diesem Zeitpunkt an.
Kittlaus, dem Erfinder der Apple-Stimme Siri, bei der Konversation mit seiner neuesten Roboter-Assistentin zu beobachten, macht Spaß. Er bestellt einen Wagen, sendet einem Freund Geld, kauft Blumen. In wenigen Sätzen, ohne einen einzigen Klick. Die Bedienung von Viv wirkt futuristisch, aber intuitiv und zeitsparend.
So sieht wohl die Zukunft aus: Wir kommunizieren mit Programmen, die uns das Leben einfacher machen sollen. Das kann jeder schon heute ausprobieren, wenn er sich in ein Gespräch mit einem Chatbot begibt – beispielsweise mit dem Bot unserer Facebook-Seite Media Lab Bayern. Seitdem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg auf der Konferenz F8 im April das Zeitalter der Chatbots eingeleitet hat, sollen zehntausende in Entwicklung gegangen sein.
Vor gut zehn Jahren begann der Siegeszug der Apps. Sehr schnell war klar, dass sie schneller und einfacher zu bedienen waren als das mobile Internet. Diese Entwicklung fühlte sich natürlich an. Ein Gefühl, das man bei vielen Chatbots nicht unbedingt hat. Zumindest nicht, wenn man mit den falschen Erwartungen an die Kommunikations-Roboter herantritt.
Wie viel „Mensch“ steckt in den Bots? Sieht man sie eher als Gesprächspartner, oder als besserere Suchmaschine? Media.fwd hat einige der Bots der ersten Generation unter die Lupe genommen.
"Hi, Poncho!": Wie wird das Wetter so?
„Werde ich einen Regenschirm brauchen?“, lautet eine Testfrage für den Wetter-Chatbot Hi Poncho.
„Ja, nimm deinen Schirm mit“, sagt er. Es ist fast so, als antworte ein Mensch.
„Und eine Jacke?“
Doch das versteht der Bot nicht. Er kann den Kontext nicht erkennen - er ist eben kein Mensch. Und da liegt auch schon das Problem, das bei der Bedienung der allermeisten Chatbots besteht: Falls beim Nutzer die Erwartungshaltung vorherrscht, mit einem schnell lernenden, menschenähnlichem Wesen zu kommunizieren, wird diese nur allzu schnell durch Frustration ersetzt. Wie Poncho aber gleich selbst klarstellt, ist der Chatbot eben nur für eines gut: Das Wetter. „Munich“ führt zum Wetter in München, und „Forecast Berlin“ liefert auch die gewünschten Infos. Allerdings stellt sich selbst dann schnell das Gefühl ein, dass man diese mit einer einfachen Google-Suche schneller bekommen hätte. Einige Kritiker meinen gar, Bots seien die mit Abstand langsamste Art, im Internet Informationen abzurufen. Das ist bei Hi, Poncho nicht unbedingt der Fall – solange man ihn mit genau den Informationen und Fragen füttert, die er versteht.
Quartz-News Bot: Chatten wie mit einem Freund
Der Quartz-News-Bot war einer der ersten News-Bots auf dem Markt. Anders als Hi Poncho gibt Quartz dem User die Antworten vor. Das schmälert die Kreativität, aber auch das Frustrationspotenzial. Quartz hat für seinen Bot viel Lob erhalten. Die News wirken so, als würde sie ein Freund schicken. Immer nur häppchenweise, gespickt mit Emojis und GIFs. Falsch machen kann man hier nichts. Der große Unterschied zu den News-Häppchen, die man im Facebook-Feed vorgesetzt bekommt oder wenn man eine News-Website überfliegt: Man liest den Content wirklich, und hat danach den Eindruck, informiert zu sein. Mehr noch: Quartz gibt dem User nach einer Weile sogar zu verstehen, dass es nichts Weiteres gebe und dass er wieder auf dem neuesten Stand sei. Auch die Monetarisierung wurde hier direkt implementiert. Nach den Chats erscheint üblicherweise eine kleine Anzeige von Quartz-Partner Mini, die man in einem aufmerksamen Chat-Modus auch ganz anders wahrnimmt als sonst. Clever und nicht zu aufdringlich – Quartz hat vieles richtig gemacht. Und hier ist es wirklich die App, die lernt – mit jeder übersprungenen Nachricht oder jeder Nachfrage des Users weiß die App ein wenig besser, was sie ihm in Zukunft präsentieren soll. Der einzige große Nachteil von Quartz: Es ist eine App, die man eigens herunterladen muss.
Klicken Sie sich durch ein beispielhaftes Gespräch mit Quartz
CNN Newsbot: Wirkt wie eine Suchmaschine
CNN verfolgt einen ganz anderen Ansatz und verzichtet auf bunte Spielereien. Der Bot hält sich streng an die Fakten. Positiv ist, dass er den User selbst eine Themengruppe auswählen lässt, wenn man nicht mit „Top Stories“ zufrieden ist. Bei „Sanders“ liefert er die neuesten Nachrichten zu Bernie Sanders. Der Bot wirkt wie eine Suchmaschine der Website, ein Schlagwort lässt ihn dem User gleich mehrere Artikel nebeneinander vorschlagen, was das kleine Chatfenster sogleich sehr überflutet. Der CNN-Bot liefert alle Nachrichten, die man auf der Seite auch finden würde, passt diese aber kaum dem Storytelling eines Chatfensters an. Dafür soll der CNN-Bot mit der Zeit die Interessen des Nutzers kennen lernen und ihm so auf Dauer nur die News liefern, die er auch wirklich will. Eine menschliche Seite ist bei CNN nicht spürbar. „Cool“ beantwortet der Bot mit Nachrichten über eine Mount-Everest-Besteigung.
Wall Street Journal: Nur die Kurse
Der Bot des Wirtschaftsmagazins liefert die aktuellen Kurse börsennotierter Unternehmen. Auch er lernt dazu, was der User interessant findet. Andere Befehle als die vorgegebenen versteht er nicht. Pluspunkt: Er erklärt am Anfang deutlich, wie er zu bedienen ist. Das beugt Frust vor.

"WTFIS": Erkennst du, was das auf dem Bild ist?
Der „WTFIS“-Bot hat nur eine einzige Funktion zu bieten. Der User schickt ihm ein Bild, das der Bot so gut er kann verschriftlicht. Auf Textanfragen reagiert er teilweise sogar gar nicht. Das Erkennen der Bilder funktioniert mal besser, mal schlechter. Den Schauspieler Steve Martin kennt der Bot zwar nicht, US-Präsident Barack Obama schon. Er identifiziert sogar, dass die Männer auf den Fotos Anzug und Krawatte tragen. Ein Panoramafoto von Berlin identifiziert er als „White concrete building“. Präziser wird es bei Technik: Ein Bild eines Handys ruft die Antwort „Your image is a blue iPhone 5c“ hervor. Der Versuch, den Bot das Logo von Chanel erklären zu lassen, scheitert dagegen komplett.
"Hello Jarvis": Erinnere mich, Bot!
Sehr simpel und funktionell ist auch „Hello Jarvis“ gehalten. Man sagt ihm, woran man gerne erinnert werden möchte, und er tut das.

Einige weitere Beispiele:
Der niederländische Fluganbieter KLM stellt den Boardingpass über seinen Bot zu. Der US-Modehändler „Spring“ fragt als allererstes nach dem Geschlecht, operiert auch mit vorgefertigten Antworten, lässt das Verkaufsgespräch dann aber „echte“ Mitarbeiter übernehmen. Über „Jobmehappy“ können Arbeitssuchende die Jobangebote einer bestimmten Region in Deutschland ausgespielt bekommen. Einer der ersten Bots in Deutschland war der Bild-Transferticker, der die neuesten Fußball-Wechselgerüchte als Chat serviert. Auch Lieferdienste für Blumen oder Essen nutzen mittlerweile Bots. Viele Unternehmen greifen auf Bots als erste Anlaufstelle für den Kundenservice zurück – Telefonwarteschleifen sollen somit der Vergangenheit angehören.
Fazit
Rein funktionell können Chatbots einer gut programmierten App nicht das Wasser reichen, und das ist auch gar nicht nötig. Geschwindigkeit und Effizienz sind nicht das, was man von den meisten Chatbots im Vergleich zu den gut entwickelten Alternativen erhoffen kann. Chatbots, vor allem wenn sie so ausgelegt sind wie der von Quartz, bieten die Möglichkeit einer echten Interaktion. Und da braucht man eben Geduld. Die Chatbots der ersten Generation sollte man daher vielleicht weniger mit dem Web oder Apps vergleichen – sondern sie eher als ein Werkzeug sehen, die Mensch-Maschine-Kommunikation der Zukunft vorsichtig an die Gesellschaft heranzutragen. Bis die Kommuikation mit Bots nicht mehr mit der von einer mit einem Menschen zu unterscheiden ist, dauert es laut Google-Entwickler Ray Kurzweil ohnehin nur noch 13 Jahre.
Text: Christoph Gschoßmann