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Oktoberfestattentat

Gewinnerbeitrag M94.5: 40 Jahre Oktoberfest-Attentat

Beitrag

Unbekannter Sprecher: Und glauben Sie mir eins: das Leben ist schön. Vielen Dank!

(Applaus)

Moderator: All die Zeit nach dem Anschlag waren sie emotional durchaus gefasst, aber trotzdem wurde glasklar, das sind Erfahrungen, die traumatisieren und die lassen einen ein Leben lang nicht mehr los.

Moderatorin: Also, ich persönlich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als geliebte Menschen zu verlieren. Und einige leiden bis heute noch an physischen Folgen. Und ich glaub von den psychischen brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Ein Betroffener hat auch erzählt, er könne an keinem Abfalleimer mehr vorbeigehen, ohne Angst zu haben. Und dazu kommt noch, dass eben lange viel zu wenig an den Anschlag erinnert wurde.

Moderator: Ja. Eine Gruppe, die dagegen jahrelang angekämpft hat und nach wie vor ankämpft, das ist die Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Die waren am Samstag auch vor Ort. Und die DGB-Jugend, die hat den Gedenktag seit 38 Jahren immer wieder organisiert, um damit die Erinnerung aufrecht zu erhalten. Gestern hat dann die Sprecherin der DGB-Jugend München, Pia Berndt, ‘ne längere Rede gehalten und dabei unter anderem folgendes gesagt…

Pia Berndt (Sprecherin): Wir, die heutige Gewerkschaftsjugend, waren 1980 alle noch nicht geboren. Wir gehören nicht zu den direkt Betroffenen des Attentats. Doch wir, die Gewerkschaftsjugend, verstehen uns als Antifaschistinnen und Antifaschisten. Schon aufgrund unserer eigenen Geschichte sehen wir es als unsere Pflicht, rechten Umtrieben, egal wann und wo, entschlossen entgegen zu treten und für ein tolerantes und offenes Miteinander einzustehen. Dieses Selbstverständnis ist es auch, weshalb wir es für wichtig halten, an rechtsextreme Angriffe zu erinnern: damit diese niemals in Vergessenheit geraten, damit unsere Gesellschaft daraus lernen kann.

Moderatorin: Und auch, um daraus zu lernen, hat der Videojournalist Markus Hensel zum 40. Gedenktag eine Dokumentation über die Erinnerungskultur gedreht. Die Dokumentation soll angemesseneres Gedenken ermöglichen und ist in Zusammenarbeit mit den Betroffenen entstanden.

Moderator: M49.5 Politik-Reporterin Pamela Tumba hat sich darüber mit Markus Hensel mal ausführlich unterhalten.

(Musikbett)

Interview

Pamela Tumba (Reporterin): Ich steh hier heute auf der Theresienwiese zusammen mit Markus Hensel, der der Regisseur gewesen ist für den Film „Gedenken an das Oktoberfest-Attentat“. Und heute ist Donnerstag und man sieht schon einige Vorbereitungsarbeiten, denn am Samstag findet die offizielle Gedenkfeier statt der Stadt München, wo eben eine neue Gedenkstätte enthüllt wird. Daneben sieht man aber noch die alte Gedenkstelle. Wir werden jetzt gemeinsam zur gegenwärtigen Gedenkstelle laufen, denn die war unter anderem auch ein zentrales Motiv in dem Film von dir, oder?

Markus Hensel (Regisseur): Genau. Also, das…wir, wir haben unseren Film hier an dem Mahnmal starten lassen. Und zwar hat ein Schauspieler gesprochen, der in Person der Stele gesprochen hat. Der hat für die Stele sozusagen gesprochen und hat so all die Kritikpunkte aufgezählt und auch klargemacht, die es an diesem Mahnmal gibt. Denn gerade Überlebende sind nicht ganz einverstanden mit diesem Gedenkort gewesen. Vor allem finden sie halt, dass hier der Tat gedacht wird, aber der ganze Kontext fehlt. Also das heißt, wenn man hier an diesem Mahnmal steht, wir sind hier grad auf dem Weg dahin, dann merkt man, dass man zwar irgendwie ‘ne Betroffenheit fühlt, weil man hier lesen kann, dass 12 Menschen gestorben sind, aber was genau passiert ist, das wird eigentlich nicht aufgeklärt.

Pamela Tumba: Es gibt hier auch noch das Problem, dass viele auch gar nicht wissen, dass diese Gedenkstelle hier steht, oder?

Markus Hensel: Tatsächlich muss ich sagen, ging das mir auch so. Also, bevor ich diesen Film gemacht habe. Der ist ja entstanden für die DGB-Jugend München, die schon seit 38 Jahren an das Attentat gedenkt und auch das Gedenken maßgeblich mit organisiert hat. Und bevor ich diesen Film gedreht hab, wusste ich auch nicht wirklich, was hier passiert ist. Also, ich hatte schon gehört, dass es hier einen Anschlag gab 1980, dass hier Menschen gestorben sind und hatte irgendwo mal gehört, dass es wohl ein rechter Spinner war. Aber bei mir im Kopf war auch Einzeltäter, also ein Spinner. Und zumindest hatte ich mir noch gemerkt, dass es ein rechtsmotiviertes Attentat war. Was glaub ich bei vielen selbst das nicht im Kopf ist, wo’s einfach irgendein Verrückter war, der hier ‘ne Bombe gelegt hat.

Pamela Tumba: Man weiß ja mittlerweile, dass dieses Attentat das schlimmste rechtsextreme Attentat gewesen ist in der Geschichte von Deutschland…

Markus Hensel: Ja.

Pamela Tumba: …und dennoch ist es aber vielen nicht bekannt. Woran liegt das?

Markus Hensel: Ich muss sagen, bei mir wurd’s auch im Schulunterricht nicht behandelt. Ich bin hierhin gezogen, da war ich 17, bin in die 11. Klasse gekommen. Aber hab auch von meinen Klassenkameraden nicht gehört, dass die davor drüber gesprochen haben. Davor hab ich in Rheinland-Pfalz gelebt, da wurde dann natürlich noch viel weniger darüber gesprochen. Aber auch selbst von vielen Münchnern hab ich gehört, dass sie noch nie wirklich sich damit auseinander gesetzt haben, was hier passiert ist.

Pamela Tumba: Ja. Also, ich bin ja hier in München zur Schule gegangen und dieses Attentat wurde kein einziges Mal erwähnt, was rückblickend schon ziemlich, ja, schlimm ist, muss man eigentlich auch sagen, dass man da so im Dunkeln bleibt. Und…ja, ich würd sagen wir schauen uns einfach mal die Gedenkstätte kurz an und dann können wir ja nochmal drüber reden, was man vielleicht einfach auch nochmal hätte besser machen können. Im Film kamen ja auch einige Punkte zur Sprache.

Markus Hensel: Genau. Also, ich glaub ich bin jetzt nicht die Person, die entscheiden kann, was man hier besser machen hätte können. Ich kann nur wiedergeben, was die…vor allem auch die Überlebenden kritisiert haben. Weil, ich mein, wenn du hier vorne stehst, was siehst du? Du siehst hier eine Stele. Rundum siehst du eine Metallwand, in der Splitterlöcher drin sind. Und auf der Stele steht „Zum Gedenken an die Opfer des Bombenanschlags vom 26.09.1980“. Und auf beiden Seiten stehen dann noch die Namen der Opfer. Das heißt, du weißt hier ist was Schlimmes passiert, aber was passiert ist, das erkennst du nicht. Das heißt, der Kontext fehlt. Und das ist halt schon ein Problem.

(Stimmen im Hintergrund)

Markus Hensel: Jetzt stehen wir glaube ich hier dem Herrn Minister im Weg…

(Beide lachen)

Pamela Tumba: Wir müssen grad ein bisschen zur Seite. (lacht)

Markus Hensel: Und ich muss sagen, ich hab ja viel Zeit hier verbracht, als ich das gedreht hab, meine Kamera auf das…auf die Stele gerichtet. Und hab auch so ein bisschen die Leute beobachtet, die hier vorbeigegangen sind. Die meisten gehen einfach vorbei, gucken sich das Mahnmal gar nicht an. Und die Leute, die stehen bleiben, die das lesen, bleiben kurz stehen, sind betroffen, gucken sich, wenn sie in ‘ner Gruppe sind, fragend an: „Was ist hier passiert?“. Aber diese Frage können sie nicht beantworten, denn sie sehen hier nur: es ist ein Anschlag passiert, es sind 12 Menschen gestorben. Aber was die Hintergründe waren, dass die Tat rechtsmotiviert war, das kann man hier gar nicht erkennen.

Pamela Tumba: Also, im Film haben wir ja auch gesehen, dass Betroffene zu Wort gekommen sind, Überlebende des Anschlags, unter anderem Hans Rohauer. Und wir haben gesehen, wie er das erste Mal seit sehr, sehr langer Zeit wieder hier am Tatort war. Hier an dieser Gedenkstelle. Wie war das?

Markus Hensel: Das war für mich auch ein sehr emotionaler Moment. Wir haben Hans hier erstmal getroffen, haben uns zusammen in ein Café gesetzt, haben mit ihm kurz gequatscht, was wir machen, was wir vorhaben. Da war er wirklich noch gut drauf. Und dann haben wir uns sozusagen an den Punkt begonnen, wo wir angefangen haben zu drehen. Das war ein paar Meter entfernt vom Mahnmal, so ein ähnlicher Weg, den wir eben auch gerade gelaufen sind. Und du hast gemerkt, wirklich dann mit jedem Schritt, den er auf das Mahnmal zugelaufen ist, ist seine Stimme zittriger geworden. Und man merkte förmlich, wie so ein innerer Film in seinem Kopf ablief, was er auch gesagt hat. Also, die Ereignisse kamen plötzlich wieder zurück und er hat das dann wirklich auch hier am Mahnmal nochmal geschildert, wie er das wahrgenommen hat, was dann passiert ist. Und da hast du halt wirklich gemerkt, dass selbst 40 Jahre nachdem was…, sowas passiert, jemand der das erlebt hat, wirklich das immer noch total stark spürt und total traumatisiert davon sein kann. Also, dass das dich dein ganzes Leben begleiten kann, was an diesem einen Tag passiert ist.

Pamela Tumba: Ja. Traumatisierung war ja auch ein Thema, das im Film angesprochen wurde. War es denn schwierig für euch jetzt als Filmteam gewesen an diese Menschen heran zu treten?

Markus Hensel: Es war auf jeden Fall ‘ne Herausforderung. Wir hatten dort Unterstützung bekommen. Die DGB-Jugend München, die, ja, das Gedenken organisiert, hat auch gute Kontakte zur Stadt, mit der sie mittlerweile kooperiert und auch zusammen das Gedenken organisiert. Und bei der Stadt gibt es eine Gruppe von Überlebenden, die haben auch hier zusammen mit den neuen Dokumentationsort entworfen. Und über diese Gruppe kam dann eben der Kontakt zu Hans und Renate zustande, die sich dann bereit erklärt haben bei uns im Film mitzumachen. Das heißt, Leute zu finden, die Protagonist/-innen in unserem Film sein wollen, war nicht so schwierig. Was die große Herausforderung war für mich, war wirklich auch: wie kann man mit ihnen sprechen. Und auch rauszufinden, was möchten sie erzählen, was möchten sie auch nicht erzählen. Weil als Filmemacher möchtest du natürlich auch, dass Menschen über das erzählen, was sie bewegt. Aber was wir auf jeden Fall vermeiden wollten, war irgendwie alte Wunden aufzureißen. Deswegen musste man das erstmal ausloten. Wir haben dann Vorgespräche geführt und dann festgestellt, dass Hans und Renate beide sehr starke Persönlichkeiten sind, die auch bereit waren mit uns zu reden und sehr viel zu teilen, worüber wir glaube ich alle noch sehr dankbar sind.