Radio Augsburg Cappuccino
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Moderatorin: Mehr Sonntag mehr Zeit für gute Gespräche. Radio Augsburg Cappuccino, die erste Kerze am Adventskranz brennt heute, es ist der erste Adventssonntag und Michael Gastl ist heute mein Gast in unserem Sonntagstalk. Er ist ständiger Diakon in Kühlbach und gleichzeitig ist er Kripobeamter beim Kriminaldauerdienst in Ingolstadt. Herr Gastl, das ist ja wirklich eine Kombi die nicht alltäglich ist. Umso spannender ist es natürlich ihre Geschichte zu hören, sie haben schon ein bisschen was erzählt. Sie sind seit fast 40 Jahren Polizist, also das war ihre erste Berufung kann man sagen, weil sie machen das ja nicht nur als Beruf sondern tatsächlich auch als Berufung.
Gast: Absolut richtig, also ich meine ich bin jetzt 56 und wie sie schon angesprochen haben sehr lange schon dabei aber ich möchte nichts anderes machen und ich bereue auch keinen einzigen Tag und es ist wie in jedem Beruf dass es aufwärts und abwärts geht aber ich es gibt für mich keinen Beruf in dem ich meine meine Fähigkeiten die mir geschenkt waren sind so gut einbringen kann und indem ich ja so viel mit dem was mir wichtig ist auch umsetzen und verbinden kann als wie bei der Polizei und deswegen bin ich sehr dankbar dafür dass ich diesen Beruf ergreifen konnte und die zweite Berufung, also die zum ständigen Diakon, die kam dann deutlich später.
Moderatorin: Wie das damals war wie kam dann diese Idee auf ständiger Diakon zu werden? Weil sie haben sich eine Zeit lang gar nicht mehr so intensiv mit Glaube beschäftigt.
Gast: Also eigentlich habe ich mir eher so von Glauben sogar entfernt gehabt. Ich habe alles in Frage gestellt und habe überlegt was überhaupt Sinn macht, was nicht Sinn macht. Was mir dabei immer geholfen hat war meine Frau die schon sehr in der katholischen Kirche verankert ist und im Glauben verankert ist genauso wie meine Schwiegereltern und dann hat man natürlich Kinder ja. Zwei Töchter, die mittlerweile erwachsen sind und eine meiner Töchter, die älteste Tochter, hat den Weg gefunden so wie damals auch meine Frau. Über neuen Weg ist die Zeitung von der Mädchen Gemeinschaft bis zu Augsburg die hauptsächlich im Pfronten ist und da habe ich sie immer hingefahren und dann stand ich da an diesem Schriftenstand beim Abholen beim Warten und dann habe ich was gelesen über Liturgie im Fernkurs, da dachte ich mir Liturgie was ist das und lese mir das durch und dann stehen da genau die Felder drinnen, die mich interessieren, nämlich was mache ich überhaupt in der Kirche wenn ich ein Kreuz mache, was mache ich überhaupt mit Weihwasser, was bedeutend ist
Moderatorin: In meiner Recherche über sie da habe ich auch gelesen dass es ein trauriges Ereignis auch in ihrem Leben gegeben hat, dass sie dann wirklich näher auch wieder zur Kirche zum Glauben herangeführt hat. Möchten sie darüber reden?
Gast: Es ist so ich habe meine Frau Gott sei Dank sehr früh kennengelernt, sie war meine erste große Liebe mit 16 und wir haben dann mit 21 geheiratet und wir wollten dann Kinder haben und das hat lange nicht funktioniert. Sieben Jahre und plötzlich war meine frau schwanger und zwar mit Zwillingsmädchen, die Anna und die Maria, und das war 1997 und dann im April ist zuerst, das war eine eineiige Zwillinge, ist dann in der 28. Woche zuerst die Maria abgestorben und dann anschließend gleich die Anna, die dann eine ganz normale Entbindung hier in Augsburg im Klinikum gemacht hat und ja wie soll ich sagen entweder zerbrichst du an sowas und verlierst total den Glauben oder du spürst, dass du gehalten wirst und jetzt im Nachlauf muss ich sagen ich bin mit meiner Frau gehalten worden von Gott und das hat mich dann wahrscheinlich auf diesen Weg gebracht ja.
Moderatorin: 2019 sind Sie vom Weihbischof Anton Losinger zum Ständigen Diakon geweiht worden. Heißt, Sie dürfen jetzt Kinder taufen, Sie dürfen Menschen trauen, Sie dürfen Beerdigungen zelebrieren. War das dieser Moment, der Weih zum Ständigen Diakon, war das so ein Moment, wo Sie gesagt haben, jetzt bin ich tatsächlich in beiden Berufungen da angekommen, wo Gott mich haben wollte?
Gast: Also die Weihe war ein ganz besonderer Moment für mich und insbesondere der Weihspruch, beziehungsweise das Übergeben des Evangeliums an mich, das ist so eine Zeichenhandlung. Und diese Einleitung, Gott hat dich berufen, den Menschen zu dienen und das Reich Gottes zu verkünden. Und das ist irgendwas, das ist total in mich reingegangen und was auch eine lange Zeit war, aber dann kann man vielleicht später noch fragen, wenn es um meine geliebteste Bibelstelle geht. Und darum frage ich das jetzt an der Stelle nicht, weil die hängt nämlich auch mit der Weihe zusammen.
Moderatorin: Sehr schön. Aber gleich wollen wir auch noch mehr über Ihren Brotberuf, über den als Polizist, als Kripobeamter sprechen. In wenigen Minuten geht's weiter.
Augsburg. Cappuccino. Zeit für Menschen und ihre Geschichte. Der Sonntagstalk.
Moderatorin: Taufen, Hochzeiten, Seelsorge auf der einen Seite, Mord, Sexualdelikte, Gewaltverbrechen auf der anderen Seite. Für meinen heutigen Gast gehört beides zum täglichen Leben, denn er ist ständiger Diakon und gleichzeitig Kripobeamter.
Herr Gastl, Sie sagen, Ihr Beruf als Polizist ist nach wie vor Ihr Traumberuf. Dabei schauen Sie doch wirklich tagtäglich in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Für die allermeisten wäre das wahrscheinlich eher ein Albtraumberuf. Warum ist das für Sie ein Traumberuf?
Gast: Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Ich glaube, dass es deswegen ein Traumberuf ist und auch dieser Bereich, der mir ja vorher völlig fremd war, bis 2015, weil ich feststelle, dass ich das kann. Also wir haben jeden Tag, ich fahre ja selber noch Einsätze mit raus, wir haben jeden Tag wirklich Sterbefälle à la Couleur zum Beispiel und das ist was, wo ich ein Schema bei mir abarbeiten kann, dass mich aber grundsätzlich einmal nicht berührt oder wo ich das trennen kann. Beispiel im Sterbefall, da musst du, wenn du mit den Angehörigen sprichst, das ist eine Katastrophe, wenn sowas passiert ist, da musst du in hohem Maße Empathie zeigen, empfindsam sein und dann, wenn wir uns von den Angehörigen trennen, um unsere andere Arbeit zu machen, zum Beispiel die polizeiliche Leichenschau oder den Tatort anzuschauen, dann klinke ich diese Empathie komplett aus, sondern dann gleiche ich nur noch Fakten ab, was sehe ich und was passt mit dem überein, was mir vorher erzählt wurde oder was ich an Informationen habe. Und ja, das macht mir nichts aus. Also ich kann das trennen, kann Empathie und Gefühl zeigen, kann dann wieder aber Fleisch, Blut, Knochen, um dann, wenn ich zurückgehe zu den Angehörigen, wieder Empathie zu zeigen. Und das muss man trennen können. Wer das nicht kann und das vermischt, der wird in dem Beruf, der kann schon eine Zeit lang arbeiten, aber der wird das nicht lange ohne Schaden machen können.
Moderatorin: Können wir uns das wirklich so vorstellen wie beim Tatort am Sonntagabend? Irgendwo wird eine Leiche gefunden und bei Ihnen klingelt vielleicht auch spätabends das Telefon und Sie müssen dann los zum Tatort? Ist das wirklich so?
Gast: Also es ist so, dass wir alle im Büro, ich bin normalerweise im Tagdienst, bei uns läuft immer das Einsatzleitsystem und da sehen wir jeden Einsatz. Da kommt zum Beispiel eine hilflose Person, taucht hier auf, da ist zunächst eine Rettungsmaßnahme, Reanimation, dann Reanimation wird eingestellt oder eine Person liegt schon länger und ist verwest, als Beispiel. Und dann warten wir ab, bis wir die endgültige Todesbescheinigung, der Tod endgültig von einem leichenschauenden Arzt bescheinigt wurde. In der Zwischenzeit gleichen wir schon die Daten ab, wie es mit dieser Person im Haus war. Wir müssen wissen, sind da Kinder da, sind da noch zehn andere Personen da, um uns auch einsatzmäßig auf das ein bisschen vorzubereiten. Und dann fahren wir da hin und dann ist es so, wie ich bereits erzählt habe.
Moderatorin: Können Sie überhaupt noch zählen, wie viele Leichen Sie in Ihrem Leben schon gesehen haben?
Gast: Nö, also weiß ich nicht, weil wir haben im Jahr bei uns zwischen 450 und 500 Sterbefälle aller Couleur, also angefangen von Suiziden über Leichen oder Sterbefälle, die im Krankenhaus nach einer Operation verstorben sind, auch da werden wir gerufen. Immer wenn ein Ungeklärter oder nicht natürlicher Tod bescheinigt.
Moderatorin: Stumpft man da irgendwann ab oder ist es so, dass es Ihnen auch nahe geht?
Gast: Also ganz ehrlich, nein. Also ich bin nicht betroffen. Ich bin überhaupt nicht betroffen. Was mich betroffen macht eher, das sind die Begleitumstände, also die Angehörigen. Wenn die Frau einfach nicht versteht, warum sich ihr Mann jetzt suizidiert hat, nachdem ja jetzt das Schlimmste von der Krebserkrankung zum Beispiel schon vorbei war, oder die Krebsbehandlung vorbei war, das ist das, wo mich dann eher berührt. Aber rein, das ist wieder meine Berufung in diesem Job.
Also wir machen ja polizeiliche Rechtschau, das heißt, vom Haarwurzel bis runter zu den Fußnägeln, haben unbegleiteten Leichnam. Also jeder Leichnam wird von uns entkleidet, und zwar komplett entkleidet.
Moderatorin: Also so ein bisschen wie bei CSI?
Gast: Ja. Wenn Sie jetzt diesen Moment, wo Sie mit den Angehörigen sprechen, ich kann mir vorstellen, dass da auch so ein bisschen der Diakon in Ihnen dann wieder rauskommt, dass Ihnen das da auch hilft, diese Empathie, dieses Mitgefühl? Ja, also das merke ich, dass sich hier diese zwei Berufungen schon überschneiden. Das ist schon eine Schnittmenge, weil, nochmal, so wie ich es schon eingangs gesagt habe, du musst am Anfang empathisch sein, dann machen wir unsere Arbeit, und dann müssen wir ja den Leuten erklären, was haben wir gesehen, wie geht es jetzt weiter. Und das muss man anbieten, einmal durch den richtigen Verfahrensweg, indem man den erläutert, aber auch manchmal mache ich das, aber nur manchmal, dass ich dann sage, okay, also meine Visitenkarte kriege ich immer, aber dass ich dann sage, wenn Sie im Nachhinein merken, dass Sie noch Fragen haben oder dass es Ihnen nicht gut geht, dann dürfen Sie mich anrufen.
Moderatorin: Und wie Sie dann auch dieses Erlebte verarbeiten, darüber werden wir in wenigen Minuten weitersprechen. In unserem Sonntagstag heute mit Diakon und Kriminalpolizeibeamten Michael Gastl.