40 Jahre Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) – ein guter Grund für eine ganz besondere Runde, für ein Gespräch mit drei BLM-Präsidenten, den zwei letzten und dem aktuellen. Tendenz hat den Talk mit Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Siegfried Schneider und Dr. Thorsten Schmiege, der am 3. April 2025 live in der Landeszentrale vor Gremien und Ehemaligen stattfand, transkribiert.
Interview: Stefanie Reger
Tendenz: Ein Füchschen, eine Detektivin, eine Brezn, ein Megaphone oder ein Siegerpokal: Wenn die BLM ein Emoji wäre – welches personifiziert die BLM für Sie am besten und warum?
Dr. Thorsten Schmiege: Ganz klar, die bayerische Brezn! Denn ich bin davon überzeugt: das Bayerische, die bayerischen Sender, gehören unbedingt zur DNA der BLM.
Herr Schneider, welches Emoji wählen Sie?
Siegfried Schneider: Also ich nehme das, was die BLM nicht sein soll: Nämlich eine Detektivin, die überall versucht, den noch so kleinsten Verstoß herauszufinden. Da verlieren wir doch den Blick aufs große Ganze.
Und Sie, Herr Prof. Ring?
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring: Natürlich den Sieger-Pokal. Die BLM war und ist für mich die Nummer eins unter den Medienanstalten.
Lassen Sie uns über Ihre Aufbauarbeit für die BLM sprechen: Sie waren ja von Beginn an seit 1985 dabei und ab 1990 dann 21 Jahre lang BLM-Präsident. Zunächst musste ja das duale Rundfunksystem erst entstehen. Was war damals für Sie die Motivation, BLM-Präsident zu werden?
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring: Das Chaos damals, was da los war im Landtag, in den Ausschüssen, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen: Überall aufgeheizte, negativ aufgeladene Diskussionen, nein, Streitigkeiten über den geplanten Start des Privatfunks. Immer schoss damals der Bayerische Rundfunk dagegen, mit seinem unglaublichen Einfluss. Und eine Bürgerinitiative mit Sprüchen wie „Kein Kommerz für die Weltstadt mit Herz“… In dieser Gemengelage ein duales System aufzubauen, das mehr Vielfalt bringt – das war meine Motivation in der BLM. Am 1. April 1984 saßen wir mit wenigen Mitarbeitern auf einem geliehenen Schreibtisch. Wir waren in Aufbruchsstimmung und wollten wirklich etwas verändern.
Was war die größte Herausforderung Ihrer Amtszeit?
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring: Für mich war von Anfang an eine gute finanzielle Ausstattung der BLM zentral. Das war und ist die Voraussetzung, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen, Kompetenz aufzubauen. Ohne eine funktionierende BLM wären die privaten Sender nicht auf den Weg gebracht worden. Zu Beginn haben wir deshalb zehn Millionen Mark Schulden gemacht. Der Verwaltungsrat war ganz nervös und es wurden Stimmen lauter, die sich für Zuschüsse vom Staat aussprachen. Doch das habe ich immer abgelehnt, weil der Staat dann mit am Tisch sitzt. Also haben wir mit Schulden weitergemacht. Und dann haben der damalige Staatssekretär Stoiber und die Staatskanzlei im Konzert der Länder durchgesetzt, dass damals zwei Prozent aus dem Rundfunkbeitrag zur Finanzierung der Landesmedienanstalten beschlossen wurden. Ursprünglich hatten sich die Länder im Vorfeld für die Landesmedienanstalten auf ein Prozent an der Rundfunkgebühr verständigt, aber ich sagte Stoiber am Vorabend, mit einem Prozent werden wir nicht über die Runden kommen. Und dann konnten wir die zehn Millionen zurückzahlen.
Herr Schneider, Sie wurden 2011 BLM-Präsident. Das waren etwas ruhigere Zeiten. Die private Rundfunklandschaft war schon aufgebaut in Bayern. Es gab Internet und Social Media, aber die Plattformen waren noch nicht ganz so mächtig wie heute. Was war für Sie der Grund zu sagen: Ich verlasse jetzt die Politik und werde BLM-Präsident…?
Siegfried Schneider: In der Zeit damals nahm die Digitalisierung Anlauf. Ich erinnere mich, wie ich damals in einer der ersten Besprechungen gefragt habe, was wir eigentlich bei den neuen Medien machen, schließlich heißt es ja Bayerische Landeszentrale für neue Medien… Doch da war ein großes Schweigen. Also haben wir begonnen, uns mit digitalen Medien zu beschäftigen. Die Medien.Bayern ist entstanden, das Media Lab und das Mediennetzwerk Bayern sind gegründet, die Medientage München und die Lokalrundfunktage zusammengeführt worden, und wir haben uns verstärkt um Gamesförderung gekümmert. Und, was mir ebenfalls ein großes Anliegen war: Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Medienpädagogik als Aufgabe der BLM ins Bayerische Mediengesetz kommt. Kurz gesagt: Als Minister konnte ich Beschlüsse fassen. Als BLM-Präsident konnte ich zehn Jahre lang an deren Umsetzung mitwirken – das macht froh.
Und das größte Hindernis in diesen zehn Jahren?
Siegfried Schneider: Natürlich die Corona-Krise. Hier war letztlich die Frage, ob die Sender überhaupt noch senden können? Und am Ende des Tages konnten wir nicht – wie Prof. Ring seinerzeit – auf Geld vom Freistaat verzichten. Ohne die Corona-Hilfspakete, die wir damals geschnürt haben, hätten wir keine Rundfunklandschaft mehr in Bayern gehabt.
Herr Dr. Schmiege, Sie haben im Oktober 2021 den Staffelstab übernommen. Die Branche stand unter Druck – wegen Corona und der globalen Streaming-Konkurrenz. Warum wollten Sie den Job trotzdem machen?
Dr. Thorsten Schmiege: Schon seit 2017 war ich ja in der Bayerischen Staatskanzlei mit Medien beschäftigt. Was passiert im Internet? Kann man große amerikanische Plattformen regulieren? Welche Parameter braucht es für die Aufsicht in der digitalen Medienwelt? Das waren unglaublich spannende Fragen, mit denen wir uns im Vorfeld des Medienstaatsvertrags, der 2019 ausverhandelt wurde und 2020 in Kraft getreten ist, beschäftigt haben. Und dann kam die Chance, diese neuen Regelungen anzugehen und umzusetzen – erst als Geschäftsführer und jetzt als Präsident der Landeszentrale. Das hat mich gereizt, da geht es mir ähnlich wie Herrn Schneider.
Ist nicht gerade die Online-Aufsicht eine undankbare Sisyphus-Arbeit?
Dr. Thorsten Schmiege: Da darf man sich nicht verschrecken lassen. Natürlich hören wir oft, dass das alles gar nichts bringt. Aber wir beweisen das Gegenteil: So haben wir gerade wieder einen Jugend- und Nutzerschutzbericht vorgelegt, in dem wir eindrucksvoll illustrieren, wie wir alle Hebel in Bewegung setzen, um gegen Hass und Hetze und andere ganz furchtbare strafbare Inhalte im Netz vorgehen. Und das Schöne daran ist, es wirkt. Die Plattformen nehmen uns ernst – auch wenn es natürlich erstmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber man muss nun mal den ersten Schritt gehen. Und wenn es der richtige Weg ist, dann kann man auch weitergehen. Genau das haben wir vor.
Lassen Sie uns in die Zukunft schauen. Warum braucht es in den nächsten 40 Jahren noch eine Medienanstalt wie die BLM?
Dr. Thorsten Schmiege: Weil für mich die BLM so etwas wie die Versicherung für die lokalen Medien ist. Ich glaube, wenn es keine BLM gibt, dann wird es für lokale Medien noch schwerer. Deshalb möchte ich die Frage lieber anders herum beantworten: Warum braucht es lokale Medien und deswegen auch eine BLM, die sie fördert und unterstützt? Meine Überzeugung ist: Es braucht unbedingt viele unabhängige, möglichst auch lokale Medien. Wir als BLM tun deshalb - mit Unterstützung des Freistaats Bayern - alles dafür, dass sich die vielfältige lokale Rundfunklandschaft für die Zukunft bestmöglich aufstellt. Die vielen, vielen kleinen Sender alleine würden das nicht schaffen. Aber was wäre das dann für eine Demokratie, wenn am Ende nur noch die großen Plattformen blieben, die dann gegebenenfalls mit KI die Nachrichten generieren, vielleicht sogar unter dem Einfluss von anderen Regierungen?
Herr Prof. Ring, wie sehen Sie die Zukunft der lokalen Sender hier in Bayern und die Zukunft der BLM?
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring: Also ich finde, wir brauchen die BLM auch als Aufsicht im Sinne eines staatsfernen Inhaltes. Mir fällt in der aktuellen Diskussion um Fake News zunehmend auf, dass die Prinzipien der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt fast ein Stück weit vernachlässigt werden. Für die Landeszentrale heißt das: Zum einen haben wir die Einhaltung anerkannter journalistischer Grundsätze zu überwachen. Andererseits wollen und müssen wir die Meinungsfreiheit fördern – was auch bedeuten kann, von der Mehrheitsmeinung stark abweichende Haltungen zu tolerieren. Das kann und darf nur eine staatsferne Aufsicht wie die BLM leisten. Denn wir sind der Allgemeinheit und nicht einer bestimmten Regierung oder privatwirtschaftlichen Interessen verpflichtet.
Herr Schneider, was ist für Sie das wichtigste To-Do für die nächsten 40 Jahre?
Siegfried Schneider: Wie kann man die lokale Struktur der Medien in einem Land erhalten? Das ist aus meiner Sicht eine äußerst wichtige Frage, da bin ich ganz bei Herrn Dr. Schmiege. Wir wissen aus vielen Studien: Das Vertrauen der Menschen in lokale Medien ist groß. Und wir wissen auch: Dort, wo es keine oder kaum mehr lokale Medien gibt, sinkt das Vertrauen in die Demokratie. Deshalb müssen wir lokale Medien erhalten und stärken. Doch eine Refinanzierung für lokale Medien auf dem Markt wird aus meiner Sicht auf Dauer so nicht mehr möglich sein. Deshalb müssen wir eine gesellschaftliche Diskussion führen: Wollen wir lokale Medien? Und wenn ja, wie will man sie finanzieren? Ich meine, da muss man auch strukturell herangehen. Das ist eine zentrale Aufgabe der BLM für die Zukunft.
Wir können leider nicht alle Herausforderungen der Zukunft besprechen. Aber über Künstliche Intelligenz müssen wir reden. Zum 25. BLM-Jubiläum dachten wir, das Internet hätte die Medien rasend schnell gewandelt. Doch jetzt ist KI da und wir wissen, was rasend schnell wirklich bedeutet. Europa hat mit dem AI-Act erste Leitplanken in der Regulierung gesetzt. Den einen sind sie zu hart, den anderen zu weich. Was zeichnet für Sie eine smarte KI-Regulierung aus?
Dr. Thorsten Schmiege: Von einer Amerika-Reise kürzlich habe ich eine gute Nachricht mitgenommen: Die Erkenntnis, dass es gerade für Künstliche Intelligenz Leitplanken geben muss, ist auch in den USA überraschend weit verbreitet. Aber – und das ist die schlechte Nachricht: Während wir in Europa zaudern und Risiken im AI-Act analysieren, werden in der Bay Area Fakten geschaffen. Neben dieser unheimlichen Energie und auch ausgeprägten Risikobereitschaft sind es vor allem die hervorragenden Rahmenbedingungen für Venture Capital, die auch deutsche Start-Ups locken. Daran sollten wir uns stärker orientieren. Und deshalb müssen wir – auch wenn es abgedroschen klingt – vor allem die Chancen der KI im Blick haben. Smarte Regulierung heißt für mich, dass wir uns auf die Monopolstrukturen der globalen Player fokussieren müssen. Sie werden ja durch KI ungleich verstärkt, weil es einfach eine sehr teure Technologie ist, die dahintersteckt.
Herr Schneider, Herr Prof. Ring, was meinen Sie, lässt sich KI überhaupt regulieren?
Siegfried Schneider: Mehr ermöglichen, weniger regulieren – das ist aus meiner Sicht aktuell die Herausforderung in Sachen Künstlicher Intelligenz. Wir müssen zunächst einmal unseren Forschern, unseren Startups die Chance geben, mit KI etwas zu entwickeln. Ansonsten werden aus fünf Big Tech bald zwei Big Tech. Erst in einem zweiten Schritt sollte es darum gehen, negative Auswüchse einzudämmen und Gutes zu befördern.
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring: Dem stimme ich ausdrücklich zu. Wir müssen die Chancen der Künstlichen Intelligenz im Auge haben – und vor allem auch eine gesellschaftliche Debatte dazu führen, die diese Chancen darstellt.
Wir werden dieses Thema heute sicher nicht zum letzten Mal diskutieren. Doch jetzt noch eine Frage mit Fokus auf die DNA der BLM: #BayernLiebtMedien – das ist der Titel einer neuen BLM-Social Media-Kampagne anlässlich 40 Jahre BLM. Deshalb zum Abschluss: Warum lieben Sie die bayerische Lokalrundfunkbranche?
Dr. Thorsten Schmiege: …weil sie relevant ist, relevant für unsere Demokratie, dank ihrer Berichterstattung auf Augenhöhe, von Mensch zu Mensch, über die Themen vor der Haustür.
Siegfried Schneider: …weil im bayerischen Lokalfunk gut ausgebildete junge Talente arbeiten, die mit Engagement und Emotion einen tollen Job machen.
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring: …weil mich die Begeisterung für neue Ideen, für andere Inhalte, für spannende Innovationen in den lokalen Sendern schon immer fasziniert hat. Deshalb ist die bayerische Lokalrundfunkbranche aus der Medienlandschaft nicht wegzudenken. Und das soll auch so bleiben.
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