Es ist jetzt etwa zwei Jahre her, dass die Krautreporter verkündeten, der Online-Journalismus sei kaputt. Seitdem ist viel geschehen. Das Crowdfunding-Projekt Krautreporter existiert noch immer, auch wenn die großen Erwartungen vieler Unterstützer von einst ein wenig enttäuscht wurden. Inzwischen ist mit Perspective Daily ein weiteres schwarmfinanziertes Projekt an den Start gegangen. Geboten werden soll konstruktiver Online-Journalismus. Das Internet stellt also nicht den Journalismus in Frage, sondern dessen Geschäftsmodelle. Nicht der Journalismus ist kaputt, sondern allenfalls dessen Finanzierung: Weil der Anteil von Paid Content an den Vertriebserlösen deutscher Zeitungen im einstelligen Prozentbereich liegt, braucht digitaler Journalismus im Internet neue Einnahmequellen.
Das Internet verändert die Art, in der Journalisten recherchieren und Inhalte präsentieren. Zugleich treten mit Facebook und Google neue Akteure auf den Plan. Diese sogenannten Intermediäre entscheiden mit Diensten wie Instant Articles oder Suchalgorithmen zunehmend darüber, welche journalistischen Inhalte im Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie von Nutzern gefunden werden. Kritiker warnen bereits vor einer Deinstitutionalisierung des Journalismus. Diese könnte entstehen, wenn künftig Newsfeeds aufgrund von Big-Data-Maschinen darüber entscheiden, welche Nachrichten von uns wahrgenommen werden. Umso wichtiger ist es, dass sich die klassischen Medienmarken im Internet unverzichtbar machen: mit Qualitätsjournalismus und Glaubwürdigkeit, mit intelligenten Inhalten und nachhaltiger Publizistik – und mit modernen Produkten. Von der Idee zur Innovation ist es dabei oft ein weiter Weg.
Mit unserer Mediennutzung ändert sich auch die Art, in der wir Medieninhalte (digital) wahrnehmen. Smartphones, Tablets und vielleicht bald auch Wearables sind universelle Medienschnittstellen und Plattformen für Neuigkeiten aller Art. Dabei droht Journalismus im Strudel der Informationen zuweilen unterzugehen. Deshalb sind moderne Präsentationskonzepte gefragt. Wir werfen in diesem Heft einen Blick auf neue Formen von Journalismus und Mediennutzung, stellen den Markt für News-Apps vor, bieten einen Überblick über Media Labs und gehen der Frage nach, wie Innovationen entstehen. Ein chinesisches Sprichwort lautet: Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern. In diesem Sinne wünsche ich mir konstruktiven Journalismus, also viele digitale Windmühlen.
IHR SIEGFRIED SCHNEIDER
Tendenz
Das Magazin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien