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Sauber gedreht
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Sauber gedreht

Film- und TV-Produktionen wollen nicht länger als Klimakiller gesehen werden. Die deutsche Kreativwirtschaft strebt deshalb ein sauberes Image an. Wie der Umweltschutz beim Film gelingen kann.

Text Lisa Priller-Gebhardt

Das Thema Nachhaltigkeit wird nicht erst seit Greta Thunberg intensiv diskutiert. Das Fernsehen zeigt Bilder von Plastikmüll im Meer, von zerstörten Regenwäldern in Südamerika oder von Landstrichen, die als Folge des Klimawandels vom Feuer vernichtet werden. Es wird Zeit, dass die Medienindustrie das nicht nur vor der Kamera thematisiert, sondern auch bei der Herstellung bewegter Bilder auf den Umweltschutz und die Klimabilanz achtet.

Es lässt sich nicht wegdiskutieren: Die Filmindustrie ist einer der größten CO₂-Emittenten in Deutschland. Das belegen Zahlen der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG): Demnach verbraucht eine Kinoproduktion, die herkömmlich hergestellt wird, in etwa 130-150 Tonnen CO₂. Für jede Tonne Kohlendioxid, die irgendwo auf der Erde freigesetzt wird, schrumpft laut dem Wissensmagazin scinexx das sommerliche Meereis um drei Quadratmeter, wie Forscher nachgewiesen haben.

Wendet man ökologische Maßnahmen an, lassen sich bei der Film- und Fernsehproduktion bis zu 40 Prozent einsparen. Ein ökologisch hergestellter TV-Film emittiert 60 bis 80 Tonnen CO₂. Wer wissen will, wie es um die eigene Produktion steht, kann den von der MFG entwickelten CO2-Rechner nutzen.

Gut für die Klimabilanz

Inzwischen findet am Set ein Umdenken statt. Vielerorts wird Mehrweggeschirr genutzt, auf den Einsatz gewaltiger Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung verzichtet, genauso wie auf eine wahre Papierflut in den Produktionsbüros. Vorbei sind die Zeiten, bei denen beim Dreh eines Movies tausende Plastikbecher im Müll landeten, ungefilterte Dieselgeneratoren wummerten sowie Auto- und Flugreisen des Teams hunderte Tonnen CO₂ in die Luft schleuderten.

Es geht auch anders: Heute wird häufig energiesparende LED-Lichttechnik am Set eingesetzt und Ökostrom genutzt. Am Drehort stehen Fahrräder zur Verfügung und Requisiten werden vom Flohmarkt besorgt. Außerdem achten die Produktionsfirmen gezielt darauf, lokale Crews zu beschäftigen. Das Gute dabei: Mit klimafreundlichem Produzieren lassen sich nicht nur Ressourcen, sondern auch Kosten sparen.

Konkrete Zahlen liegen zwar nicht vor, doch es ist unbestritten, dass sich große Posten wie Energie, Treibstoff, Müll und Catering durch einfache Schritte reduzieren lassen. Wer also beispielsweise lokale Crews beschäftigt, spart sich nicht nur die Kosten für die Unterbringung, sondern auch für die Fahrten oder Flüge der Mitarbeitenden zum Drehort. Was moderne Technologien und Tools angeht: Die  Anschaffung fällt zwar zunächst finanziell ins Gewicht, auf lange Sicht zahlen sich die Investitionen aber meist aus.

Geiselgasteig: erster klimaneutraler Produktionsstandort in Europa

Einer der Vorreiter in Sachen „grüner Drehen“ ist die Bavaria Film. Das Ziel, klimaneutral zu produzieren, hat sich das Kreativunternehmen schon vor vielen Jahren auf die Agenda geschrieben. Der Medienstandort Geiselgasteig gilt als der erste klimaneutrale Produktionsstandort in Europa. Es wurde viel getan in den letzten Jahren, um den ökologischen Fußabdruck um 98,5 Prozent zu verringern.

Wie das gelang? Eingeläutet hat die Bavaria Film die Energiewende bereits 2012 – die Wärmeversorgung wurde von Gas auf Tiefen-Geothermie umgestellt. Der Strom, der verbraucht wird, speist sich zu 100 Prozent aus Ökostrom. Im Gebäudebetrieb setzen die Techniker auf zeitgemäße Gebäude- und Lichtausstattung. Die konventionellen Leuchtmittel wurden Schritt für Schritt auf LED- Technik umgerüstet. Alle übrigen Emissionen gleicht die Bavaria Film unter anderem mit der Unterstützung für internationale und nationale Wiederaufforstungsprojekte aus.

Doch das Thema ist nicht nur bei den Produktionsfirmen angekommen, auch die Sender engagieren sich für nachhaltiges Produzieren. So hat ProSiebenSat.1 das Projekt „Sauber gedreht“ aufgesetzt. Das Ziel: die Reduktion von CO₂-Emissionen, den Schutz natürlicher Ressourcen, die Vermeidung von umweltschädlichen Substanzen sowie die Reduktion von Plastik und Müll in allen Produktionen schrittweise zu verbessern. Das Pilotprojekt wurde im Januar 2020 für die kommenden Produktionen der Sendergruppe ausgerollt und umfasst insgesamt 14 Maßnahmen. Unter anderem finden sich darin Empfehlungen zur Mülltrennung, zur Materialverwendung für den Kulissenbau sowie ein Verbot von Einweggeschirr und -flaschen aus Plastik (vgl. auch Interview S. 20-22).

Green Production – für die TV-Sender auch eine Frage der Haltung

Auch bei der Mediengruppe RTL, die seit 2019 dem bundesweiten Arbeitskreis „Green Shooting“ angehört, wird das Thema nun intensiver angegangen.  Dafür wurden unlängst mit dem hausinternen Green Production Board ressourcenschonende und C02-einsparende Mindeststandards festgelegt, die seit Juni 2021 für Inhouse- und Auftragsproduktionen gelten.

Das größere Ziel dahinter: Bis 2030 will die Mediengruppe zusammen mit dem Mutterkonzern Bertelsmann ein klimaneutrales Unternehmen sein. „Gemeinsam mit unseren Vertragspartnern verfolgen wir als Teil von Bertelsmann das Ziel, alle Arten der Produktion so umwelt- und klimaverträglich wie möglich zu machen und so gemeinsam unserer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Green Productions sind für uns ein langfristiges Bekenntnis und auch eine Frage der Haltung“, sagt Julia Reuter, Geschäftsführerin Strategie, Personal & Kultur der Mediengruppe RTL Deutschland.

Wichtige Signale zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks kommen auch aus dem bundesweiten Arbeitskreis „Green Shooting“. Er setzt sich mit TV-Sendern, Produktionsfirmen, Filmförderungen und Verbänden für mehr Klima- und Umweltschutz bei der Film- und TV-Produktion ein. „Durch die Selbstverpflichtung zu 100 ökologisch nachhaltigen Produktionen ist eine wirksame und messbare Verringerung der CO₂-Emissionen der Film- und TV-Branche zu erwarten“, sagt Green-Shooting-Chef Carl Bergengruen.

Zu diesen nachhaltigen Produktionen gehören zum Beispiel Daily Soaps wie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ oder „Sturm der Liebe“, Serien wie „Soko Stuttgart“, „Bettys Diagnose“ oder „Ich und die anderen“ sowie 20 Tatort- und Polizeiruf-Folgen. „Ziel ist es auch herauszufinden, was noch nicht funktioniert und welche Maßnahmen zur noch weitergehenden CO₂-Reduzierung entwickelt werden müssen“, so der Geschäftsführer, der auch die MFG leitet.

Zertifikatspläne: die nächste Klappe für Nachhaltigkeit

Um Tempo in das Thema zu bringen, soll in Zukunft die Vergabe von Filmfördermitteln auch an die Einhaltung von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen geknüpft werden. Als ersten Schritt plant Dr. Monika Grütters, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, in Zusammenarbeit mit der Filmförderungsanstalt (FFA) ein bundesweites freiwilliges Zertifikat für besonders nachhaltige audiovisuelle Produktionen einzuführen. Das wurde im Mai dieses Jahres bekanntgegeben. Bis es allerdings so weit ist, kann es noch dauern.

Ein solcher Nachhaltigkeits-Check ist ein komplexes Thema, bei dem viele verschiedene Stellen eingebunden sind. Mit der Erarbeitung des freiwilligen Zertifikats und der Mindeststandards ist das Institut Ökopol beauftragt. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein sowie die MFG Baden-Württemberg sind ebenfalls mit von der Partie. Die praktische Erprobung der Nachhaltigkeitskriterien erfolgt im Rahmen eines Reallabors, das von Ökopol und KlimAktiv wissenschaftlich begleitet und anschließend auch ausgewertet wird.

Im Zentrum stehen dabei die Kriterien, die als Grundlage für die förderrechtlich verbindlichen ökologischen Mindeststandards dienen werden. Das klingt alles recht kompliziert und das ist es auch. Schließlich geht es darum, verschiedene Herstellungsbedingungen im Reallabor abzubilden, um überhaupt eine repräsentative Überprüfung der Nachhaltigkeitskriterien zu ermöglichen. Und zwar über sämtliche Phasen der Produktion hinweg – von der Planung bis zur Postproduktion. Zusätzlich sollen auch die Erkenntnisse aus der Initiative „Green Shooting“ einfließen.

Fachkräfte gesucht – Weiterbildung zum Green Consultant

Bei allem Engagement: Damit bei den Filmproduktionen alle geplanten Maßnahmen sinnvoll umgesetzt werden können, braucht es auch das entsprechende Personal, das auf die Einhaltung ökologischer Maßnahmen achtet. Deshalb bietet beispielsweise die IHK München in Kooperation mit dem FilmFernsehfondsBayern und Philip Gassmann die Weiterbildung zu Green Consultants an. Das Schulungsangebot wird intern sowie an alle Produzentenpartner ausgesprochen. Inzwischen haben bereits einige Teammitglieder namhafter Produktionsfirmen die Green Consultant-Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Der Anfang, einen Beitrag zum Schutz der Erde zu leisten, ist also auch hier gemacht.


Illustration: rosepistola.de
Foto: Staatsministerium für Kultur und Medien

Bild Lisa Priller_Gehardt
Lisa Priller-Gebhardt schreibt für Fachmagazine wie Werben & Verkaufen und Zeitungen über die deutsche Medienlandschaft. Themenschwerpunkte der freien Journalistin sind Fernsehen, Digitalwirtschaft sowie Printmedien.
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