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"Leuchtturm im Nebel unseriöser Informationen"
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"Leuchtturm im Nebel unseriöser Informationen"

Als Gründer mehrerer Digitalfirmen, Verlagsmanager und Leistungs­sportler weiß Andreas Arntzen, was es bedeutet, unternehmerische und journalistische Verantwortung zu übernehmen. Das Credo des Medientage-München-Speakers. Die redaktionelle Unabhängigkeit und die Qualität der Inhalte müsse im Gesundheitsbereich über allem stehen, denn dort gelte die „Null Fehler-Toleranz“.

Interview Bettina Pregel

Tendenz: Hockey-Nationalspieler, Gründer von Online-Plattformen und Geschäftsführer verschiedener Verlagshäuser: Was hat Sie in Ihrer Sport- und Berufslaufbahn vor allem angetrieben?

Andreas Arntzen: Neugierde, positives Denken und Wille. Es macht enorm viel Spaß, einen Status zu erfassen, zu hinterfragen und ihn dann mit den sich stetig verändernden Möglichkeiten zu verbessern. Dies gilt sowohl für den Sport als auch für Unternehmertum.

Verantwortung zu übernehmen: Was bedeutet das im gesellschaftlichen Zusammenhang für einen Medienunternehmer?

Wir erreichen mit der Apotheken Umschau und den Schwestertiteln über 30 Millionen Menschen jeden Monat; und das ausschließlich mit gesundheitsrelevanten Inhalten. Unsere Inhalte sind evidenzbasiert und werden von wissenschaftlichen Beiräten geprüft! Nur wenige wissen, dass wir in 66 Jahren keine einzige Zeile gedruckt haben, in der ein Pharmaunternehmen oder ein Präparat genannt wurde. Die redaktionelle Unabhängigkeit und die Qualität der Inhalte stehen bei uns über allem. Wir sind ein Leuchtturm im Nebel inflationär unseriöser Informationen. Gesundheitsinformationen müssen eine Null-Fehler-Toleranz haben. Aus dieser Stellung heraus ist es selbstverständlich für uns, dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung tragen und dieser in allen Belangen gerecht werden wollen. Das bezieht sich auch auf Krisensituationen wie eine Pandemie oder einen Krieg.

Medien sind Stützpfeiler der Meinungsfreiheit und der Demokratie

Wie lässt sich Verantwortungsbereitschaft in Medienunternehmen vorleben und umsetzen?

Hierzu vielleicht zwei Beispiele aus der Vergangenheit, die dies verdeutlichen, über die wir aber ansonsten nicht gesprochen haben. Wir haben in der Pandemie keinerlei staatliche Unterstützung in Anspruch genommen und bewusst diejenigen versucht zu unterstützen, die in Not geraten sind. So haben wir z.B. Messebauer unterstützt, deren Geschäftsmodell auf Null zurückfiel. Und nach dem Ausbruch des Krieges haben wir alleine fünf Bürogebäude zu Wohnraum umgebaut und über 70 Geflüchteten eine Unterkunft gegeben – alles unter enger Einbindung der gesamten Belegschaft. Für uns war das selbstverständlich, Ausdruck einer Haltung, mit der sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter identifizieren.

Wann und warum sind Medien relevant für die Gesellschaft und die Nutzerinnen und Nutzer?

Die Medien sind Stützpfeiler der Meinungsfreiheit, der Vielfalt und der Demokratie. Genau deshalb ist die Pressefreiheit auch im Grundgesetz manifestiert. Wir sehen in vielen Ländern, was es bedeutet, keine neutralen Medien zu haben.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Frage, ob etwas analog oder digital veröffentlicht wird?

Das gedruckte Wort hat noch eine etwas andere Halbwertzeit und ist nicht so vielen Manipulationen ausgesetzt wie die rein digitale Information. Vom Grundsatz her gibt es aber in Bezug auf den möglichen Informationswert keinen Unterschied. Es kommt immer auf die Seriosität der Quelle an. Darüber hinaus belegen Studien wie die des Neurowissenschaftlers Professor Kuniyoshi L. Saka, dass sich Wissen auf Papier besser einprägt.  

Unabdingbares Streben nach Qualität

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit Journalismus relevant ist und bleibt? Wie unterschiedlich sind dabei die Kriterien für Fachmedien und Publikumsmedien?

It´s all about people – und das ist gut so. Der Anspruch muss das unabdingbare Streben nach Qualität sein; die Bereitschaft, sich und sein Schaffen immer wieder zu hinterfragen und nach mehr, nach Perfektion zu streben. Hierfür müssen die Strukturen und Prozesse geschaffen und immer wieder den technologischen Möglichkeiten angepasst werden.

Wie lässt sich ein relevanter und unabhängiger Journalismus von morgen finanzieren? Vor allem mit Blick auf Werbung und Pay-Modelle.

Qualitativ hochwertige Inhalte, die Bedürfnisse befriedigen, die zu Lösungen und Verständnis beitragen und einen nachhaltigen Nutzen schaffen, werden auch honoriert. Lokalmedien z.B. müssen auch über Lokales berichten. Ansonsten werden sie austauschbar und verlieren sukzessive an Relevanz, bis hin zur Frage der Daseinsberechtigung. Selbiges gilt auch für Fachmedien – übrigens über alle Mediengattungen hinweg.

Sie haben mit Blick auf die zunehmenden Falschinformationen von einer „Null Fehler-Toleranz“ im Bereich Gesundheit gesprochen. Wie lässt sich dieser Anspruch realisieren?

Die Redaktion muss nach Qualität streben, und man muss geradlinig sein und bleiben. Partikularinteressen einzelner Kundinnen und Kunden dürfen keinen Platz zwischen Redaktion und Verlag finden. Zusammen mit dem Anspruch, die Leserschaft und die User bestmöglich zu informieren, spiegeln sich diese Seriosität und die Glaubwürdigkeit in der Außenwahrnehmung wider. Es freut mich auch, dass Apotheken unsere Magazine nicht lesen. Denn das bedeutet, dass sie uns zu 100 Prozent im Sinne der Kundschaft und der Patienten und Patientinnen vertrauen – und das seit Jahrzehnten.

Fake News: ein technologischer Wettlauf, in dem die Wahrheit hinterherläuft

Welche Mittel und Wege gibt es, Fake News in unserer Gesellschaft zu bekämpfen und warum ist das so wichtig, um das Vertrauen in die Medien zu stärken?

Ein schwieriges Thema, zumal wenn diese – wie im Ausland zu beobachten – sogar durch staatliche Institutionen erstellt und verbreitet werden. Es ist auch eine Form von technologischem Wettlauf, bei dem die Wahrheit immer hinterherläuft und reagiert. All das, was wir jetzt erleben, ist leider Kindergarten gegenüber dem, was noch auf uns zukommt.

Suchmaschinen und Soziale Netzwerke haben mittlerweile eine enorme Meinungsmacht. Welche Rolle spielt die algorithmengesteuerte Meinungsbildung mit Blick auf die Unabhängigkeit der Medien? Google und das Bundesgesundheitsministerium wollten z.B.  gemeinsam ein Gesundheitsportal aufbauen.

Es gibt gute Gründe, weshalb ein Gericht diese Kooperation untersagt hat. Es ist schon verwunderlich, wenn ein Ministerium wie das Bundesministerium für Gesundheit auf die Idee kommt, ein eigenes Medienangebot zu erstellen und dies dann noch in Partnerschaft mit Google prioritär platzieren lässt. Diplomatisch ausgedrückt, ist ein solcher Vorfall vermutlich nur mit der Krisensituation durch die Pandemie zu erklären. Dies ist auch nicht isoliert ein Thema der Gesundheitsbranche, sondern staatlich initiierte Informationsmedien stehen generell im starken Spannungsfeld zur Pressefreiheit. Wir bauen hier auf die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land...

Fundierte, evidenzbasierte Beiträge statt lauter tendenziöser Inhalte

Inwiefern kann die Regulierung der Intermediäre durch die Medienanstalten (Transparenz und Diskriminierungsfreiheit) hier weiterhelfen?

Einen diskriminierungsfreien Zugang zu Medien gewähren zu müssen und Transparenz über die Funktionsweise von Intermediären zu schaffen, ist eine natürliche, naheliegende Lösung zur Sicherung einer gesunden Meinungsvielfalt. Dass hier die Medienanstalten tätig sind, ist im klassischen deutschen Rundfunkrecht auch lange erprobt. Heute ist allerdings nicht mehr Frequenzknappheit, sondern Überfülle die Problematik, mit der offenbar inhärenten Verzerrung durch laute, tendenziöse und reißerische Inhalte. Dem vermag dieser Regulierungsansatz vermutlich leider nicht zu begegnen. Diesem Wettbewerb müssen wir uns weiterhin mit unseren fundierten, evidenzbasierten Inhalten stellen.

Das Motto der Medientage München 2022 lautet „more relevant than ever“. Was verbinden Sie damit spontan im Hinblick auf die aktuelle Situation der Medienbranche?

Die Pandemie, der Krieg und die Einschränkung der Meinungsfreiheit in vielen Ländern zeigen leider deutlich, wie wichtig unabhängige Medien für die Demokratie sind. Die wachsende Verbreitung von Fake News nimmt analog zur Relevanz vertrauenswürdiger Medien zu. Diese Medien gilt es, heute und in Zukunft mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen und zu bewahren.


Foto: Wort & Bild Verlag / Margaretha Olschewski
Portrait Bettina Pregel: BLM/Gabi Hartmann
Illustration: rosepistola.de

Bild Bettina Pregel
Bettina Pregel ist stellvertretende Pressesprecherin und Social Media-Verantwortliche in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Die gelernte Redakteurin und Pressereferentin arbeitete zuvor bei Tageszeitungen und Fachzeitschriften.
Bild Andreas Arntzen
Andreas Arntzen ist seit 2016 Vorsitzender und Sprecher der Geschäftsführung des Wort & Bild-Verlags, in dem die Apotheken-Umschau erscheint. Der Diplom-Betriebswirt war zuvor bei der Schweizer NZZ-Mediengruppe sowie Geschäftsführer u.a. der ZEIT-Verlagsgruppe, der Verlagsgruppe Handelsblatt und der Madsack Mediengruppe. In diesen Funktionen verantwortete er sowohl nationale und regionale Print-Publikationen als auch diverse elektronische Medien in den Bereichen Internet, TV und Radio. Als Gründer und Gesellschafter mehrerer Digitalfirmen wie parship.de und radio.de hat er umfassende Management-Erfahrung in der Digitalbranche gesammelt.
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