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Einfacher wird's nicht

Streamen, was das Zeug hält – eine Chance für den Content?

Nie war das Streaming-Angebot größer, nie die Konkurrenz härter. Ob Netflix, Amazon Prime Video, Disney+, Paramount+, RTL+ oder Joyn – die wichtigsten Plattformen in Deutschland investieren Millionen in Inhalte, Vermarktung und technologische Innovationen. Während internationale Anbieter mit globalen Produktionen um Marktanteile kämpfen, setzen deutsche Player zunehmend auf Lokalkolorit, um sich zu behaupten. Die Herausforderung: Wie lassen sich Sichtbarkeit und Monetarisierung im wachsenden Wettbewerb sicherstellen?

Text: Jörn Krieger

Die Anbieter konkurrieren mit einer wachsenden Anzahl exklusiv produzierter Filme und Serien, den so genannten Originals, um Aufmerksamkeit – doch mit dem Erfolg wächst auch der Druck. Sichtbarkeit wird zum zentralen Engpass: Wer nicht auffällt, findet kein Publikum. In einem fragmentierten Markt mit immer neuen Anbietern und Inhalten versuchen sich die Marktakteure über Qualität, Originalität und eine kluge Distributionsstrategie zu positionieren.

Mit deutschen Originals im Wettbewerb punkten

Trotz der globalen Konkurrenz feiern deutsche Serien- und Filmproduktionen immer wieder große Erfolge – national wie international. Bestes Beispiel: „Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“ (Amazon Prime Video). Die Serie basiert auf der Bestseller-Trilogie von Mona Kasten und erzählt die Liebesgeschichte zwischen der ehrgeizigen Stipendiatin Ruby Bell und dem privilegierten James Beaufort an einem britischen Elite-Internat. Mit emotionaler Tiefe, Hochglanzästhetik und einer universellen Coming-of-Age-Story avancierte Maxton Hall zum weltweit erfolgreichsten Serienstart einer nicht-amerikanischen Prime-Video-Eigenproduktion und erreichte Platz 1 der Prime-Video-Charts in über 120 Ländern. Staffel 2 erscheint am 7. November 2025, Staffel 3 ist offiziell bestätigt und soll den Abschluss der Trilogie bilden. Die Rückkehr der Hauptdarsteller Harriet Herbig-Matten und Damian Hardung ist bereits gesichert – das Serienfinale befindet sich in Planung.

Zwischen Lokalkolorit und Weltniveau

Auch andere Formate zeigen, dass deutsche Produktionen mehr können als Mittelmaß. „Die Discounter“ (Prime Video), eine improvisierte Mockumentary über den Supermarktwahnsinn im Hamburger Alltag, punktet mit Witz, Tempo und Lokalkolorit. Dafür gab es 2022 den Publikumspreis beim Blauen Panther für die beste Serie. „Sam – Ein Sachse“ (Disney+), die eindrucksvolle Geschichte des ersten schwarzen Polizisten in Ostdeutschland, verbindet gesellschaftliche Relevanz mit visuellem Anspruch – und wurde 2024 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Ein weiteres Beispiel: „Die Therapie“ (Amazon Prime Video), eine düstere Serie nach einem Roman von Sebastian Fitzek, kombiniert psychologische Spannung mit Mystery-Elementen und zeigt, dass auch anspruchsvolle Thriller aus Deutschland internationale Strahlkraft entfalten können. Was deutsche Originals erfolgreich macht, ist die Balance aus professionellem Handwerk, mutiger Erzählweise und kultureller Anschlussfähigkeit. Erfolgreich sind jene Formate, die sich nicht allein auf regionale Milieus beschränken, sondern universelle Themen in einer klaren stilistischen Handschrift umsetzen. In einer globalisierten Streamingwelt wird gerade dieser „Local Touch“ zum strategischen Asset – denn Lokales bedeutet nicht mehr provinziell, sondern authentisch, anschlussfähig und identitätsstiftend. Wenn Originals auch noch originell sind, haben sie alle Zutaten für ein Erfolgsrezept.

Werbung wird Wachstumstreiber

In der Monetarisierung setzen die Streaming-Plattformen zunehmend auf hybride Modelle. Werbung, Abonnements und Zusatzdienste, etwa höhere Bildqualität (UHD) oder Familien-Abos, werden kombiniert, um unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen. Netflix hat Werbung inzwischen als strategisch relevantes Standbein etabliert. „Werbung ist für uns perspektivisch kein Zubrot, sondern relevanter Revenue-Stream“, stellte Susanne Aigner, Head of Advertising bei Netflix Germany, bereits im Mai 2024 im Medienmagazin „DWDL“ klar. Netflix erwarte „ein sehr dynamisches Wachstum der vermarktbaren Reichweite bei uns und global“. ProSiebenSat.1 verfolgt bei seinem Streamingdienst Joyn diesen Weg konsequent mit einem werbefinanzierten, kostenlosen Angebot, das durch ergänzende Premium-Modelle angereichert wird. „Die Kombination aus den linearen Reichweiten mit dem digitalen-Joyn-Angebot für unsere Werbekunden hat niemand außer uns“, betonte Katharina Frömsdorf, Chief Transformation Officer bei ProSiebenSat.1 Media und Managing Director der Seven.One Entertainment Group, im Gespräch mit der Zeitschrift „Digital Fernsehen“. Die Perspektiven seien günstig: „Aktuelle Studien zeigen sehr deutlich, dass die Akzeptanz von Werbung in Streaming-Angeboten zunimmt.“ RTL hingegen setzt bei seinem Streamingdienst RTL+ voll und ganz auf ein Abo-Modell, fokussiert auf strategische Content-Bundles mit Musik, Hörbüchern und Podcasts. Der Kölner Privatsender vertraut darauf, dass das Publikum auch künftig bereit ist, für hochwertige, attraktive und relevante Inhalte zu zahlen – und sieht genau darin den Differenzierungsfaktor im Wettbewerb mit dem Münchner Rivalen Joyn.  Mit der geplanten Übernahme des Pay-TV-Veranstalters Sky Deutschland will die Bertelsmann-Tochter ihre Verankerung im Markt für kostenpflichtige Inhalte verfestigen und mehr Schlagkraft im Wettbewerb mit den US-Playern gewinnen. „Das geplante Zusammengehen von RTL Deutschland und Sky ist ein Meilenstein – für Bertelsmann genauso wie für die europäische Medienindustrie“, sagte Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann, bei der Bekanntgabe des Deals im Juni 2025. Abo-Müdigkeit? Bundles boomen Die Zahlungsbereitschaft für Streaming bleibt hoch, ist aber begrenzt. Statt vieler Einzelabos wünschen sich Nutzerinnen und Nutzer zunehmend kombinierte Pakete. Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Simon-Kucher nutzen bereits 41 Prozent der Streaming-Abokunden ein gebündeltes Angebot mehrerer Dienste. „Bei Amazon, Netflix und DAZN wird zwar über die Hälfte der Streaming-Abos als Einzelprodukt abonniert, bei allen anderen Streaming-Anbietern aber ist mindestens jedes zweite Abo schon Teil eines Superbundles“, beschreibt Sina Gansel, Senior Director bei Simon-Kucher, die aktuelle Entwicklung. Die Gründe sind neben Bequemlichkeit vor allem Preisvorteile und die Angebotsbreite. 2026 wird sich der Wettbewerb auf dem deutschen Markt verschärfen: Warner Bros. Discovery bringt seinen Streamingdienst HBO Max nach Deutschland – mit einer breiten Palette exklusiver Serien und Filmen aus Hollywood, die bislang bei anderen Anbietern zu sehen waren, etwa bei Sky auf dem Kanal Sky Atlantic HD – The Home of HBO.

Wer bestehen will, muss sichtbar sein

„Es ist noch nicht zu spät", sagte Matthias Heinze, Senior Vice President Commercial und Managing Director bei Warner Bros. Discovery GSA, auf dem Medienkongress Media Tasting 2025 in Stuttgart mit Blick auf das nach wie vor große Wachstumspotenzial. Zu konkreten Inhalten machte Heinze noch keine Angaben, verdeutlichte jedoch, dass man auf ein breiteres Publikum hoffe: „Wegen der starken Sportausrichtung von Sky haben wir einige Zielgruppen nicht erreicht.“ Der Streamingmarkt ist eindeutig im Wandel. Hochwertiger, attraktiver und unterscheidbarer Content bleibt wichtig, ist aber kein Erfolgsgarant. Wer bestehen will, muss sichtbar sein, klug monetarisieren und Partnerschaften eingehen: Kooperation statt Konfrontation. Sicher ist: Der Wettbewerb wird härter. Einfacher wird’s nicht. 

Jörn Krieger
Dr. Jörn Krieger arbeitet seit 1990 als freier Medienfachjournalist, spezialisiert auf Kabel, Satellit, Breitband und Multimedia. Er schreibt für deutsch- und englischsprachige Fachzeitschriften und Online-Publikationen.
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