Der Podcast-Markt im Umbruch
Manche sagen: Der Podcast ist tot. Es lebe die Show? Getrieben von Video, Live-Auftritten und Plattformlogiken erlebt der Markt die nächste Evolutionsstufe. Formatgrenzen verschwimmen und es entsteht ein multimediales Ökosystem. Audio-only-Content war einmal?
Text: Lukas Schöne
Der Satz „Ich schaue mir jetzt einen Podcast an“ geht immer mehr Menschen leicht über die Lippen. Der Siegeszug von Videopodcasts scheint unaufhaltsam. Es ist das sichtbarste Zeichen für die rasanten Veränderungen des Podcast-Markts. Erste Stimmen sagen, dass Podcasting in seiner ursprünglichen Form tot sei. Man solle lieber von „Shows“ sprechen, weil sich darunter all die Elemente, die Podcasts aktuell prägen, besser vereinen lassen: Video, Live-Auftritte, Interaktivität und Social Media.
Mit dem richtigen Angebot kommen neue Zielgruppen
Ob neue Begrifflichkeiten oder nicht: Wir erleben die nächste Evolutionsstufe eines Mediums auf dem Siegeszug. Laut Online-Audio-Monitor (OAM) 2025 konsumieren 24 Millionen Menschen in Deutschland mindestens gelegentlich einen Podcast. Andere Studien zeigen, dass die Zielgruppe nicht mehr nur männlich geprägt ist. Mit dem entsprechenden Angebot kommen also auch neue Zielgruppen hinzu. Wenn es mehr weibliche, junge oder queere Stimmen am Mikrofon gibt, macht sich das auch beim Publikum bemerkbar. Das Potential ist längst noch nicht ausgeschöpft, wenn man zum Beispiel an lokale Inhalte denkt. In welche Zielgruppe man auch blickt, die meisten Menschen finden ihre Podcasts bei Spotify und YouTube. Und diese Plattformen sind es auch, die den Markt verändern. Wer seine Spotify-App öffnet, sieht häufig Teaservideos, die einen in die nächste „Show“ ziehen sollen. YouTube denkt ohnehin „video first“. Für Creator bedeutet das: Wer nur auf Audio setzt, riskiert, in den Reichweitenlogiken unterzugehen. Ob das dem Verhalten vieler User entspricht, ist zu bezweifeln: Beliebte Nutzungssituationen sind in Umfragen die Hausarbeit oder unterwegs in Auto, Bus und Bahn.
Politische Inhalte gewinnen an Einfluss
Doch die Richtung geben die Plattformen vor, weil sie in Videos den größeren Werbemarkt sehen und damit die Aufmerksamkeitsmechanismen bedienen wollen. Ein weiteres Zeichen dafür: Amazon stampft seine Podcast-Unit „Wondery“ ein und integriert sie in sein Creator-Business. Der Fokus liegt in Zukunft auf Videoformaten mit Promifaktor. Wer als Podcaster erfolgreich werden will, setzt auf alle Kanäle: Social-Media-Snippets dienen als Teaser und gehen im besten Fall viral. Viele Podcaster werden zur Marke auf TikTok, Instagram und Twitch. Sie tauschen sich direkt mit ihren Communities aus. Studio Bummens Co-Gründer Tobias Bauckhage und Digitalexperte Sascha Lobo gehen in Sachen Interaktionen einen anderen Weg: Sie haben die App „Campfire FM“ entwickelt, wo sich Nutzende untereinander und mit den Hosts von Podcasts wie „Baywatch Berlin“ oder „Einfach mal Luppen“ austauschen können. Das ist ein sinnvoller Weg, um sich von den Logiken der großen Plattformen unabhängiger zu machen. Bei all den Möglichkeiten, die sich durch die verschiedenen Kanäle und Video bieten, fällt auf: Meistens ähneln sich die Formate. Zwei oder mehr Leute sitzen vor Mikrofonen und unterhalten sich. Die Themen sind breit gefächert und reichen von Finanztipps über Gesundheits- und Lifestylefragen bis hin zu Quatsch und Comedy. Vermehrt findet all das zusätzlich vor Publikum statt, teils in ausverkauften Arenen. Podcaster auf Live-Tour; das ist keine Seltenheit mehr und ein wachsender Markt. Auch der politische Journalismus hat den Podcast längst als Bühne entdeckt. Formate wie „Lage der Nation“ oder „Apokalypse & Filterkaffee“ prägen Debatten und erreichen ein breites Publikum. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stärkt ebenfalls sein Podcast-Engagement: Die ARD hat Anfang 2025 eine übergreifende Podcast-Unit gegründet, um Angebote und Themen besser zu koordinieren. Politikerinnen und Politiker nutzen eigene Podcasts oder reichweitenstarke Formate aus ihrer politischen Blase, um Botschaften direkt zu platzieren. Das ist ein Trend, der in den USA längst Wahlkämpfe beeinflusst.
Die Stärke von Audio bleibt
Am Beispiel von Newspodcasts lässt sich ein weiterer Trend identifizieren: die Micropodcasts. Das können beispielsweise fünf bis zehn Minuten lange Nachrichtenbriefings sein, die das Wichtigste des Tages knapp auf den Punkt bringen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass längere Formate nicht mehr funktionieren. Fiktionale und investigative Produktionen finden weiter ein großes Publikum. True Crime bleibt ein Dauerbrenner und hochwertige journalistische Dokus zeigen die Stärke, die im Audio-Storytelling steckt. Gerade schwere Themen lassen sich ohne visuelle Ebene oft besser erzählen. Vor allem, wenn Menschen zu Wort kommen, die es nicht gewohnt sind, vor Kameras zu sitzen und die über teils traumatische Erfahrungen sprechen. Das haben viele Podcasts in den vergangenen Jahren gezeigt – von „Boys Club“ über „Toxic Tantra“ bis zu „Legion“. Was passiert bei all den Veränderungen mit der Vielfalt der Podcast-Welt? Sicherlich eröffnen sich neue Chancen für Vermarktung, Reichweite und Bekanntheit auf den digitalen Plattformen. Können Nischen- und Creator-Formate sogar von dieser Entwicklung profitieren? Oder entsteht ein inhaltlicher Einheitsbrei, wenn nur bestimmte Formate (Video! Show!) algorithmisch bevorzugt werden? Und gewinnen am Ende nur wenige, ressourcenstarke Player? Antworten auf diese Fragen wird es in den kommenden Monaten und Jahren geben. Fest steht eins: Podcasts sind mehr denn je in Bewegung. Sie sind Audioformat, Bewegtbildprodukt und Community-Plattform zugleich.