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Ein hoher Preis, den man zahlt
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Ein hoher Preis, den man zahlt

Der Buchautor Hasnain Kazim will sich mit Hass-Botschaften im Internet nicht abfinden. Obwohl er massiv beschimpft und bedroht wird, sucht er die Auseinandersetzung mit allen, die Meinungsfreiheit online mit Pöbelei oder Hetze verwechseln.

INTERVIEW Nora Frerichmann

Tendenz: Sie haben mal gesagt, Sie würden sich eigentlich nicht gern streiten. Wie sind ausgerechnet Sie zu einem der präsentesten deutschen Streitenden in sozialen Online-Netzwerken geworden?

Hasnain Kazim: 
Ich habe schon in den 1990er-Jahren als Teenager angefangen, mich zu wehren. Für einen Artikel, den ich für eine überregionale Zeitung schrieb, habe ich meine ersten sieben Hassbriefe bekommen. Mit dem Internet ist das immer mehr geworden. Ich hatte dann 2015 einen Streit mit einem Kollegen, der sagte: „Ja, aber man darf nicht böse sein auf diese Leute, man muss ihre Sorgen ernst nehmen und auch mit Rechten reden, auf Augenhöhe.“ Das hat mich wirklich geärgert, weil mich die Leute beschimpfen und bedrohen. Was um Himmels willen soll ich denn mit denen auf Augenhöhe reden? Um einen Weg für mich zu finden, damit umzugehen, habe ich mir vorgenommen: Ab 2016 antworte ich allen, ich suche den Streit! Daraus entstand dann das Buch „Post von Karlheinz“. Im Grunde genommen bin ich in die Rolle des Streiters hineingeraten. Ich hab mir das nicht ausgesucht.

Wie schaffen Sie es, diese Sisyphusarbeit immer wieder von vorne zu beginnen?

Das ist nicht immer leicht, und es gibt auch Momente, wo ich mir denke: Ich müsste eigentlich aufhören, ich habe keine Lust, mir den ganzen Schrott anzuhören. Ich finde es gut, kritisiert zu werden. Streit ist eine Voraussetzung für Demokratie. Aber Bedrohungen und Beschimpfungen, das geht eben nicht. Dann stelle ich mir aber diese Hater vor wie Kinder, bei denen man immer wieder von vorne anfangen muss, etwas zu erklären. Auch Demokratie, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit muss man den Leuten immer wieder neu beibringen. Das ist ein niemals aufhörender Prozess, weil immer neue Generationen nachwachsen und es offensichtlich auch alte Leute gibt, die plötzlich wieder vergessen, was noch in Ordnung ist und was sich nicht gehört. Dann muss man da halt auftreten wie ein Lehrer. Es gibt auch immer wieder Menschen, die mir vorwerfen, ich sei belehrend. Aber offensichtlich ist das ziemlich nötig.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie damit zu den Menschen durchdringen?

In dem Moment, in dem man mit den Leuten in den Dialog tritt, gibt es viele, die sagen: „Ja, stimmt, Sie haben recht. So sollte man sich eigentlich nicht äußern.“ Online ist es etwa ein Viertel, an guten Tagen vielleicht ein Drittel der Leute, die ich davon überzeugen kann, einen wirklich sachlichen Dialog zu führen.

Was macht dieser kontinuierliche Hass mit Ihnen?

Man wird grundsätzlich misstrauischer. Und vor allem ist die Enttäuschung da, dass manchmal Leute, die man eigentlich für sehr klug und liberal und weltoffen gehalten hat, plötzlich Verständnis zeigen für rechtsextreme Äußerungen. Hinzu kommt: Ich erhalte ja nicht nur Beleidigungen, sondern auch Morddrohungen, und da fange ich an zu überlegen, wie ich mich und mein Umfeld am besten schütze. Es ist wirklich ein hoher Preis, den man zahlt. Ein enormer Druck, dem man sich aussetzt. Eine Angst, die man um sich und seine Familie hat. Aber auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, wenn ich jetzt aufgeben würde, dann würden diese Leute gewinnen. Und da will ich keinen Millimeter zurückweichen. Ich mache aber niemandem einen Vorwurf, der sich zurückzieht aus Angst. Ich kann das verstehen.

War dieser Druck auch ein Grund, nicht mehr als Spiegel-Korrespondent zu arbeiten?

Überhaupt nicht. Ich möchte einfach mehr Bücher schreiben und Lesereisen machen. Ich möchte mich im Gegenteil viel stärker diesem rechtsextremen Schrott widmen, weil ich glaube, dass man dagegen mit ganzer Energie vorgehen muss.

Sie provozieren Hetzer ja gerne mit dem ironischen Szenario, in Deutschland ein Kalifat zu errichten. Was würden Sie denn als Alleinherrscher gegen Hassrede tun?

Ich würde jeden Hassredner sofort für zehn Jahre in den Kerker werfen und ihn nur herauslassen, wenn er um Gnade winselt. Nein, im Ernst: Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich fordern, dass man viel rigoroser gegen Hass im Netz vorgeht. Im Grunde genommen bräuchte man nicht viele neue Gesetze, denn Beleidigungen, Verleumdungen und Gewaltandrohungen sind längst strafbar. Man müsste ganz klar sagen: Wer das im Netz macht, ist halt auch dran. Und dann kostet das eben 5.000 oder 10.000 Euro, und wenn man es beim dritten Mal immer noch nicht gelernt hat, gibt‘s vielleicht ein Jahr Gefängnis. Es muss klar werden: Wer Hass im Internet verbreitet, hat die Konsequenzen zu tragen.

Sie fordern auch dazu auf, Leute auszugrenzen, die sich undemokratisch und menschenverachtend äußern. Aber das würde doch wiederum Parallelgesellschaften schaffen, in denen diese Leute einfach in eigenen Foren weiter hetzen und dadurch wohl nicht ungefährlicher werden.

Das tun sie so oder so. Sie richten sich ja ihre Welt mit Fantasienachrichten und Verschwörungstheorien so ein, wie es zu ihrer Einstellung passt. Aber die Alternative kann ja nicht sein, sie einzuladen und ihre Ansichten zu normalisieren. Im Internet heißt das für mich, sie zu blocken und zu sperren. Wenn jemand sich auf meiner Party schlecht benimmt, mich beschimpft oder pöbelt, den lade ich ja auch nicht wieder ein. Und wenn der Opa davon redet, dass Adolf ja gar nicht so schlimm war und er doch auch tolle Autobahnen gebaut hat, dürfen wir das auch nicht um des lieben Friedens willen so stehen lassen. Wir müssen den Mund aufmachen, widersprechen – im Privatleben und auch online.



Foto Hasnain Kazim: Peter Rigaud
Porträt Nora Frerichmann: privat

Bild Nora Frerichmann

Nora Frerichmann ist Medienjournalistin in Köln. Sie arbeitet unter anderem für die Medienkolumne »Altpapier«, den MDR und die Nachrichtenagentur epd. Sie studierte Journalistik und Amerikanistik an der TU Dortmund.

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