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Grußwort von BLM-Präsident Siegfried Schneider zur Fachtagung „Verroht, verkürzt, verbuggt?“ Beiträge zum Thema Sprache und Medien“ am 15. Mai 2019 in der BLM

15.05.2019 | P&R 2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

herzlich willkommen zur 5. Fachtagung Jugendschutz- und Nutzerkompetenz in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien! „Verroht, verkürzt, verbuggt?: Beiträge zum Thema Sprache und Medien“ lautet das Thema unserer heutigen Veranstaltung. Das Wort „verbuggt“ aus unserem Veranstaltungstitel bedeutet übrigens so etwas wie „fehlerhaft, falsch gestrickt“ und war letztes Jahr unter den Top Ten beim Jugendwort des Jahres. Solche Wortneuschöpfungen sind Ausdruck des Zeitgeistes, der (Jugend)Kultur und erst einmal nichts Ungewöhnliches. Denn wie wir reden und uns ausdrücken, wandelt und entwickelt sich von Generation zu Generation.

Doch wie verändert die Digitalisierung Art und Inhalt unserer Kommunikation? Wie wirken sich Internet und soziale Medien auf den Sprachgebrauch aus und wie beeinflusst Sprache die Wahrnehmung bestimmter Themen im Netz? Wie können wir der vielfach beklagten Verrohung unserer Sprache entgegenwirken? Welche Bedeutung hat Sprache für die Identitätsfindung von Kindern und Jugendlichen? Und inwieweit ist sie im Jugendmedienschutz aktuell ein Thema? Mit spannenden Fragen wie diesen wollen wir uns im Lauf des Tages näher beschäftigen. Allen Referentinnen und Referenten an dieser Stelle ein herzliches Wort des Dankes!

Meine Damen und Herren, unser heutiges Thema ist in Zeiten von Populismus, Hate Speech und Framing aktueller denn je – um gleich zu Beginn einige Schlagworte zu nennen, zu denen wir uns heute sicher noch intensiv austauschen werden.

Denn Sprache bedeutet Macht. Nicht erst Donald Trump, sondern schon die antiken Rhetoriker haben das Wort als Waffe gezielt eingesetzt. Fest steht jedoch: die Anonymität und Distanz im Internet machen diese Waffe noch gefährlicher. Was Menschen anderen zum Teil online an den Kopf werfen, würden sie ihnen vermutlich nicht direkt und analog ins Gesicht sagen. Im Digitalen aber kann die Empathie schon mal auf der Strecke bleiben… Hier wird beleidigt, beschimpft, belogen – auch wenn 98 Prozent der Nutzer Beleidigungen in sozialen Medien ablehnen. Das ergab eine Forsa-Studie im Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, die im Februar anlässlich des Safer Internet Day veröffentlicht wurde. Soweit das erfreuliche Ergebnis der Studie.

Aber: Nur 59 Prozent der Befragten gaben an, sich mit den Opfern von Beleidigungen im Internet auch zu solidarisieren – wobei sich interessanterweise Befragte über 45 Jahre tendenziell häufiger solidarisieren als Jüngere. Und 16 Prozent gestanden ein, selbst schon mal einen – freundlich ausgedrückt – „unsachlichen Kommentar“ geschrieben zu haben.

Die große Frage, die wir uns alle stellen müssen und auch heute diskutieren wollen, lautet also: Wie reagiert man am besten auf den Hass im Internet? Und was können wir tun, dass Beleidigungen im Netz nicht nur abgelehnt, sondern auch offen zurückgewiesen werden? Klar ist: Offline zu bleiben, sich aus Angst nicht an Debatten zu beteiligen, ist keine Lösung. Ich bin in dem Zusammenhang ganz bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich vergangene Woche zum Auftakt der Digitalkonferenz re:publica für eine vernünftigere und zivilisiertere Debattenkultur im Internet ausgesprochen hat:

Er frage sich, warum gerade die politischen Debatten, die er im Netz erlebe, [ich zitiere] „so oft dazu neigen, toxisch zu werden. Wenn uns die Zukunft dieser Demokratie am Herzen liegt, dann müssen wir uns um die politische Debattenkultur im Netz gemeinsam kümmern.“ Die drängendste Aufgabe sei nicht etwa die [Zitat] „Digitalisierung der Demokratie, sondern die Demokratisierung des Digitalen“.

Um in dieser Richtung weiterzukommen, meine Damen und Herren, braucht es einen interdisziplinären Ansatz. Sprachwissenschaft, Medienethik, Journalismus, Rechtswissenschaft, Jugendmedienschutz, Jugendarbeit, Medienpädagogik, Kunst und Literatur müssen hier an einem Strang ziehen. Unsere heutige Veranstaltung, die das Thema Sprache aus vielen unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, will einen kleinen Beitrag dazu leisten.

Lassen Sie mich Ihnen einen kurzen Einblick geben, inwiefern sich die Landeszentrale mit dem Thema beschäftigt:

Der BLM ist es schon lange ein wichtiges Anliegen, sich bei Hasspostings mit strafbarem Inhalt einzubringen. Bereits 2016 hat die BLM eine Expertenrunde „politischer Extremismus im Internet“ initiiert, um sich mit Vertretern anderer Stellen aus München und Umgebung auszutauschen und zu vernetzen.

In dem Zusammenhang gab und gibt es auch Austausch zu der Initiative „Verfolgen statt nur löschen“ aus Nordrhein-Westfalen: Hier identifizieren die beteiligten Medienhäuser und die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen potenziell strafrechtlich relevante Kommentare und zeigen sie bei der Staatsanwaltschaft Köln an.

In Bayern stieß „Verfolgen statt nur löschen“ auf viel Interesse: Beispielsweise ist der BR im Juni letzten Jahres an die BLM herangetreten und hat Interesse an einer gemeinsamen Vorgehensweise ähnlich wie in NRW geäußert. Mitte Februar hat es dazu ein erstes Gespräch mit dem Bayerischen Justizministerium gegeben. Dabei war man sich einig, dass der Fokus einer konzertierten Aktion in Bayern auf strafrechtlich relevanten Inhalten wie Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen liegen sollte. Mitte April hat dazu in der Landeszentrale ein Runder Tisch mit Vertretern der Staatsanwaltschaft und des Justizministeriums sowie Anbietern stattgefunden. Unser Ziel ist es, gemeinsam konkrete Verfahrensabläufe zu etablieren und effiziente Vorgehensweisen bei der Anzeigeerstattung zu entwickeln.

Zur Bekämpfung von Antisemitismus und Hasskriminalität im Internet entsteht in diesem Rahmen gerade bereits ein Pilotprojekt der Staatsanwaltschaft München I und der BLM. Statt wie bisher antisemitische Kommentare lediglich zu löschen, soll es für bayerische Rundfunkanbieter und Zeitungsverlage einen einfachen und schnellen Weg geben, gegen Urheber beleidigender oder volksverhetzender Kommentare und Nachrichten Strafanzeige zu erstatten.

Erfahrungen mit dem Thema Hass im Netz hat in den letzten Wochen übrigens auch die BLM selbst gemacht. Ende März hatte die Landeszentrale öffentlich kommuniziert, die Verbreitung eines Livestreams im Internet zu untersagen, für den keine rundfunkrechtliche Zulassung vorliegt. Seitdem haben uns leider nicht nur sachliche Anfragen dazu erreicht, sondern auch eine Fülle persönlich beleidigender E-Mails und Tweets aus der Community rund um den polarisierenden Protagonisten des Streams. Im Einzelfall werden wir strafrechtlich relevante Inhalte zur Anzeige bringen.

Neue Themen, die uns einmal mehr deutlich machen: Meinungsfreiheit heißt auch Verantwortung. Eine Verantwortung, der sich Gesellschaft, Politik und die Medien gerade in Zeiten von Social Media mehr denn je stellen müssen. Aus der Überzeugung heraus, dass wir als Gesellschaft die Technisierung der Medien gestalten und verantwortungsvoll mit ihr umgehen müssen, sind in der Landeszentrale in den vergangenen Monaten „Leitlinien Digitale Ethik“ entstanden, die der Medienrat vor einem Monat verabschiedet hat.

Schließlich betrifft der digitale Wandel uns alle. Er sorgt für tiefgreifende Veränderungen in sämtlichen Lebensbereichen und findet nicht zuletzt in der Sprache Ausdruck. Der BLM ist es ein Anliegen, sich nicht nur intensiv mit politischen, wirtschaftlichen und strukturellen Folgen der Digitalisierung zu befassen, sondern sich auch und gerade mit ihren ethischen Fragen auseinanderzusetzen und die gesellschaftspolitische Debatte zum Thema zu befördern. Weil es Orientierung und ein stabiles Wertegerüst braucht, um sich im Netz sicher bewegen zu können.

Meine Damen und Herren, in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine interessante Veranstaltung! Wenn wir es schaffen, uns selbst heute für etwas mehr Präzision und Reflexion beim alltäglichen Sprachgebrauch in der digitalen wie analogen Welt zu sensibilisieren, haben wir schon etwas erreicht.

Vielen Dank.