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Grußwort von BLM-Präsident Siegfried Schneider zu den Augsburger Mediengesprächen 2017 am 08.11.17 zum Thema „Hass im Netz: Was wir gegen Beleidigungen und Hetze tun können“

08.11.2017 | P&R 2017

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Weber,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Pschierer,
verehrte Mitglieder des Bayerischen Landtags und der Kommunalpolitik,
stellvertretend Herr Staatssekretär Bernd Kränzle,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Augsburger Medien,
verehrte Mitglieder des Medienrats,
sehr geehrte Podiumsgäste,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich, Sie heute so zahlreich zu den 15. Augsburger Mediengesprächen begrüßen zu dürfen. Wir freuen uns, dass es die lokalen Hörfunk- und Fernsehsender, die Augsburger Allgemeine und die Stadt Augsburg wieder ermöglicht haben, hier im Rathaussaal mit Bürgerinnen und Bürgern ein Thema zu diskutieren, das uns alle angeht:

„Hass im Netz: Was wir gegen Beleidigungen und Hetze tun können“.

Auf Hasskommentare im Netz ist sicher jeder von Ihnen schon einmal gestoßen. Menschen in öffentlichkeitswirksamen Funktionen wie Journalisten oder Politiker sind davon noch häufiger betroffen, aber Beleidigungen und Hetze im Netz kann jeden treffen. Auch Schüler, die in sozialen Netzwerken mit diskriminierenden Kommentaren oder Videos gemobbt werden oder sich gegenseitig mobben.

Diskutiert werden diese Entwicklungen unter den Begriffen Hatespeech bzw. Cybermobbing. Beides sind Formen digitaler Gewalt im Netz und haben schon längst das Stadium des rauen Umgangstones bzw. der Verrohung der Kommunikationskultur verlassen. Deshalb ist es wichtig, diese Diskussion nicht nur in den Medien, in der Wissenschaft, in der Schule oder in der Netzgemeinde zu führen, sondern auch in der Gesellschaft, mit den Menschen vor Ort wie hier in Augsburg.

Persönliche Diskriminierungen oder öffentliche Demütigungen sind nichts Neues. Nicht umsonst gibt es in unserem Sprachgebrauch die Redewendung „jemanden an den Pranger stellen“. Der Pranger oder Schandpfahl war im Mittelalter ein Strafwerkzeug in Form einer Säule oder eines Holzpfahls, an die ein Verurteilter gefesselt und auf öffentlichen Plätzen vorgeführt wurde, um dem Verurteilten ein Leben in der Gemeinschaft nach seiner vermeintlichen „Schandtat“ zu erschweren oder unmöglich zu machen.

Von der Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen sich auch jugendliche Cybermobbing-Opfer, die über Messenger-Dienste wie WhatsApp, auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Portalen wie YouTube mit verletzenden Worten und/oder Fotos verhöhnt werden. Und die Adressaten von Hassbotschaften sehen sich ebenso an den „digitalen Pranger“ gestellt. Der Unterschied zum Mittelalter: Die Betroffenen wissen häufig gar nicht, warum sie beschimpft oder bloßgestellt werden und wer dies tut. Denn ein Großteil der Absender von Hassbotschaften nutzt die Anonymität des Netzes, um „unsichtbar“ zu bleiben. Zum einen, weil es leichter ist, dem Gegenüber dabei nichts ins Gesicht schauen zu müssen, und zum anderen, weil strafrechtlich relevante Inhalte wie Volksverhetzung angezeigt und geahndet werden können.

Hassbotschaften mit extremistischem Hintergrund, die gezielt Jugendliche anlocken, sind nach Erkenntnissen von jugendschutz.net besser getarnt als früher und werden immer radikaler. 2016 sind 1.800 entsprechende Hinweise bei der Jugendschutzeinrichtung der Länder eingegangen, 94 Prozent der Hetze findet auf den Portalen YouTube, Facebook und Twitter statt. Dazu wird uns im Rahmen der Diskussion Stefan Glaser, der stellvertretende Leiter von jugendschutz.net, noch einiges berichten können. Und die Journalistin und Buch­autorin Ingrid Brodnig wird in ihrem Einführungsvortrag sicher näher auf das Phänomen der „Online-Enthemmung“ eingehen. Alle Referenten möchte ich hier ganz herzlich willkommen heißen und mich für ihr Mitwirken heute Abend bedanken.

„Wer Wut sät, erntet Likes“: Diesen Titel hat Ingrid Brodnig für einen Beitrag in unserem Blog blmplus im Vorfeld der Augsburger Mediengespräche gewählt. Und damit sind wir auch schon bei einem wichtigen Aspekt der Diskussion über „Hass im Netz“. Internetplattformen und soziale Netzwerke ermöglichen die Teilnahme aller am Meinungsbildungs­prozess, und zwar im positiven wie negativen Sinne. Um Hassbotschaften an ein Millionenpublikum zu transportieren und dafür den Applaus vermeintlich Gleichgesinnter zu ernten, braucht es jetzt nur noch die Pseudoanonymität der Online-Umgebung. Diese Umstände senken die Hemmschwelle der Absender und derjenigen, die mit ihrem Druck auf den „Gefällt mir“-Button die Wirkung der „digitalen Pöbelei“ verstärken.

Diese Entwicklung hat Folgen für die Art der Kommunikation und den respektvollen Umgang miteinander. Davon sind wir alle betroffen. Doch wie können wir uns einem solchen Hass entziehen bzw. was lässt sich konkret gegen Beleidigungen und Hetze tun? Die Beiträge den Netzwerken melden und darauf hoffen, dass sie gelöscht werden? Überhaupt nicht reagieren und wegducken? Zivilcourage zeigen, dagegen halten und Widerspruch erheben? Anzeige bei strafrechtlich relevanten Inhalten erstatten? Oder der Wirkung des so genannten Netz­werkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vertrauen?

Es gibt viele unterschiedliche Gegenstrategien, wie auch die Umfrage unter Augsburger Bürgerinnen und Bürgern gezeigt hat. Am schutzlosesten fühlen sich sicher jugendliche Cybermobbing-Opfer, die häufig sehr abhängig von der Anerkennung in ihrer Peergroup sind. Deshalb ist die Aufklärungsarbeit an Schulen, in Freizeiteinrichtungen und im Elternhaus so wichtig. Entsprechende Materialien dafür  liefern die Medienanstalten und Initiativen wie „klicksafe“. In Bayern gibt es zum Beispiel den Medienführerschein Bayern mit einer Unterrichtseinheit zum Thema Cybermobbing.

Die Zahl der Onliner zwischen 14 und 24 Jahren, die Hasspostings ignorieren, nimmt nach einer Umfrage der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen zu „Hatespeech“ im Internet ab. Ich denke, Zivilcourage zu zeigen, ist wichtig, um unsere gemeinsamen Werte zu stärken und an die Verantwortung innerhalb der Zivilgesellschaft zu appellieren. Zu Solidarität im Netz rufen mittlerweile mehrere Eigeninitiativen von Internetnutzern auf. „Jeder Gegenkommentar hilft. (…) Jeder Widerspruch zeigt mir, dass ich nicht alleine in ein großes, dunkles, menschenleeres Loch rufe“, sagt die Journalistin Franzi von Kempis, die auf YouTube, Facebook und Twitter als „Besorgte Bürgerin“ gegen Falschmeldungen und Hasskommentare kämpft. Und Hannes Ley, Gründer der Facebook-Gruppe „ichbinhier“ setzt sich für eine bessere Diskussionskultur im Netz ein.

Die Politik hat im Juli mit der Verabschiedung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) reagiert, das seit 1. Oktober 2017 gültig ist und großen Internet-Plattformen wie Facebook, YouTube und Twitter Vorgaben für den Umgang mit rechtswidrigen Inhalten macht. Sie müssen einen Ansprechpartner in Deutschland für Nutzerbeschwerden nennen, Anfragen binnen kurzer Zeit beantworten und in einem zweiten Schritt gemeldete, rechtswidrige Inhalte schnell löschen. Über die Löschung entscheiden also Privatunternehmen, und die Aufsicht darüber übernimmt mit dem Bundesamt für Justiz eine nicht staatsferne Institution. Ob das NetzDG funktioniert und die richtige Antwort bietet, muss sich zeigen. Diese Frage wird auch unser Podium beschäftigen. Meiner Ansicht nach gibt es sicher nicht nur eine richtige Antwort auf Hasskommentare im Netz, sondern es ist gerade das Zusammenspiel unterschiedlicher Strategien, das Trollen, Pöblern und Hasspredigern verdeutlicht: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, und es braucht vor allem die Zivilcourage der Nutzer und rechtliche Schritte, um diesen Wert zu verteidigen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ich darf das Mikrofon jetzt an Bürgermeisterin Eva Weber weiterreichen.