Cookie Hinweis

Suche

Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten

12.12.1996 | 12R 37

Die Medienpolitik bleibt spannend - dies können wir immer wieder schon seit Jahren kontinuierlich feststellen und die Problem- und Themenbereiche nehmen an Breite eher zu als ab. Da verständigen sich die Landesmedienanstalten auf Grundsätze für die Belegung digitaler Kabelkanäle mit Beschluß vom 12.11.96 und erzielen nach sehr grundsätzlicher Diskussion einen Konsens über eine bundesweit einheitliche Verbreitung über 10 Kanäle und über die Belegung nach den jeweiligen regionalen Bedürfnissen für die Nutzung weiterer 5 Kanäle. Über dieses Ergebnis habe ich in den zuständigen Ausschüssen berichtet; wir nehmen damit die uns durch Gesetz übertragenen Aufgaben wahr. 2 bis 3 Übertragungskanäle sind in den Empfehlungen dabei für die öffentlichrechtlichen Veranstalter ARD und ZDF vorgesehen.

Mit Schreiben vom 20./21.11.96 wenden sich der Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, Herr Prof. Dr. Dieter Stolte, und der Vorsitzende der ARD, Herr Prof. Dr. Albert Scharf, an den Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, Herrn Ministerpräsidenten Kurt Beck, Rheinland-Pfalz, und appellieren an ihn, ich zitiere: "den drohenden sach- und rechtswidrigen Alleingang der Landesmedienanstalten bei der Belegung digitaler Kabelkanäle zu unterbinden", und weiter wird formuliert "Dies sollte nach unserer Auffassung kurzfristig - falls erforderlich - durch unter den Ländern abgestimmte rechtsaufsichtliche Maßnahmen und im übrigen möglichst bald durch konkrete und einheitliche rundfunkgesetzliche Vorgaben gesehen." Im Text selbst wird von einer geradezu grotesken Asymmetrie zu Lasten des öffentlichrechtlichen Rundfunks bei der Empfehlung der Landesmedienanstalten gesprochen, weil insgesamt nur 2 bis 3 Kanäle, was letztlich bedeutet bis zu 24 Programme für den öffentlichrechtlichen Rundfunk vorgesehen seien. Dabei begründen sie ihren Vorstoß damit, daß ARD und ZDF für ihre jeweiligen Programmbukets im Rahmen der in den Ländern anstehenden DVB-Modellversuche einen Kapazitätsbedarf in der Größenordnung von zusammen 5 bis 6 Kanäle, ist gleich bis zu 48 Übertragungskapazitäten, beantragt und als erforderlich belegt hätten. Dabei wird auch massiv kritisiert, daß die Landesmedienanstalten für DF 1 fünf Kanäle für die Veranstaltung eigener Programme und als Plattform für Drittveranstalter zugewiesen haben.

Diese Auseinandersetzung ist, wie unschwer erkennbar, von grundsätzlicher medienpolitischer Bedeutung, weil sie die Frage aufwirft, wo zukünftig in der digitalen Entwicklung die Position des öffentlichrechtlichen Rundfunks liegt. Inzwischen ist offensichtlich weitgehend Konsens darüber erzielt, sowohl in der Politik wie auch innerhalb des öffentlichrechtlichen Rundfunks, daß er als im Wettbewerb auftretender Veranstalter von Pay-Programmen nicht in Frage kommt. Dies war vor einigen Jahren noch anders zu lesen, und ich erinnere mich an Auseinandersetzungen, die ich in besonderer Weise mit dem Intendanten des Zweiten Deutschen Fernsehens hatte in der Frage, ob das ZDF als Pay-Veranstalter auftreten kann und dafür die gebührenfinanzierten Programmquellen einsetzen und nochmals zusätzlich verkaufen darf.

Am 01.01.97 wird der neue Rundfunkstaatsvertrag in Kraft treten, auch wenn es da und dort in den Landtagen an einigen Positionen noch Kritik gibt. Der Rundfunkstaatsvertrag schafft eine neue Rechtsgrundlage für zusätzliche Spartenprogramme für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nämlich für den Kinderkanal und den Ereignis- und Dokumentationskanal (Phönix). Angesichts der digitalen Entwicklung, verbunden mit großen Aktivitäten von Unternehmen im Pay-TV-Markt stellt sich die Grundsatzfrage nach der Rechtsgrundlage für weitere Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese Frage läßt sich nicht damit beantworten, ob analog oder digital oder "nur" übertragen wird, vielmehr konzentriert sich diese Frage darauf, ob durch die Nutzung digitaler Programme weitere zusätzliche öffentlich-rechtliche Programme bundesweit veranstaltet werden, für die es, jedenfalls zur Zeit, keine Rechtsgrundlage gibt.

Da hilft auch nichts, daß der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Herr Prof. Dr. Albert Scharf, und auch der neue Vorsitzende der ARD, der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks, Herr Dr. Udo Reiter, die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks runterspielen mit dem Hinweis, sie würden ja in den digitalen Markt nicht mit neuen Programmen aktiv werden, sondern nur aus vorhandenen Programmen neue Programmzusammenstellungen im Interesse des Zuschauers vornehmen. Aus 7 dritten Fernsehprogrammen, aus dem neuen Kinderkanal, aus dem neuen Dokumentations- und Ereigniskanal, aus dem ersten Programm, aus arte und 3sat neue Programmzusammenstellungen vorzunehmen, bedarf sicherlich einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage. Nach meinem Rechtsverständnis handelt es sich um die Veranstaltung weiterer Programme, auch wenn taktisch ganz geschickt nur gesagt wird, man würde z.B. das erste Programm in den Abläufen umdrehen und bestimmte Sendungen individuell verfügbar den Zuschauern anbieten.

Daß dann das offensichtlich inzwischen erledigte Problem der Prima-TV GmbH besondere Aufmerksamkeit erlangt, eine Gesellschaft, an der der öffentlich-rechtliche Rundfunk über die Telepool maßgeblich beteiligt ist oder, wie man jetzt hört, war, ist klar. Immerhin hat Prima-TV bei einigen Landesmedienanstalten den Antrag gestellt, ein digitales Programmbuket von 24 Programmen veranstalten zu dürfen.

Wir haben in der letzten DLM-Sitzung am 10.12.96 in Frankfurt - Sie finden die Presseerklärung in der Tischvorlage - über diese Grundsatzfragen eingehend beraten und den wie wir finden, richtigen Weg eingeschlagen: Wir bitten die Länder um eine einheitliche Entscheidung zum digitalen Fernsehangebot öffentlich-rechtlicher Veranstalter. Die Länder sind aufgefordert, eine ländereinheitliche Position herbeizuführen, ob und in welchem Umfang digitale Angebote öffentlich-rechtlicher Veranstalter bundesweit verbreitet werden können. Diese Frage wird in diesem Monat in den Staats- und Senatskanzleien beraten und ist nun vom Bayerischen Ministerpräsidenten zur Beratung in der Ministerpräsidentenkonferenz angemeldet worden. Dabei bin ich persönlich der Auffassung, daß sich diese Frage anders darstellt, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in engen Grenzen und unter Beachtung der Versuchsregelungen in den digitalen DVB-Projekten mitwirkt, z.B. in unserem bayerischen Projekt, um Erfahrungen zu sammeln für grundsätzliche ordnungspolitische Entscheidungen der Politik.

Auch im analogen Bereich, wie schon so oft von mir berichtet, wird die Kanalbelegung zu weiter zunehmenden Konflikten führen. Die Grundsatzfrage ist, ob die zusätzlichen öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme vorrangig einzuspeisen sind und dann noch zu Lasten der Kabelplätze privater Unternehmer. Vor diesem Hintergrund stellt sich die zunehmende bundesweite Verbreitung dritter Fernsehprogramme als weitere Verschärfung dar. Wenn denn schon juristisch argumentiert wird in dem Sinne, daß die Spartenprogramme Kinderkanal und Dokumentations- u. Ereigniskanal nach dem jeweiligen Landesrecht Vorrang haben, dann kann man und muß man sicherlich genauso deutlich juristisch argumentieren, daß ein solcher Vorrang für die dritten Programme jedenfalls nicht gelten kann. Man muß sich vorstellen, was dies für ein privates Unternehmen, das auf den Werbemarkt angewiesen ist, bedeutet, wenn nun plötzlich die Reichweite in Gefahr gerät, die man dringend braucht, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein.

Auch hierzu haben wir vorbereitet von der BLM in der DLM Beschluß gefaßt und in der Grundlinie gemeinsam die Auffassung vertreten, daß die Einspeisung der neuen öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme, im besonderen jedenfalls das Programm Phönix, im Zusammenhang mit den bereits jetzt im Kabel verbreiteten Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelöst werden soll. Wir fordern daher ARD und ZDF auf, hierzu baldmöglichst konkrete Vorschläge zu entwickeln, damit die einzelnen Landesmedienanstalten rechtzeitig vor dem Sendestart von Phönix die notwendigen Entscheidungen treffen können. Auch hierzu finden Sie weitere Einzelheiten in der Tischvorlage.

Im Gegensatz zu dieser Aufforderung Konsenslösungen vorzulegen, gibt es offensichtlich eine grundsätzliche Strategie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, jedwede Kanalbelegungsentscheidung zu seinen Lasten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln juristisch und politisch anzugreifen. Im Jahre 1996 wurden zwei Normenkontrollverfahren gegen die Kanalbelegungssatzung der Landeszentrale anhängig gemacht. Einmal wehrt sich Euronews gegen die Rangfolgeentscheidung und das zweite Normenkontrollverfahren haben die ARD-Anstalten (mit Ausnahme des Bayerischen Rundfunks) anhängig gemacht, die es insbesondere für unvertretbar halten, daß nicht alle dritten Programme in Bayern weiterverbreitet werden. Natürlich pflegen auch private Anbieter bzw. Veranstalter gegen die Herausnahme aus dem Kabel zu klagen.

In der praktischen Umsetzung der Kanalbelegungssatzung sind wir angesichts dieser Problemlagen im Grunde blockiert. Es hat sich schmerzlich gezeigt bei einem praktischen Beispiel, daß die Problematik besonders deutlich macht: In Bamberg hat sich der Süddeutsche Rundfunk prinzipiell geweigert, von der Weiterverbreitung seines dritten Programmes zugunsten von Oberfranken Fernsehen abzusehen, so daß die Reichweiten für das Oberfranken Fernsehen nunmehr in diesem Bereich deutlich schlechter sind. Meine Bemühungen mit dem Intendanten des Süddeutschen Rundfunks, hierüber einen Konsens zu erzielen, sind gescheitert.

Es geht hier offensichtlich um prinzipielle medienpolitische Fragen, die einer Konsenslösung im Wege stehen.

Ich glaube, der bayerische Gesetzgeber wird nicht umhin können, im neuen Bayerischen Mediengesetz auch diese grundsätzlichen Kanalbelegungsfragen über die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen hinaus zu ergänzen. Von der Telekom jedenfalls sind keine Lösungen zu erwarten, wie es sich wieder in einem Gespräch vor wenigen Tage, das Herr Müller und ich beim Vorstand der Telekom, Dr. May, geführt haben, ergeben hat. Telekom ist nicht bereit und will dies auch für die Zukunft ausschließen, die analogen Kapazitäten in den Kabelnetzen trotz jahrelangen Drängens der Landesmedienanstalten, der privaten Veranstalter, der Politik, auszubauen. Sie setzt offensichtlich darauf, daß der Engpaß im Kabel und die damit verbundene Problemlage hilfreich ist, die digitale Entwicklung voranzutreiben, in dem Sinne, wie sie sich die Telekom wünscht, nämlich mit der Telekom als steuernde Entscheidungsinstanz im digitalen Fernsehmarkt. Auch in diesem Bereich können wir uns noch auf einige Auseinandersetzungen im nächsten Jahr einstellen. An Arbeit wird es uns, und das stelle ich jedes Jahr an dieser Stelle immer wieder fest, auch 97 und darüber hinaus sicherlich nicht mangeln.