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Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten

18.03.1999 | 3R 16

Der medienpolitische Sondergipfel der Ministerpräsidenten am 25. Februar 1999 in Bonn hat wichtige Entscheidungen für die Zukunft unserer dualen Rundfunkordnung gebracht. Das große Entscheidungspaket von Jugendschutzfragen, Zugangsfragen im digitalen Fernsehen über Werberegelungen bis hin zu den Strukturfragen und Finanzierungsfragen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist im Entscheidungsprozeß aufgeteilt, das medienpolitische Paket aufgeschnürt. Die Fragen der ARD-Strukturreform sowie die allgemeinen Fragen der Werbung und des Sponsoring werden auf einem Mediensondergipfel im Herbst 1999 weiter beraten. Dagegen soll der 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag durch eine Arbeitsgruppe der Chefs der Staats- und Senatskanzleien nunmehr unterschriftsreif vorbereitet werden. Dieser Staatsvertrag könnte dann am 1.1.2000, eher am 1.3. oder am 1.4.2000 in Kraft treten. Gegenstand dieses Änderungsvertrages sind dabei vor allem

  • die nach EU-Recht zwingend umzusetzenden Regelungen
  • die vorgeschlagenen freiwilligen Möglichkeiten einer Liberalisierung der Werberegelungen nach EU-Recht
  • die Exklusiv-Rechteregelung für große Sportereignisse
  • die Verlängerung der Technikförderung der Landesmedienanstalten,
  • die Rundfunkgebührenbefreiung für PC`s bis zum Jahre 2003
  • die Ermächtigungsgrundlage für Online-Dienste für ARD und ZDF (vorwiegender Programmbezug, keine Werbung und kein Sponsoring in Online-Diensten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks)

Ein besonderer Schwerpunkt sind die Ergebnisse im Bereich des Jugendschutzes. Im Rahmen der Problemlagen zu Talkshows wurde ja schon im Mai 1998 ein Text entworfen, um Fehlentwicklungen besser entgegenwirken zu können. Dieser Entwurf wurde nun verabschiedet, ich zitiere die Bestimmung im § 3 Abs. 7: "Für sonstige Sendeformate können sie (gemeint sind die Landesmedienanstalten) im Einzelfall zeitliche Beschränkungen vorsehen, wenn deren Inhalte nach Themenbehandlung, Gestaltung oder Präsentation in einer Gesamtbewertung einem Verstoß nach Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz gleichkommen". D.h. die Landesmedienanstalten können dann, wenn Talkshows geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen, die Ausstrahlung von Talkshows z.B. nur in den Abendstunden für zulässig erachten. Sie erinnern sich: hier gab es im letzten Jahr eine sehr kritische Diskussion auch unter diesem Aspekt zur Talkshow "Arabella" bei Pro7. Die "drohende" Veränderung der staatsvertraglichen Grundlagen, so wie sie jetzt beschlossen ist, hat ja auch eine wesentliche Wirkung auf die privaten Sender erzielt. Sie hat mit dazu beigetragen, daß die privaten Sender die freiwilligen Verhaltensgrundsätze zu Talkshows verabschiedet haben.

Die Ministerpräsidenten haben auch beschlossen, die Ausstrahlung indizierter Filme grundsätzlich zu verbieten. Ausnahmen sind nur auf Antrag des Veranstalters bei der zuständigen Landesmedienanstalt zulässig und dann auch nur zwischen 23.00 und 6.00 Uhr. Wird ein solcher Ausnahmeantrag abgelehnt, kann ein erneuter Antrag gestellt werden, wenn durch Bearbeitungen solche Teile verändert worden sind, die die Indizierung offenkundig veranlaßt haben, so der einschlägige Entwurfstext.

Besondere Bedeutung hat auch die Regelung über den Jugendschutz im digitalen Fernsehen, die unter der Bezeichnung "technische Vorsperre für digitales Pay-TV" gerade lebhaft diskutiert wird. Mit dem jetzt gefundenen grundsätzlichen Ergebnis der Ministerpräsidenten kommt auf die Landesmedienanstalten zukünftig eine hohe Verantwortung zu. Die Wirksamkeit der technischen Vorsperre für den Jugendschutz soll in einer Versuchsphase getestet werden und die Verantwortung über die Grundstrukturen dieser Versuchssituation in die Hände der Landesmedienanstalt gelegt werden. Erst nach Erkenntnissen aus der Versuchsphase soll eine endgültige Regelung getroffen werden. Im Fernsehausschuß haben neulich die beiden Veranstalter von digitalem Pay-TV, nämlich Premiere und DF1, die Vorsperre im Einzelnen vorgestellt, und wir haben alle erlebt, welch schwieriges Neuland mit solchen technischen Jugendschutzlösungen betreten wird. Seit Montag dieser Woche, also seit 15. März, ist die Software auf die d-box aufgeschaltet, so daß nunmehr die Vorsperre auch tatsächlich praktiziert werden kann.

Gestern fand eine Tagung der gemeinsamen Stelle Jugendschutz und Programm in Hamburg unter meinem Vorsitz statt. Dort haben wir uns auch mit den aktuellen Entwicklungen beim Jugendschutz im digitalen Fernsehen befaßt. Die Landesmedienanstalten haben schon vor einiger Zeit eine Begleitforschung zu dieser neuen Technik für den Jugendschutz beschlossen. Die hamburgische und die bayerische Landesmedienanstalt sind beauftragt, und entsprechende Gespräche laufen zur Zeit, die Einzelheiten dieses Forschungsvorhabens festzulegen. Dieser Forschung kommt ganz erhebliche Bedeutung zu, weil die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Begleitforschung maßgeblichen Einfluß auf die Gestaltung der zukünftigen Rechtsordnung haben werden.

Die Möglichkeit, von starren Zeitgrenzen durch technische Vorkehrungen - in diesem Fall durch die technische Vorsperre für digitales Pay-TV - abzuweichen, so wie sie jetzt mit der geschilderten Versuchsphase beschlossen worden ist, hat bundesweit unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Dabei war zum Teil erkennbar, daß über die Vorsperre geredet wurde, ohne daß nähere Kenntnis über diese Technik manchen Äußerungen zugrunde lag. Zum Beispiel hieß es, daß es sich um eine 24-Stunden Vorsperre handle. Dies ist unzutreffend, weil die Zeitgrenzen auch für eine Ausstrahlung ohne technische Vorsperre weiter gelten, also 16er Filme ab 22.00 Uhr und 18er Filme ab 23.00 Uhr. Selbstverständlich wird man mit dem Einstieg in die technische Vorsperre im Hinblick darauf, daß damit die Zeitgrenzen modifiziert oder ganz wegfallen können, sehr vorsichtig umgehen müssen. Ich denke, wir werden in der Praxis ein Stufenmodell ausarbeiten, das Hand in Hand mit Erkenntnissen der Begleitforschung weiterentwickelt werden kann. Im Ergebnis muß der Versuch aber so angelegt sein, daß er auch wirkliche Erkenntnisse bringt. Das bedeutet, starre Zeitgrenzenvorgaben erschweren die Erprobung der technischen Vorsperre als alternative Jugendschutzmaßnahme zu den Zeitgrenzen im Free-TV. Hier sind wir in einem nicht ganz einfach zu lösenden Spannungsfeld. Wir werden das im Kreise der Landesmedienanstalten eingehend beraten. Für verfehlt halte ich die vorschnelle Äußerung meines Kollegen Dr. Henle in Thüringen, der den Ländern in öffentlichen Äußerungen unterstellte, sie würden den Jugendschutzanforderungen nicht ausreichend Rechnung tragen. Dies hat auch prompt zu einer energischen Reaktion des Chefs der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Staatssekretär Rüter, geführt und ich denke, Herr Rüter hatte damit völlig recht. Wir werden in der nächsten Woche in der Direktorenkonferenz - und ich nehme an auch in der Gesamtkonferenz - uns mit diesen grundsätzlichen Fragen befassen. Ich halte es jedenfalls nicht für sehr glücklich, wenn die Politik den Landesmedienanstalten im Hinblick auf die praktischen Anforderungen im Bereich des Jugendschutzes eine zusätzliche Verantwortung überträgt, eine vorsichtige Öffnung im Sinne einer Erprobung beschließt, wir alle Möglichkeiten zugewiesen bekommen mit den Problemlagen im Interesse des Jugendschutzes sachgerecht umzugehen, und dann die Ministerpräsidenten dafür öffentlich kritisiert werden. Aber, wie gesagt, das werden wir nächste Woche in der gemeinsamen Konferenz nochmals erörtern müssen.

Der Mediengipfel hat noch weitere außerordentlich wichtige Ergebnisse gebracht und die privaten Veranstalter haben eine Reihe von Entscheidungen auch begrüßt. Dies gilt vor allem für die Liberalisierung der Werberegelungen und die Ausschöpfung des EU-Rechts sowie die Klarstellung, daß das sogenannte Bruttoprinzip bei der Fernsehwerbung gilt; dieses Bruttoprinzip eröffnet mehr Werbemöglichkeiten für die privaten Sender in bestimmten Fällen. Deutliche Kritik hat der VPRT an der Entscheidung geäußert, eine Ermächtigungsgrundlage für zusätzliche digitale Angebote von ZDF und ARD zu schaffen. Diese sollen jedoch quantitativ und qualitativ eingegrenzt werden. Ich bin gespannt, wie die Regelung dann im Einzelnen aussieht, an der die Länder gerade arbeiten.

Was ich bedauere, ist, daß eine Präzisierung der Aufgabenstellung der KEK, der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, nicht verabschiedet worden ist, d.h. wir werden auch zukünftig hier Rechtsunklarheiten und Abgrenzungsprobleme haben. Es wurde nicht einmal eine Frist aufgenommen - in der Diskussion war eine 6-Monatsfrist - innerhalb der die KEK ihre Entscheidung treffen muß. Das ganze Problem KEK ist offensichtlich in die weitere Zukunft verlagert. Dabei ist interessant, daß in einem Interview von Frau Simonis der Minsterpräsidentin von Schleswig-Holstein, in epd vom 17. März zu lesen ist, daß sie die Kirch-Senderbeteiligungen mit ihren Marktanteilen bewertet und wörtlich formuliert "Die Kirch-Senderbeteiligungen überschreiten mit ihren Marktanteilen heute allerdings nicht die höchstzulässige Grenze". Dies haben wir schon immer so gesehen und auch der KEK versucht nahezubringen. Für dieses einfach zu erlangende Ergebnis, das sich heute in der Tagesordnung bei dem Punkt Genehmigung von Premiere digital niederschlägt, hat die KEK ja etwa eineinhalb Jahre gebraucht.

Insgesamt hat der Mediengipfel Klarheit geschaffen für die zukünftige Rechtsentwicklung und auch deutlich gemacht, welch hoher Stellenwert den Landesmedienanstalten im Vollzug auch der neu zu schaffenden Rechtsvorschriften zukommen wird. Wir werden uns dieser Verantwortung stellen und - davon bin ich überzeugt - damit konstruktiv und sachgerecht umgehen.