Cookie Hinweis

Suche

Medienrat: Berichte des Vorsitzenden / des Präsidenten

Bericht des Präsidenten

28.05.2003 | 5R 17

Wenn man die medienpolitische Diskussion zur Zeit verfolgt, so wird immer deutlicher, dass es dabei um sehr grundsätzliche, weichenstellende Zukunftsfragen in unserem dualen Rundfunksystem geht. Lassen Sie mich die Themenbereiche und Schlagworte kurz skizzieren:


- Weitgehende Deregulierung für den privaten Rundfunk
- Ausbau und Stärkung der Selbstverantwortung der Anbieter verbunden mit neuen Forderungen nach mehr Selbstregulierung
- Die Aufgabenstellung der KJM als Organ der Landesmedienanstalten im Hinblick auf Rundfunk und Internet unter Anwendung des neuen Modells der "regulierten Selbstregulierung"
- Klare Definition des Programmauftrages des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
- Auseinandersetzung mit der Gebührenstruktur und der Gebührenhöhe im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbunden mit einer sich verschärfenden Diskussion zu sog. "Wettbewerbsverzerrungen"
- Die Forderung unser duales System in ein strukturelles Gleichgewicht zu setzen und mit den Benachteiligungen des privaten Rundfunks Schluss zu machen
- Die Forderung auf Reduzierung der Online-Angebote von ARD und ZDF auf ausschließlich programmbezogene Inhalte
- Die Verbindung der Rundfunkgebührendiskussion mit den Fußballrechten
- Die Diskussion über die Abschaffung von Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
- Fragen der Qualität und Professionalität von Rundfunkprogrammen
- Die Weiterentwicklung der lokalen und regionalen elektronischen Medien in Bayern und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen und konzeptionellen Fragestellungen
- Die neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung vor allem mit Blick auf die Entwicklung von Digitalradio (DAB) und digitales terrestrisches Fernsehen (DVB-T).

Zusätzlich bewegen uns die unternehmerischen Veränderungen bei den Sendern und Firmen der ehemaligen KirchGruppe und die damit zusammen hängenden Fragen nach der Auswirkung auf den deutschen Fernsehmarkt. Der Einstieg der Saban-Gruppe in die Sender der ehemaligen KirchGruppe und in die Filmbibliothek ist noch nicht vollzogen. Unsere Vorstellung ist, dass diese "Hängepartie" zu Ende geht und dass nun endlich die Investoren ihre Verhandlungen abschließen und eine gesicherte Unternehmensstruktur geschaffen wird. Sie wissen, der Kaufvertrag über den Erwerb der Aktienmehrheit an der ProSiebenSat.1 MediaAG ist abgeschlossen, das sogenannte "Closing" ist bisher nicht erfolgt. Ein stabiles Konzept ist dringender denn je geboten, um Wettbewerbsnachteile für die Sender der ProSiebenSat.1-Gruppe abzuwenden. So geht es zum Beispiel um den Kauf der Übertragungsrechte der Fußballbundesliga und der Champions League. Da werden jetzt die Weichen für die Zukunft gestellt.

Von Herrn Ziems, dem Kirch Medien-Geschäftsführer und Herrn Fritzenkötter, dem Sprecher des Bauer-Verlags, habe ich mich heute auch anlässlich von Presseberichten über den aktuellen Stand unmittelbar informieren lassen. In der verabredeten Zeitschiene hat die Saban-Gruppe ihre Leistungen nicht erbracht und Herr Ziems sagt, dass Zweifel bestehen, ob die Gruppe die notwendige Liquidität hat, um den Kaufpreis und die weiterhin zugesagten Mittel tatsächlich erbringen zu können. Die Frist für das Closing läuft am 31.05. ab und es wird durch den Gläubigerausschuss festzulegen sein, ob eine kurze Nachfrist gesetzt wird. Es gibt, und das halte ich für ganz wichtig mit Blick auf die Zukunft des Unternehmens, keine Finanzkrise beim Sender und es wird jedenfalls bis zur Hauptversammlung der ProSiebenSat.1 Media AG am 16. Juni ein stabiles Konzept vorgelegt, das für den Vorstand eine verlässliche Grundlage zur Restrukturierung des Unternehmens darstellt. Dabei hat Herr Ziems nochmals auf die Werthaltigkeit des Unternehmens und auf die durch die Verkäufe erzielten Einnahmen hingewiesen. Der Vorstandsvorsitzende Urs Rohner hat ebenfalls heute in einem Telefongespräch mit mir u.a. darauf hingewiesen, dass die ProSiebenSat.1 AG noch nie Verluste gemacht hat - allerdings nur mit einer strikten Kostendisziplin mit Einsparungen bis zu 400 Mio. Euro - und dass dies voraussichtlich auch 2003 so bleibt.

Nachdem heute in der Presse zu lesen war, dass der Bauer-Verlag endgültig ausgeschieden sei, habe ich im Hinblick darauf, dass noch der Antrag auf Genehmigung durch die KEK in den Akten ist, Herrn Fritzenkötter, gefragt, ob die Meldung zutrifft. Herr Fritzenkötter hat darauf verwiesen, dass es zur Zeit keinen Kontakt und keine Gespräche im Hinblick auf den Einstieg von Bauer bei der KirchGruppe gebe, dass aber prinzipiell eine Gesprächsbereitschaft besteht, wenn auf Bauer erneut zugegangen wird. Diese Aussage deckt sich mit der Presseerklärung des Bauer-Verlags vom Februar, insoweit hat sich nichts geändert.

Die am Anfang erwähnten grundsätzlichen Fragestellungen kann ich natürlich in meinem Bericht jetzt nicht im Detail behandeln. Sie werden uns auch in den nächsten Monaten weiter beschäftigen und ich werde immer wieder über einige Punkte berichten. Ich möchte einen Punkt ansprechen, der die Gemeinschaft der Landesmedienanstalten und die zugrundeliegenden Kooperations- und Finanzierungsstrukturen im Besonderen trifft, nämlich was zur Zeit in Hamburg passiert. Da wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, der offensichtlich mit "heißer Nadel" gestrickt ist, der die gemeinsamen Eckwerte der Länder, bei aller schon immer gegebenen Unterschiedlichkeit im Detail, in bestimmten Punkten verlässt. So werden zum Beispiel die auch verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an den privaten Rundfunk - nicht vergleichbar mit den Anforderungen an dem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk - praktisch außer Vollzug gesetzt. Da muss im privaten Hörfunk nicht mehr informiert werden, da gibt es keine auf den privaten Rundfunk bezogenen Vielfaltanforderungen, da gibt es nur noch Deregulierung und, wie ich bei einer Anhörung in Hamburg vor der dortigen Bürgerschaft gehört habe, Selbstregulierung in ganz neuem Sinn. Das ist nicht etwa die Selbstregulierung nach dem Modell des Jugendmedienschutzstaatsvertrages mit Ko-Regulierungsmöglichkeiten und Rahmenvorgaben durch die KJM, wenn die Selbstregulierung nicht funktioniert. Nein, da heißt Selbstregulierung letztlich, dass jedes Unternehmen, das eine Lizenz hat, mit dem Programm machen kann, was es will. Da wird die Landesmedienanstalt in Hamburg, die ohnehin zu den kleineren gehört, in ihrer finanziellen Ausstattung so reduziert, dass sie in wichtigen Bereichen nicht mehr dazu in der Lage ist, in der Gemeinschaft der Landesmedienanstalten und vor allem bei Gemeinschaftsprojekten mitzuwirken. Außerdem wird der Vorstand der Landesmedienanstalt in Hamburg (HAM) so strukturiert, dass der staatliche Einfluss in einer verfassungsrechtlich bedenklichen Weise gestärkt wird. Die Reduzierung der Einnahmen für die HAM wird durch eine Stärkung des Norddeutschen Rundfunks kompensiert und dieses Modell wird dann als ein fortschrittliches "alte Zöpfe abschneidendes" Zukunftsmodell definiert.

Natürlich wird von den privaten Unternehmen der Wegfall von Regulierung begrüßt. Wenn dann darauf verwiesen wird, dass das nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht, wird die Hamburger Bürgerschaft ermuntert, diesen riskanten Weg zu gehen, um dem Bundesverfassungsgericht Gelegenheit zu geben seine früheren Entscheidungen zu revidieren. Wir haben uns dieses Modell genauer angesehen, auch in der DLM darüber diskutiert und waren geradezu betroffen über dieses Vorhaben. Wenn ich es insgesamt bewerte, dann kann ich nur sagen, hier werden nicht "alte Zöpfe abgeschnitten" und ein Reformmodell vorgestellt, sondern dieses Modell bedeutet den Rückfall in die Steinzeit des dualen Systems. Die Hamburger Landesmedienanstalt wird auf eine reine Frequenzverwaltung und auf die Funktion einer Medienpolizei zurückgeschnitten und die gestaltenden, in gesellschaftlichem Interesse wahrzunehmenden Aufgaben, die die Gesetzgeber den Landesmedienanstalten übertragen haben, werden schlichtweg gestrichen. Auch die Möglichkeit einen konstruktiven und weiterführenden Beitrag zu innovativen Entwicklungen zu leisten, zum Beispiel sich an der Digitalisierung der elektronischen Medien zu beteiligen, ist passé. Dies gilt natürlich auch für die Wahrnehmung von Aufgaben der Medienkompetenz, der Aus- und Fortbildungsförderung, der Mitwirkung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität und ähnliches.

In der 150. Sitzung der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten am 19./20. Mai haben wir uns mit der Novelle zum Hamburgischen Mediengesetz beschäftigt. Dabei hat die Konferenz vor allem kritisiert, dass die besondere Rolle und gesellschaftliche Verantwortung des Rundfunks im Gesetzentwurf verkannt wird und dass mit der Novelle der bisherige Konsens der Länder über die Ausgestaltung der Rundfunkordnung in Deutschland von Hamburg einseitig aufgekündigt wird.

Für mich ist selbstverständlich, dass wir immer wieder über strukturelle Fragen unseres dualen Rundfunksystems zu diskutieren haben, und die BLM leistet dazu ja auch Beiträge. Es ist ganz normal, dass man in Sachfragen auch unterschiedlicher Meinung sein kann. Was ich hier in Bayern aber außerordentlich begrüße, ist die Tatsache, dass die Bayerische Landeszentrale für neue Medien mit ihren vielfältigen Erfahrungen und Aktivitäten auf einer ganzen Reihe von Gebieten als Partner der Politik verstanden wird. Wir jedenfalls wollen auch zukünftig zu den immer komplexer werdenden Fragestellungen unseren Beitrag leisten und freuen uns, wenn unsere Erfahrungen und Erkenntnisse in die medienpolitischen Entscheidungsprozesse einfließen.