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Positionen & Reden

Rede von Verena Weigand „Digital – Eine Technologie revolutioniert die Welt“ im Rahmen der Konferenz „Digital Learning“ am 26. Mai 2009 im Literaturhaus, München

26.05.2009 | P&R

- Es gilt das gesprochene Wort -
 
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
wenn eine Technologie unseren Alltag in den letzten zehn Jahren erobert und verändert hat, dann war es sicher das Internet und damit die Digitali­sierung. Über zwei Drittel der deutschen Haushalte haben Zugang zum World Wide Web. 60 Prozent verfügen über einen Breitband-Anschluss. Der gesamte Datenverkehr im Internet wächst derzeit pro Jahr um 50 bis 60 Prozent. Vor allem das Datenvolumen der privaten Nutzer steigt immens, da zunehmend Fotos, Videos und Filme im Netz übertragen werden. Und auch das mobile Internet durchdringt immer mehr den Markt. Schon diese wenigen Fakten demonstrieren, inwieweit die digitale Welt unseren Alltag bestimmt und künftig noch mehr bestimmen wird – mit allen Vor- und Nachteilen. Deshalb gewinnt der kompetente Umgang mit digitalen Medien und der Einsatz digitaler Lern­methoden in der Schule, den Universitäten und in der Aus- und Fortbildung immer größere Bedeutung. Aus diesem Anlass veranstaltet das Cluster Audiovisuelle Medien der Bayerischen Staatsregierung heute zum Thema „Digital Learning“ zusammen mit der BLM eine Konferenz, zu der ich Sie, auch im Namen des Präsidenten der Landeszentrale, herzlich begrüße. Die Möglichkeit zur Interaktion ist ein zentraler Unterschied zur analogen Welt, den die Digitalisierung mit sich gebracht hat. Mit der zweiten Internetwelle haben wir in diesem Jahrzehnt den Boom von Community-Plattformen und User-Generated-Content erlebt, die speziell von jungen Menschen intensiv genutzt werden. Unterhaltung wird von dieser Zielgruppe zunehmend interaktiv und nicht-linear rezipiert. Vor diesem Hintergrund und bedingt durch das Breitband-Internet sowie immer leistungsfähigere Endgeräte, verwundert es nicht, dass die Games-Branche ein enormes Wachstum verbucht. Der Markt wird dabei von Spielen dominiert, die rein der Unterhaltung dienen. Im Bereich Edutainment verzeich­nen jedoch einige Wissens- und Lernspiele erstaunliche Verkaufserfolge, allen voran der Anbieter Nintendo, der unter anderem mit Gehirn-Jogging auch die erwachsenen Zielgruppen erschlossen hat. Die Einbindung von Lernspielen bzw. sog. Serious Games im Unterricht wird seit einiger Zeit diskutiert, wobei der Begriff „Serious Games“ mir unglücklich gewählt erscheint. Die spielerische Vermittlung von Wissen kann jedoch durchaus funktionieren. Ein Problem – nicht nur was elektronische Spiele anbelangt –, ist, dass die Schüler ihren Lehrern in Computerfragen oftmals um Längen voraus sind. Aber nicht nur im Technik-Know-how besteht ein großer Unterschied zwischen uns und dem Nachwuchs. Die Mediennutzung der Internet-Generation bzw. der „Digital Natives“, also derjenigen, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind, hat sich im Vergleich zu den sog. „Digitalen Immigranten“, d. h. von uns, die wir in der analogen Welt groß geworden sind, deutlich verändert. Digital Natives weisen offenbar verkürzte Aufmerksamkeitsspannen bei der Medienrezeption, eine veränderte Informationssuche, aktive Informationsverarbeitung, aktive Produktion von Inhalten und die intensive Nutzung sozialer Netzwerke auf. Wir werden im Anschluss von Prof. Gasser gleich Genaueres insbesondere zum veränderten Lernverhalten hören. Andere Experten stellen zudem die gleichzeitige Nutzung mehrerer Medien – allen voran Internet und Handy – und eine ausgeprägtere Konsum-Haltung der Internet-Generation fest. Vieles davon wird von Eltern und Pädagogen mit Besorgnis beobachtet. Allein die Bewertung und Nutzung von Informationen aus dem Netz stellt Schüler vor neue Herausforderungen: Das Internet verführt, Referate aus Texten einfach zusammenzukopieren oder Aussagen aus Wikipedia ungeprüft zu übernehmen. Zudem dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass immer noch ein Drittel der privaten Haushalte hierzulande keinen Internet-Anschluss hat. Gerade für junge Menschen aus bildungsfernen Haushalten ist es wichtig, dass diese digitale Lücke geschlossen wird. Daher gehören PCs, Internet und Informatik-Unterricht, genauso wie die Vermittlung von Medienkompetenz, in die Schule. Führt man sich obiges „Copy-and-Paste“-Beispiel vor Augen, dann deutet das wenig auf einen Wandel zur aktiven Informationsverarbeitung oder auf die Produktion eigener Inhalte hin. Erste Studienergebnisse belegen zwar den seit dem Web 2.0 propagierten Trend zur aktiven Mitgestaltung, allerdings nur bei einem kleinen Kreis. Laut einer aktuellen Studie von Bertelsmann, produzieren nur drei bis vier Prozent aller Nutzer von User-Generated-Content selbst Inhalte. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2008 zählen von den jungen Online-Nutzern immerhin rund ein Viertel zu den potenziellen Lieferanten selbst erstellter Inhalte. Allerdings bestehen die meisten dieser Inhalte aus eingestellten Fotos. Nach wie vor überwiegt also deutlich die passive Nutzung im Netz. Das Internet ist in puncto Information und Kommunikation für Schüler und Studenten zum Dreh- und Angelpunkt geworden. Die Ergebnisse einer repräsen­tativen Studenten-Befragung (HIS – Hochschul-Informations-System/Multimediakontor Hamburg) zeigen mittlerweile auch eine stärkere Nutzung digitalen Lehrmaterials an Universitäten: Die Nutzung begleitenden digitalen Materials zu Lehrveranstaltungen ist von 68 Prozent in 2004 auf 93 Prozent in 2008 gestiegen. Und auch an Schulen wurden einige Schritte in Richtung Digitalisierung gemacht: An bayerischen Gymnasien gibt es Pilot­projekte mit Laptop-Klassen oder Modellversuche mit Softwaresystemen in der Mathe­matik. Powerpoint-Präsentationen bei Schüler-Referaten gehören zum Standard, sind allerdings auch häufig sehr „standard-mäßig“. Den Begriff „E-Learning“ gibt es schon seit Mitte der 90er Jahre. Diese Art der Wissensvermittlung wurde als revolutionär eingeschätzt. Aber wie so oft, verlief auch diese Entwicklung anders: Man hat erkannt, dass multimediale Lernangebote als Ergänzung den klassischen Unterricht optimieren, ihn aber nicht ersetzen können. Nicht zuletzt ist die Einführung von E-Learning ein langwieriger und teurer Prozess. Umgekehrt ist allerdings der wirtschaftliche Vorteil von Digital Learning aufgrund der räum­lichen und zeitlichen Unabhängigkeit groß, was gerade für die berufliche Weiterbildung und unter dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens wichtig ist. In der Wirtschaft hat sich digitales Lernen daher bereits durchgesetzt: 55 Prozent der Unternehmen mit mehr 1000 Beschäftigten setzen laut BITKOM elektronisches Lernen mit Computer und Internet zur Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter ein. Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele der Generation der „Digitalen Immigranten“ neigen dazu, nur die nachteiligen Aus­wirkungen digitaler Medien auf die junge Generation und ihre Bildung zu sehen. In einer digitalisierten Gesellschaft gilt es jedoch, die Potenziale zu nutzen und unseren Nachwuchs im Umgang mit digitalen Medien zu stärken und diese in unser Bildungssystem gewinn­bringend zu integrieren. Unsere Herausforderung ist es, das Medienverhalten der Digital Natives zu verstehen, so dass wir selbst den Anschluss an die digitale Welt nicht verlieren und in ihr gestaltend mitwirken können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine spannende Veranstal­tung mit einem – wie ich finde – sehr interessant und umfassend gestalteten Konferenz­programm.