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Grußwort von Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring zur Eröffnung der Lokalrundfunktage in Nürnberg am 7. Juli 2009

07.07.2009 | P&R 2009

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich darf Sie ganz herzlich zu den 17. Lokalrundfunktagen hier in Nürnberg begrüßen. Und ich füge hinzu: Herzlich willkommen in der ersten Liga. Auch ich möchte zumindest nachträglich dem „Club“ und der ganzen Stadt zum Wiederaufstieg in die Bundesliga gratulieren. Erste Liga unter den Medienkongressen sind auch die Lokalrundfunktage, die in diesem Jahr wieder mit Neuerungen aufwarten. Sie werden heuer erstmals von der Bayerischen Medien-Service-Gesellschaft, einer in Nürnberg angesiedelten 100-prozentigen Tochter der BLM organisiert. Diese von den Gremien der Landeszentrale getroffene Entscheidung soll das langfristige Engagement der BLM in Nürnberg untermauern. Ansonsten setzen wir auf Bewährtes: Wie in den vergangenen Jahren stehen an den beiden Tagen insgesamt 19 Workshops zur Auswahl, unterteilt in die Themenblöcke Hörfunk, Fernsehen, Marketing/Verkauf und Spezial. Dazu kommt heute Nachmittag einerseits eine Gastveranstaltung von Next ID und andererseits das zum dritten Mal von der BLM gemeinsam mit dem MedienCampus Bayern veranstaltete Ausbildungsforum.

Die Lokalrundfunktage haben ja bereits seit Jahren den Anspruch, nicht nur über die bayerischen, sondern auch über die nationalen Grenzen zu blicken. Diesem Anspruch werden sie auch in diesem Jahr gerecht, indem wir wieder insgesamt neun ausländische Referenten aus Österreich, der Schweiz, Dänemark, Norwegen und den Vereinigten Staaten präsentieren können. Ich darf Sie hier bei uns besonders willkommen heißen. - Mein besonderer Dank gilt wie immer unseren Kooperationspartnern, Sponsoren und Förderern sowie dem neuen Beirat, von dem zahlreiche thematische Anregungen kamen. Ohne die Unterstützung der Sponsoren wäre das vielfältige Angebot nicht möglich. - Und nicht zuletzt möchte ich dem Team der Lokalrundfunktage für seinen engagierten Einsatz danken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

man kann nicht darüber hinweg sehen, das beherrschende Thema dieser Lokalrundfunktage wird Ihnen und uns durch die wirtschaftliche Entwicklung vorgegeben: die Krise hat die Medien erreicht. Wir lesen und hören allenthalben von Sparkonzepten, von eingestellten Titeln im Printbereich, von ersten Fernseh-Spartenkanälen, die aufgeben müssen, und auch von Personalabbau. Das Medium Radio hat die ersten Monate der Krise besser als jedes andere der klassischen Medien überstanden, es hat sogar zugelegt. Im ersten Quartal dieses Jahres hat die Gattung laut Nielsen brutto um 10 Prozent mehr aus Werbeeinnahmen erwirtschaftet als im gleichen Quartal des Vorjahres, im April waren es dann noch fünf Prozent. Mittlerweile gibt es allerdings auch beim Radio Einbußen und die Kurzfristigkeit der Werbebuchungen hat sich noch einmal erhöht. Erwin Linnenbach, der Geschäftsführer von Regiocast hat die aktuelle Situation des Mediums Radio vor einigen Wochen mit folgenden Worten treffend beschrieben: „Krise heißt vor allem Unsicherheit. 2009 ist ein schwer planbares Jahr.“ In dieser Situation ist es gerade für kleine und mittlere Medienuntennehmen schwierig, in neue Projekte zu investieren. Gleichzeitig besteht mehr denn je die Notwendigkeit, Einnahmemöglichkeiten jenseits der Werbung zu finden.

Ich habe deshalb auch Verständnis dafür, dass die Unternehmen jetzt nicht bereit sind, hohe Summen in Digital Radio zu stecken. Kein Verständnis habe ich aber für die grundsätzlich ablehnende Haltung des VPRT. Denn die Renditen, die vor allem die landesweiten Sender erwirtschaften, sind nach wie vor höher als in jedem anderen Bereich der klassischen Medien. So würde für diese Sender eine Simulcast-Ausstrahlung ihrer UKW-Programme in DAB bzw. DAB+ keinerlei wirtschaftliches Problem darstellen. Für die Akzeptanz wäre es andererseits äußerst wichtig, dass z.B. Antenne Bayern in DAB gehört werden kann. Es gilt hier also schon, eine differenzierte Betrachtung der Sachverhalte anzustellen. Interessant ist ja auch, dass die Verbände, die die kleineren und mittleren Anbieter vertreten, wie der VBL und die APR sich nachdrücklich für die Einführung von DAB+ einsetzen. Zudem zeigt eine ganz aktuelle Befragung aller privaten deutschen Hörfunkveranstalter, dass sich mehr als ein Drittel auf die kommenden Ausschreibungen bewerben bzw. bestehende Programme simulcast in DABplus verbreiten wollen.

Grundsätzlich bin ich auch der Auffassung, dass es für die private Seite eine öffentliche Förderung im Hinblick auf den Netzaufbau und den Netzbetrieb geben sollte. Als das duale System vor 25 Jahren begann, wurde die Kabelinfrastruktur aus Steuermitteln geschaffen und UKW war bereits etabliert. Ohne diese Infrastrukturen wäre es nie zum dualen System heutiger Ausprägung gekommen, weil es für viele private Anbieter wirtschaftlich nicht möglich gewesen wäre, eine eigene Infrastruktur aufzubauen. Gleiches gilt heute für neue digitale terrestrische Netze. Hier ist die Einstiegshürde für private Anbieter unerträglich hoch. Deshalb brauchen wir eine neutrale technische Infrastruktur, die durch öffentliche Gelder finanziert und von beiden Säulen des dualen Systems genutzt wird. Ohne öffentliche Gelder für die entsprechende Infrastruktur lässt sich bundesweites Digital Radio mittelfristig von den meisten Privatradios kaum zu finanzieren. Andererseits hätten risikobereite Investoren bei optimalen Rahmenbedingungen langfristig auch gute Gewinnchancen. Gerade in der Wirtschaftskrise sollten wir nicht vergessen: Wohlstand entsteht durch Innovation. Wer den Erfolg sucht, muss fast immer ein Risiko in Kauf nehmen. Daher bin ich dafür, dass die bundesweiten Kapazitäten ausgeschrieben werden, sobald die Zuordnung der Übertragungskapazitäten durch einen entsprechenden Beschluss der Ministerpräsidenten erfolgt ist.

Anders ist die Situation in Bayern, weil bei uns sowohl das landesweite Netz 12 D als auch die regionalen Netze weitgehend stehen, auch wenn in beiden Bereichen noch Optimierungen nötig sind. Ziel der Landeszentrale ist es nach wie vor, dass die landesweiten Kapazitäten parallel zu den bundesweiten Frequenzen auszuschreiben. Allerdings muss, bevor eine Belegung möglich ist, der Bayerische Rundfunk landesweit vom Kanal 12 D auf den Kanal 11 D wechseln. Dadurch könnte es zu gewissen Verzögerungen kommen. Die Ausschreibung der lokalen/regionale Kapazitäten wird dann anschließend folgen.

Das bedeutet für sie, die bayerischen lokalen Hörfunkanbieter, auf absehbare Zeit Konzentration auf ihr UKW-Angebot und ggf. auf Webradio-Angebote. Allerdings wird auch hier die Situation nicht einfacher. Die reichweitenstarken öffentlich-rechtlichen Programme betreiben nicht nur Preisdumping bei den Werbepreisen, sie haben vor allem in den vergangenen zwei Jahren ihre Angebote optimiert - teilweise mit Personal aus den privaten Programmen - und Marktanteile zurückerobert. Deshalb kann trotz der Wirtschaftkrise ihre Antwort darauf nicht „programmliche Kurzarbeit“ sein. Wer in der Krise entscheidend Marktanteile verliert, wird sich schwertun, sie hinterher wieder zurückzugewinnen. Auch hier zeigt sich die aktuelle Schieflage im dualen System. Deshalb muss die Medienpolitik gerade in Zeiten, in denen der ökonomische Wettbewerb zwischen beiden Säulen des dualen Systems im Prinzip nicht mehr stattfindet, weil die werbefinanzierten privaten Angebote kaum mehr Chancen haben gegenüber gleichartigen gebührenfinanzierten und teilweise werbefreien Angeboten, den privaten Rundfunk in Überlegungen zum gesellschaftlichen Mehrwert von Rundfunkinhalten einzubeziehen. Gesellschaftlich erwünschte Programmformate und -inhalte können auch von privaten Anbietern eingebracht werden, wenn sie dafür Förderung erhalten. Dies sollte insbesondere auch für lokale Inhalte gelten.

Vorbild kann hier durchaus das Schweizer Modell sein: In der Schweiz fließen aktuell gut vier Prozent der Rundfunkgebühr, das sind 33 Mio. Euro, an lokale Hörfunk- und Fernsehanbieter, um einen gesellschaftlichen Mehrwert dieser Programmangebote sicherzustellen. Das ist ein sinnvolles Modell, das auch eine plurale Gesellschafterstruktur der vorhandenen Angebote sichert. Ich sage das an dieser Stelle ganz bewusst. In bzw. nach jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer. Der erste große Gewinner dieser Krise stand von Anfang an fest. Es ist der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk. Weitere Gewinner können die großen, finanzstarken, crossmedial aufgestellten Medienhäuser sein, die sich jetzt auf eine Konsolidierung des Marktes vorbereiten. Ich habe nichts gegen große und wirtschaftlich starke Einheiten, wenn es um nationale oder internationale Märkte geht, im Gegenteil. Aber in den lokalen und regionalen Märkten darf es nicht nur für die marktbeherrschenden Zeitungsverlage die Chance geben, im Bereich der elektronischen Medien aktiv zu sein. Das war bisher eine wichtige Prämisse der Medienpolitik der Staatsregierung und der Genehmigungspolitik der Landeszentrale. Ich bin sehr dafür, dies auch in Zukunft beizubehalten.

Was das lokale Fernsehen angeht, warten wir auf eine Entscheidung der Koalition, wie die Förderung lokaler und regionaler Fernsehangebote in Zukunft aussehen soll. Diese soll nach Aussage von Staatsminister Schneider noch vor der Sommerpause fallen. Der Minister selbst setzt sich für eine Weiterfinanzierung ein, damit die Unternehmen auch in Zukunft Planungssicherheit haben.

Eine entsprechende Entscheidung der Staatsregierung wäre ein wichtiger Schritt, aber keine dauerhafte Lösung. Grundsätzlich würde ich mir eine mentale Öffnung der Medienpolitik der Länder wünschen. Dass beispielsweise geprüft wird, welche sinnvollen Modelle es in anderen Ländern gibt, und was wir daraus lernen können. Das wäre nicht einmal etwas revolutionär Neues. So wurde unser aktuelles Jugendschutzmodell der “regulierten Selbstregulierung“ mit bestimmten Modifikationen aus Australien übernommen. Warum also nicht ein Fördermodell aus der Schweiz übernehmen, das sich dort bewährt hat und das ähnlich jetzt auch in Großbritannien diskutiert wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir leben nicht in Zeiten, in denen uns die Erfolge tatenlos in den Schoß fallen. Lassen Sie uns also gemeinsam kämpfen und dafür sorgen, dass wir alle gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. - Uns allen wünsche ich in den kommenden zwei Tagen interessante Veranstaltungen, intensive Diskussionen, anregende Gespräche und ein entspanntes Fest auf der Kaiserburg.