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Begrüßung von Siegfried Schneider anläßlich des BLM-Rechtssymposions am 9. Oktober 2015
12.10.2015 | P&R 2015
Das Thema des heutigen Symposions hat erstaunlich lange ein Schattendasein geführt – oder soll man nach der Heftigkeit der Kritik, die zwischenzeitlich aufgeflammt ist, sagen: das Licht gescheut? Die Finanzierungsgrundlage der Rundfunkveranstaltung werden vom Grundrechtsschutz der Rundfunkfreiheit mit umfasst. Das hat das Bundesverfassungsgericht für die unterschiedlichen Finanzierungsarten der beiden Säulen des dualen Rundfunksystems unmissverständlich gesagt. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk folgt, wie ich das verstanden habe, aus seinem Grundversorgungsauftrag der Vorrang einer Gebühren- oder inzwischen Beitragsfinanzierung vor der Werbefinanzierung und ein Finanzierungsgewährleistungsanspruch gegenüber dem Staat. Private Rundfunkanbieter haben diesen Anspruch finanzieller Funktionssicherung nicht. Allerdings haben sie einen grundrechtlich fundierten Existenzsicherungsanspruch. Der Rundfunkgesetzgeber muss sich bei der gesetzlichen Ausgestaltung der Rundfunkordnung Gedanken über die Finanzierungsfähigkeit des privaten Rundfunks machen. Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit verbietet ihm, einen Bedingungsrahmen für die Veranstaltung privaten Rundfunks vorzugeben, der eine wirtschaftlich erfolgreiche Rundfunkveranstaltung unmöglich macht oder zumindest wesentlich erschwert (BVerfGE 73, 118/157; 83, 238/317). Man könnte auch sagen: Privates Rundfunkengagement darf vom Gesetzgeber faire Wettbewerbschancen einfordern.
Wir haben uns bisher damit zufrieden gegeben, dass die gesetzlichen Bestimmungen den privaten Rundfunkanbietern im Grunde alle denkbaren Finanzierungsformen eröffnen. Denn in § 43 des Rundfunkstaatsvertrags heißt es, dass private Veranstalter ihre Rundfunkprogramme durch die Einnahmen aus Werbung und Teleshopping, durch sonstige Einnahmen, insbesondere durch Entgelte der Teilnehmer (Abonnements oder Einzelentgelte), sowie aus eigenen Mitteln finanzieren dürfen. Sponsoring kommt in dieser Aufzählung nicht vor, ist aber in den sonstigen Einnahmen enthalten. Mit dem Hinweis auf Eigenmittel gestattet der Gesetzgeber sozusagen auch unwirtschaftliches Rundfunkengagement, wohl wissend, dass er es nicht vorgeben darf.
Wenn der gesetzliche Bedingungsrahmen, den der ausgestaltende Gesetzgeber gesetzt hat, gewinnbringende private Rundfunkveranstaltung ermöglicht, ist den Anforderungen der Rundfunkfreiheit grundsätzlich Genüge getan. Es bleibt in der unternehmerischen Verantwortung, die mit der Unternehmerfreiheit korreliert, die Potenziale mit Eigenleistung auszuschöpfen. Wie auch in anderen Bereichen der Wirtschaft ist der private Rundfunkunternehmer vor dem Scheitern, vor der Insolvenz nicht gefeit.
Soweit die Theorie und der rechtliche Überbau. Wie sieht die Praxis aus?
Wenn man auf Zuschauerreichweiten und Werbeerlöse blickt, so scheint der private deutsche Fernsehmarkt unter Wenigen aufgeteilt zu sein. Das ist seit Langem nicht mehr das Ergebnis technischer Beschränkungen. Die Frequenzknappheit existiert nicht mehr. Zudem sind die Preise für die technischen Produktionsmittel kontinuierlich gefallen. Und dennoch sind wirtschaftliche Grenzen sichtbar geworden.
Das hat einmal etwas mit der gestiegenen Anzahl an Programmen zu tun, die durch Werbeeinnahmen refinanziert werden wollen. Zudem ist der Rundfunkwerbemarkt konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt. Das unterscheidet ihn allerdings nicht von anderen Wirtschaftszweigen. Zurzeit steht die deutsche Wirtschaft gut da. Die Werbeeinnahmen haben nach mageren Jahren wieder solide Größenordnungen erreicht. Und trotzdem kann man mit dem Gesamtzustand des Marktes nicht zufrieden sein. Dabei geht es mir heute weniger um die ungleichen Wettbewerbsbedingungen der beiden Säulen im dualen Rundfunksystem, die sich als Störfaktor bei der Bildung marktkonformer Werbepreise auswirken. Man staunt über ein gewaltiges Auseinanderklaffen von Brutto- und Nettowerbepreisen. Von Rabatten bis zu 80 % ist zu hören. Teilweise sind die Werbezeiten sogar in den Programmen kleinerer Veranstalter vollständig ausgebucht, aber die Einnahmen stimmen nicht. Problematisch daran ist vor allem auch, dass es keine echte Transparenz gibt, wer von den Rabatten profitiert. Zudem geht das eigentliche Ziel des Werbeeinkaufs verloren, wirksame Werbezeit einzukaufen: Was zählt ist zunehmend der Rabatt. Es liegt auf der Hand, dass gerade kleinere Fernsehunternehmen, die nicht zu einer großen Senderfamilie gehören, besonders hart daran arbeiten müssen, sich am Markt zu behaupten und leicht in Abhängigkeit geraten können.
Lange Zeit wurde über solche Entwicklungen und ihre Probleme hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Das können wir uns nicht länger leisten. Die Gefahr einer Vermachtung der Werbevermarktung bei den großen Mediaagenturen und die Rabattpolitik ist ein Phänomen, das über Deutschland hinausreicht und in Frankreich die Politik bereits auf dem Plan gerufen hat. Herr Professor Thoma hat seine Stimme erhoben. Bei den Medientagen München wird erwartet, dass sich der Bundeswirtschaftsminister auf das Thema einlässt. Gerne gebe ich beim heutigen Symposion den Startschuss für den Beginn der juristischen Aufarbeitung, die der politischen Bewältigung der Thematik wichtige Impulse geben kann. Ich freue mich auf Informationen aus erster Hand und bin gespannt auf den wissenschaftlichen Vortrag. Das BLM-Symposion Medienrecht 2015 ist eröffnet.