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Positionen & Reden

Grußwort Martin Gebrande, Geschäftsführer der BLM für die Fachtagung „Be yourSELFIE – Worauf junge Nutzer bei der Selbstdarstellung im Netz achten sollten“

14.06.2016 | P&R 2016
Sehr geehrte Medienrätin Frau Kriebel,
sehr geehrte Medienräte Herr Kustner und Herr Wöckel,
sehr geehrte Referentinnen und Referenten,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
herzlich willkommen in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien zu unserer Fachtagung „Be yourSELFIE! Worauf junge Nutzer bei der Selbstdarstellung im Netz achten sollten“. Nach dem Erfolg der 1. Fachtagung in unserer neuen Veranstaltungsreihe zu Jugendschutz und Nutzerkompetenz 2015 freue ich mich, dass auch dieses Jahr unser Thema große Resonanz findet.
 
Das Interesse von Pädagogen und Erziehungsverantwortlichen für dieses Thema ist verständlich, denn gerade für Jugendliche gehört die mediale Selbstins­zenierung über Selfies auf WhatsApp oder sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram zum Alltag. Das Selfie, in früheren Zeiten als Selbstportrait eher Künstlern vorbehalten, hat sich zum Massenphänomen entwickelt – und zwar nicht nur unter jungen Menschen, sondern immer stärker auch generationen­übergreifend. Oder können Sie sich an einen Urlaub in den letzten Jahren erinnern, in dem eine Sehenswürdigkeit mal nicht durch Selfie-schießende Touristen umlagert war, teilweise übrigens auch an unpassenden Orten wie historischen Mahnmalen?
 
2013 kürte das Oxford English Dictionary den Begriff „Selfie“, was so viel wie digitales Selbstbildnis bedeutet, zum Wort des Jahres. Der Gebrauch dieses Begriffs war innerhalb des Jahres 2013 im englischsprachigen Raum um 17.000 Prozent angestiegen. Im deutschen Duden ist das Selfie definiert als – ich zitiere – „mit der Digitalkamera (des Smartphones oder Tablets) meist spontan aufgenommenes Selbstporträt einer oder mehrerer Personen“. Ich war – ehrlich gesagt – überrascht, wie viele Sonderbegriffe vom Selfie mittlerweile existieren, je nachdem, in welcher Situation es geschossen wird. Da gibt es u.a. das „Helfie“ mit Fokus auf den Haaren, das „Shelfie“ im Wohnbereich vor den Regalen, das „Welfie“ beim sportlichen Workout, das „Relfie“ als Pärchen-Selbstportrait und – aus Jugendschutzperspektive – leider auch das „Nudie“, ohne Kleidung.
 
Nicht nur sprachlich, sondern auch gesellschaftlich sind Selfies heute bereits ein fester Bestandteil unserer medialen Identität, und zwar insbesondere für Jugendliche. Kein Wunder: In einer Welt ohne Sendeschluss (und damit ist nicht das Fernsehen, sondern der inflationäre Gebrauch von WhatsApp oder Snapchat gemeint) ist das Smartphone für Jugendliche und auch immer mehr Kinder das Tor zur sozialen und digitalen Welt geworden. Nach der KIM-Studie 2014 verfügen bereits 36 Prozent der 10- bis 11-Jährigen über den Instant Messenger Dienst WhatsApp. Und laut JIM-Studie 2015 ist für 69 Prozent der 12- bis 13-Jährigen WhatsApp die wichtigste Community, noch vor Facebook und Instagram. Man darf gespannt sein, was 2016 herauskommt, wenn zusätzlich die immer populärer werdende Messenger-App Snapchat abgefragt wird.
 
Eine Warnung dürfte uns eine andere Zahl aus der JIM-Studie sein, der Studie „Jugend, Information und Multimedia“, über den Umgang 12- bis 19-Jähriger mit Medien vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest: 64 Prozent der 12- bis 13-Jährigen fühlen sich in Bezug auf den Schutz ihrer Daten in Online-Communities wie Facebook, WhatsApp, Instagram oder Snapchat sicher bzw. sehr sicher. Und bei den 14- bis 15-Jährigen sind es immerhin noch 58 Prozent. Ein trügerisches Sicher­heitsgefühl in Bezug auf die Daten, von denen ein großer Teil Fotos zur Selbstdarstellung – allein oder auch in Gruppen – sind.
 
Und damit sind wir gleich beim Untertitel unserer Fachtagung: „Worauf junge Nutzer bei der Selbstdarstellung im Netz achten sollten“: Selbstdatenschutz, Persönlichkeitsrechte und Bildrechte sind eben auch ein wichtiger Teil der Diskussion über Selfies. Wir wollen das Thema aber nicht nur unter dem Aspekt der Risiken betrachten, sondern aus verschiedenen Perspektiven: aus der kunsthistorischen, der medienpsychologischen und der gesellschaftspolitischen Perspektive.
 
Dabei gilt es, folgende Fragen zu beantworten: Wie hat sich das Selbstportrait im Wandel der Zeit entwickelt? Dazu darf ich den Kunsthistoriker Dr. Ulrich Blanché ganz herzlich begrüßen. Was treibt Kinder und Jugendliche dazu, ihr Privatleben zu offenbaren und den eigenen Beliebtheitsgrad an Likes und Klicks zu messen? Zur Selbstdarstellung während der Identitätssuche wird die Medienpsychologin Dr. Astrid Carolus sprechen. Sie findet es übrigens zutiefst menschlich, sich zu präsentieren und zu zeigen. Jugendliche hätten das früher offline ebenso gemacht und nun käme die Online-Selbstinszenierung dazu, hat sie im Interview mit unserem Blog www.blmplus. de im Vorfeld erläutert. Zum Leidwesen der Eltern, die sich mit dem Online-Verhalten ihrer Sprösslinge heute eben stärker auseinandersetzen müssten.
 
Dass die „Selfieritis“ natürlich immer auch Bildrechte tangiert und wie die Kontrolle über das eigene Bild zu bewahren ist, zeigt uns der rechtliche Exkurs von Rechtsanwalt Fabian Frank. Erlauben Sie mir dazu noch einen Hinweis in eigener Sache: Zum Selbstdaten­schutz hat die BLM kürzlich eine Broschüre veröffentlicht, die Sie auf Ihren Plätzen finden und auch auf unserer Website www.blm.de herunterladen können.
 
Auch wenn es beim Selfie um das digitale Selbstbildnis geht, die mediale Selbst­inszenierung kann auch durch Text erfolgen, wie uns die Sprachwissenschaftlerin Dr. Netaya Lotze zeigen wird, die heute freundlicherweise für die erkrankte Frau Dr. Marx eingesprungen ist. Herzlich willkommen!
 
Die aktuellen Entwicklungen von Selbst­darstellungen im Netz dokumentiert Jutta Schirmacher aus dem Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz, und ihre Kollegin Sonja Schwendner hat die undankbare Aufgabe, sich mit problematischen Inhalten und Risiken in puncto Selbstinszenierung aus Sicht des Jugend­schutzes auseinanderzusetzen. Denn die Selbstdarstellung in Bildern und Videos ist durchaus jugendschutzrelevant. So gehören Missgeschicke aus dem täglichen Leben oder äußerst gefährliche Mutproben von Extremsportlern zu weit verbreiteten Inhalten im Web 2.0. Der Unterschied zum Fernsehen: In den Online-Communities oder auf YouTube weist keiner mehr auf die Gefahr der Nachahmung hin.
 
Für die Like-Maximierung durch Selfies wird die Risikomaximierung selbstverständlich in Kauf genommen. So traurig es ist: Aber in Mumbai wurden laut dem Jugendmagazin jetzt.de vor kurzem Selfie-Verbotszonen eingerichtet. Der Grund: Mit 19 von 49 Opfern steht Indien weltweit an erster Stelle bei der Zahl der tödlichen Selfie-Unfälle. Das hat die Datenplattform  Priceonomics kürzlich veröffentlicht.
 
Wo liegen also die Grenzen für die mediale Selbstinszenierung durch Selfies? Welche gesellschaftspolitischen Folgen hat es, den „Wert des Ichs“ auf diese Art und Weise zu steigern? Wie ist diese Entwicklung aus Sicht der Medienethik zu bewerten? Fördert sie vielleicht auch den Trend zu gefakten Bildern und lässt die Wahrhaftigkeit in den Hintergrund rücken?
 
Wichtige und interessante Fragen, mit denen sich in unserer abschließenden Diskussionsrunde Dr. Astrid Carolus, die Medienethikerin Dr. Nina Köberer und die Publizistin Anke Domscheit-Berg auseinandersetzen werden. Herzlichen Dank, dass Sie alle gekommen sind!
 
Meine Damen und Herren,
 
always on, mobil und im Web 2.0 unterwegs, das als Bühne und Spiegel dient: Das entspricht nicht nur dem Lebensgefühl, sondern dem Nutzungsverhalten der meisten Kinder und Jugendlichen heute. „Be yourself“- Sei du selbst und habe deinen Spaß damit, aber handele auch verantwortungsbewusst bei der medialen Selbstdarstellung. Zu einem souveränen und verantwortungsvollen Umgang mit Selfies beitragen zu können, ist das Ziel unserer heutigen Fachtagung. Entsprechendes Informationsmaterial finden Sie draußen im Foyer an den Ständen. Hilfreiche Anregungen bietet auch die Ideenbörse in der Pause in den beiden Räumen nebenan, zu deren Besuch ich Sie ausdrücklich einladen möchte. Ich wünsche Ihnen auf einen interessanten Tag!