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Positionen & Reden

Grußwort von BLM-Präsident Siegfried Schneider zur Präsentation des Medienkompetenzberichts am 16. Februar 2016 im Hopfingerbräu, Berlin

17.02.2016 | P&R 2016
 
- Es gilt das gesprochene Wort! –
 
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
 
auch ich darf Sie ganz herzlich zum Parlamentarischen Frühstück der Medienanstalten anlässlich der Vorstellung des Medienkompetenzberichts der Landesmedienanstalten begrüßen! Danken möchte ich meinem Kollegen Herrn Fasco von der Thüringer Landesmedienanstalt. Er koordiniert den Fachausschuss „Bürgermedien, Medienkompetenz, Jugendschutz“ der DLM/ZAK und hat vorliegenden Bericht mit seinem Team auf die Beine gestellt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Unser neuer Medienkompetenzbericht dokumentiert anschaulich die zahlreichen Aktivitäten der Landesmedienanstalten, die sich seit vielen Jahren in ihren jeweiligen Ländern für mehr Medienkompetenz engagieren. Ihre zahlreichen renommierten und praxisorientierten Projekte und Initiativen machen Kinder und Jugendliche, aber auch Eltern und Erziehende fit für den Umgang mit den Medien. Bevor Sie gleich einen Einblick in diese Aktivitäten erhalten, möchte ich als Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten die Gelegenheit heute nutzen, das Thema Medienkompetenz einmal etwas grundsätzlicher anzugehen.
 
Denn, meine Damen und Herren, in Zeiten der digitalen Revolution stehen nicht nur die Medien und die Medienpolitik vor großen Herausforderungen. Die Digitalisierung hat längst alle Bereiche unserer Gesellschaft erfasst. Die radikalen Umbrüche betreffen nicht nur die Medienwirtschaft. Es geht um radikale Veränderungen im Hinblick auf Technologien, Produkte und Dienstleistungen, durch die die Spielregeln in den Märkten verändert werden – ganz gleich, ob im Verkehrs- oder Gesundheitswesen, bei der Logistik oder in öffentlichen Entscheidungsprozessen. Die Digitalisierung betrifft alle Branchen und alle Menschen.
 
Wie vielschichtig die Aufgabenstellungen sind, möchte ich anhand einiger Themen illustrieren, die in der DLM dieses Jahr auf der Agenda stehen:
 
Die wichtigste Herausforderung der Zukunft ist es, auf die Digitalisierung mit einer konvergenten Medienordnung zu reagieren. Eine solche konvergente Medienregulierung wird nur in einer engen Zusammenarbeit zwischen Ländern, Bund und EU gelingen. Ich bin zuversichtlich, dass die Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz dafür eine gute Voraussetzung bietet. Die Landesmedienanstalten werden hier auch künftig ihre langjährige Erfahrung und ihren Sachverstand als Anwalt der Medienunternehmen und der Mediennutzer einbringen.
 
Als neutrale föderale Instanzen, die mitgeholfen haben, dass in Deutschland einzigartige Rundfunklandschaften entstanden sind, sehen die Landesmedienanstalten ihre Hauptaufgabe darin, sich für den Erhalt dieser Vielfalt im Sinne der Allgemeinheit stark zu machen.  In dem Zusammenhang diskutiert die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) gerade über Vorschläge für eine Anpassung des Medienkonzentrationsrechts. Wichtig für den Erhalt der Vielfalt gerade auf der lokalen und regionalen Ebene ist für mich auch eine Reduzierung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
 
Medienvielfalt setzt außerdem voraus, dass die Nutzer wissen, von wem die einzelnen Angebote stammen und wer sie verantwortet. Transparenz ist daher ein wichtiger Baustein in einer konvergenten Medienwelt. Und schließlich ist bei dem Komplex Medienvielfalt und Transparenz die Plattformregulierung ein entscheidender Aspekt. Sie muss die Bereiche Belegung, Gewährleistung eines offenen Zugangs, Navigation und Kapazitätszuweisungen umfassen. Mit dem Themenkomplex Plattformregulierung und Intermediäre werden wir uns auf dem diesjährigen DLM-Symposium am 17. März hier in Berlin intensiv beschäftigen. Die Veranstaltung, zu der ich Sie heute schon ganz herzlich einlade, steht unter dem Motto: „Neue Nadelöhre – wer bestimmt unseren Zugang zu den Medien?“.
 
Viel diskutiert wird in dem Zusammenhang gerade auch über die Netzneutralität. Die Medienanstalten fordern eine Beteiligung am Umsetzungsprozess der im Europäischen Parlament Ende Oktober vergangenen Jahres beschlossenen Verordnung zur Netzneutralität ein. Denn die Bundesnetzagentur sieht in erster Linie die technischen Fragestellungen. Die Landesmedienanstalten dagegen verstehen sich als Aufsicht zur Sicherung des ungehinderten, barrierefreien Zugangs zu Medieninhalten. Gegen Geld oder Umsatzbeteiligung bestimmte Daten schneller durch die Leitungen im Netz zu schicken, ist nicht in unserem Sinne. Wie die Verordnung umgesetzt wird, sollen nun Richtlinien des „Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation“ (GEREK) genauer definieren. Dieses Gremium besteht aus Vertretern der jeweiligen „nationalen“ Regulierungsbehörden aller EU-Staaten. Doch während in anderen europäischen Ländern nur eine Institution die Regeln für Telekommunikation und audiovisuelle Medieninhalte aufstellt, sind in Deutschland die Zuständigkeiten getrennt: Für die Telekommunikation ist auf Bundesebene die Bundesnetzagentur verantwortlich, die Aufsicht für die Medieninhalte liegt bei den Ländern. Bisher ist nur die Bundesnetzagentur an der GEREK beteiligt – aus unserer Sicht muss aber auch die Gemeinschaft der Landesmedienanstalten mit an den Verhandlungstisch.
 
Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der DLM wird 2016 das Thema Barrierefreiheit sein. Hier haben die Medienanstalten ein Gutachten zur Mediennutzung behinderter Menschen in Auftrag gegeben – nicht zuletzt, um eine verstärkte Wahrnehmung der Problematik bei den privaten TV-Veranstaltern zu forcieren. Aber das ist nur ein Beispiel für das Engagement der Landesmedienanstalten in dem Bereich. Unter Barrierefreiheit verstehen wir nämlich weit mehr als beispielsweise Untertitel für Hörgeschädigte anzubieten. Barrierefreiheit ist der chancengleiche Zugang zu Informationen und Wissen. Die Kluft zwischen Gesellschaftsgruppen, die am digitalen Leben teilhaben, und denen, die davon nicht profitieren, müssen wir überwinden. Und zwar in alle Richtungen: zwischen Stadt und Land, zwischen jung und alt, zwischen Menschen mit geringerem und höherem Bildungsstand, zwischen Einheimischen und Migranten, zwischen Menschen mit und ohne Förderbedarf.
 
Sie fragen sich nun, meine Damen und Herren, was diese Beispiele aus der Themenpalette der DLM mit der Medienkompetenz zu tun haben? Ganz einfach. Ich möchte damit begründen, warum sich die Landesmedienanstalten für die Zukunft vorgenommen haben, ihre Aktivitäten in dem Bereich noch breiter zu etablieren, sie weiterzuentwickeln und zu ergänzen. Medienkompetenz heute muss als allumfassende Kompetenz gesehen werden, die immer mehr an Bedeutung gewinnt – nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern für uns alle, für Sie und für mich. Medienkompetenz hat dabei technische, handwerkliche und ethische Dimensionen, auf die – je nach Zielgruppe – der Fokus unterschiedlich gelegt werden kann. Medienkompetenz-Förderung muss daher als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe verstanden werden. Das hat auch der Deutsche Bundestag im Entschließungsantrag „Durch Stärkung der Digitalen Bildung Medienkompetenz fördern und digitale Spaltung überwinden“ deutlich gemacht.
 
Um zu verdeutlichen, was mit gesellschaftlicher Querschnittsaufgabe gemeint ist, möchte ich nun noch kurz über die aus meiner Sicht wichtigsten Zielgruppen von Medienkompetenz-Förderung sprechen:
 
Kinder und Jugendliche sind selbstverständlich nach wie vor die wichtigste Zielgruppe vieler Medienkompetenz-Projekte. Nicht zuletzt, weil sie verletzlich sind, weil sie erst lernen müssen, verantwortungsbewusst mit den Medien umzugehen. Das heißt, Medieninhalte kritisch zu hinterfragen und einzuordnen. Risiken zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Das Potenzial neuer Technologien in der Medienarbeit auszuschöpfen. Doch gerade Letzteres tun schon die Kleinsten: Noch bevor Kinder lesen oder schreiben können, wischen sie selbstverständlicher als viele Erwachsene auf Tablets oder Smartphones herum… Und: Die sogenannte „digitale Volljährigkeit“ beginnt heute – laut KidsVerbraucherAnalyse 2014/15 – bereits mit neun bis zehn Jahren. Das heißt: Schon viele Jahre bevor aus Kindern Teenager werden, hängen sie ihre Eltern zumindest im technischen Umgang mit den mobilen Medien ab.
 
Deshalb brauchen wir Medienbildung nicht nur an Schulen, sondern auch an Hochschulen, wo junge Erwachsene ausgebildet werden. Aufklärung und Sensibilisierung darf nicht mit dem Schulabschluss enden. Sie sollte schon im Vorschulalter beginnen und sich fortsetzen an Universitäten, beruflichen Schulen und Institutionen der Erwachsenenbildung.
 
Dass gerade Eltern, Großeltern, alle Erziehenden sowie Pädagoginnen und Pädagogen eine zweite wesentliche Zielgruppe – gerade auch der Medienkompetenz-Initiativen der Landesmedienanstalten sind – ist bekannt. Es liegt auf der Hand, dass alle, die viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, nicht nur wissen sollten, was diese in oder mit den – mobilen – Medien machen, sondern auch, welche Prozesse dahinter ablaufen. Datenklau, Mobbing, Werbefallen – das sind nur drei Stichworte zu möglichen Risiken. Wer dafür sensibilisiert ist, kann die Chancen der Medienwelt viel besser nutzen.
 
Über andere Zielgruppen wird meiner Meinung nach bisher noch zu wenig gesprochen. Dazu möchte ich Friedrich Krotz zitieren, der derzeit als Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Bremen forscht und lehrt. Er schreibt in einem Beitrag, der in unserem Medienkompetenz-Bericht zu finden ist:

„Von den Regierungen und Parlamenten kann man vermutlich auch nicht sagen, dass sie auf dem Stand der Entwicklungen sind. Aber auch die Wissenschaft hinkt hinter der Entwicklung her – so kann eigentlich niemand sagen, welche Folgen das Internet der Dinge langfristig für das Aufwachsen der Kinder oder für die Formen unseres Zusammenlebens und für die Demokratie und Politik haben werden. Insofern leben wir in einem gigantischen Experiment, ohne zu wissen, was eigentlich raus kommt.“
 
Eine drastische Vision – und eine, die ins Grübeln bringt… Tatsache ist auf jeden Fall, dass es den Gesetzgebern und auch uns Regulierern bei der rasanten digitalen Entwicklung nicht selten wie dem Hasen im Wettlauf mit dem Igel ergeht: Sobald ein Gesetz oder eine Richtlinie verabschiedet ist, sind sie auch schon wieder veraltet…
 
Damit, meine Damen und Herren, bin ich schon fast am Schluss meines Referats.
Ich freue mich sehr, dass mein erster öffentlicher Auftritt als DLM- Vorsitzender das Thema Medienkompetenz zum Thema hatte. Denn dieses Thema ist nicht nur eines der herausragenden Themen der  Landesmedienanstalten, sondern liegt mir persönlich schon sehr lange am Herzen.
 
Die vielen richtungsweisenden Projekte und Initiativen der Landesmedienanstalten, die genauso abwechslungsreich und vielfältig sind wie die Bundesländer aus denen sie kommen, werden in dem Bericht vorgestellt. Bühne frei für die nun folgende Präsentation von Beispielen und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.