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Positionen & Reden

Grußwort des DLM-Vorsitzenden Siegfried Schneider auf dem DLM-Symposium „Neue Nadelöhre – Wer bestimmt unseren Zugang zu den Medien?“ am 17. März 2016 in Berlin

17.03.2016 | P&R 2016

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Bär,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Eumann,
meine Damen und Herren Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,
 
ich freue mich sehr, Sie zu unserem 11. DLM-Symposium in Berlin begrüßen zu dürfen! Danken möchte ich allen Referentinnen und Referenten für Ihre Bereitschaft, uns heute auf den aktuellen Stand über neue Entwicklungen und nötige Reformen der Medienregulierung in der digitalen Welt zu bringen. Mein herzlicher Dank gilt außerdem meinem Vorgänger im DLM-Vorsitz, Herrn Dr. Brautmeier, der leider heute nicht hier sein kann, weil er sich gerade in Austin/Texas auf der South by Southwest unter die digital creatives mischt. Er hat das spannende Thema des heutigen Tages noch unter seinem Vorsitz auf den Weg gebracht.
 
„Neue Nadelöhre – Wer bestimmt den Zugang zu unseren Medien?“ fragen wir im Titel unserer Veranstaltung. Sie ist quasi eine Konkretisierung des letztjährigen DLM-Symposiums. Vergangenes Jahr haben hier unter anderem EU-Kommissar Günther Oettinger und Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters über die Herausforderungen einer modernen Regulierung in der konvergenten Medienordnung gesprochen. Nach wie vor ist aktuell, was Staatsministerin Prof. Grütters vor einem Jahr anmahnte. Ich zitiere:
 
„Um dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Vielfaltssicherung nach wie vor gerecht zu werden, bedarf es einer zeitgemäßen und entwicklungsoffenen Anpassung der Medienordnung an die Gegebenheiten der digitalen Welt […] Die Unterscheidung zwischen der rein technischen Betrachtung des Übertragungsweges hier und einer medienpolitischen Vielfaltsregulierung da, ist längst überholt. Hier sind der Bund ebenso wie die Länder gefragt.“
Ende des Zitats.
 
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz gerade ihre Arbeit aufgenommen. Ein halbes Jahr später verabschiedete das Europäische Parlament die EU-Verordnung zur Netzneutralität (Telecom Single Market-Verordnung). Kurz vor Weihnachten gab es dann einen ersten Zwischenbericht der BLK, bis Juni sind konkrete Handlungsvorschläge angekündigt. Auch die vollständige Überarbeitung der AVMD-Richtlinie, zu der die EU-Kommission eine Konsultation durchgeführt hat, steht 2016 an. Wir können heute also – Gott sei Dank! – nicht nur über Absichten, sondern tatsächlich über erste reale Maßnahmen, die zu ergreifen sind, diskutieren.
 
Die Landesmedienanstalten begleiten den Gestaltungsprozess der digitalen Medienordnung nicht nur, sondern bringen sich aktiv ein. Die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) steht in intensivem Austausch mit den Entscheidern und Playern auf dem digitalen Medienmarkt. So hatten wir beispielsweise im Februar wichtige Austauschtreffen mit dem Bundeskartellamt und der Bundesnetzagentur. Vertreterinnen und Vertreter beider Behörden sind heute auch hier – herzlich willkommen!
 
Die Medienanstalten haben vor kurzem eine neue Stellungnahme zur Netzneutralität vorgestellt, die in engem Zusammenhang mit unserem heutigen Thema steht: Wir appellieren darin an das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation, kurz GEREK, die Idee des chancengleichen Zugangs zu den Inhalten im Netz bei der Umsetzung der EU-Verordnung zur Netzneutralität umfassend zu berücksichtigen. Ein Spezialdienst audiovisuelle Medieninhalte ist aus unserer Sicht nicht nötig. So sehr die Medienanstalten die grundsätzlichen Ziele der EU-Verordnung über Maßnahmen zum offenen Internet grundsätzlich begrüßen, so sehr bedauern wir andererseits, dass mit der Verordnung keine vollständige Absicherung des Prinzips der Netzneutralität erzielt wurde.
 
Die Medienanstalten sehen sich in dem Zusammenhang als Anwalt der Medienunternehmen und der Mediennutzerinnen und -nutzer. Deshalb müssen wir auch am Umsetzungsprozess der beschlossenen Verordnung zur Netzneutralität beteiligt sein. Die Landesmedienanstalten machen sich  für den Erhalt von Vielfalt und des ungehinderten, barrierefreien Zugangs zu Medieninhalten stark. Vielfaltssicherung ist in Zeiten der digitalen Transformation mindestens so wichtig wie im dualen Rundfunksystem!
 
Um an dieser Stelle weiterzukommen, setzen wir uns auf diesem Symposium mit den konvergenzbedingten Bruchstellen auseinander: Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass Rundfunk, Telemedien und andere Dienste mehr und mehr dieselben Übertragungswege nutzen, aber nicht derselben Regulierung unterliegen. Während die klassischen Plattformen bereits heute aufgrund ihrer Vielfaltsrelevanz in die Medienregulierung einbezogen sind, agieren Intermediäre wie Google, YouTube oder Twitter, die ebenfalls Zugang zu publizistischen Inhalten ermöglichen, ohne vergleichbare Verpflichtungen.
 
Zunächst wird uns gleich Frau Staatssekretärin Bär auf den neusten Stand der Dinge in Sachen Breitbandzugang bringen. Im Koalitionsvertrag ist ja das ehrgeizige Ziel festgelegt, dass Deutschland bis 2018 flächendeckend ein 50-Mbit-Netz aufbauen soll. Der barrierefreie Zugang zum Internet für alle Bürgerinnen und Bürger von der Bayerischen Berghütte bis zur holsteinischen Hallig ist grundlegend für ein selbstbestimmtes Leben in der Netzgesellschaft. Schön, dass Sie heute bei uns sind, Frau Staatssekretärin!
 
Am Vormittag konzentrieren wir uns dann in Anschluss auf den Themenkomplex der klassischen Plattformregulierung. Nach einem Werkstattbericht aus der Arbeitsgruppe „Plattformregulierung“ der Bund-Länder-Kommission von Herrn Staatssekretär Dr. Eumann wird uns Thomas Fuchs, Koordinator des Fachausschusses „Netze, Technik, Konvergenz“ der Medienanstalten, ein neues Positionspapier der DLM zur Fortentwicklung der Plattformregulierung vorstellen.
 
Inhaltlich dazu nur so viel: Die Plattformen der alten Schule – also Kabelnetzbetreiber oder auch Pay-TV-Pakete, die zwischen Sender und Zuschauer stehen, haben das große Potenzial, den Zugang der Sender zum Endkunden beziehungsweise die Auswahl der Nutzerinnen und Nutzer zu beeinflussen. Daher sieht der Rundfunkstaatsvertrag bereits heute vor, dass Plattformanbieter ihre Tätigkeit bei einer Medienanstalt anzeigen. Ziel der Medienanstalten ist es, diese bestehenden Vorgaben weiterzuentwickeln: Aus unserer Sicht ist – aufgrund der Vielzahl der Übertragungswege und -möglichkeiten – dabei eine ex-post-Missbrauchsaufsicht ausreichend. Alles weitere dazu später von Herrn Dr. Eumann und Herrn Fuchs – ich hoffe sehr, wir bekommen heute konkrete Hinweise, wohin die Reise geht…
 
Gespannt bin ich auch auf die anschließende Panel-Diskussion: Hier werden wir noch vor der Mittagspause die Positionen verschiedener Anbieter zur Plattform-Regulierung hören.
 
Nicht ganz so weit in der Meinungsbildung vorangeschritten sind wir beim Thema des Nachmittags: den Intermediären, also Suchmaschinen, Sozialen Netzwerken, App- oder User-Generated-Content-Plattformen. Auch sie aggregieren, selektieren und präsentieren Inhalte. Damit erfüllen sie strukturell gleiche Funktionen wie Rundfunk-Plattformen.
 
Noch nicht von der Hand zu weisen ist in dem Zusammenhang ein Trend, den gerade auch wieder Daten aus der neuen Gewichtungsstudie der Medienanstalten zur Relevanz der Medien belegen: Intermediäre wie YouTube, Facebook, Google und Twitter werden die informierende Mediennutzung im Internet zunehmend bestimmen. Vor allem für die 14- bis 29-Jährigen, die zu fast 50 Prozent täglich im Internet nach Informationen suchen, sind diese Vermittler wichtige Zugangswege zur Mediennutzung.
 
Dem Thema des Nachmittags nähern wir uns zunächst wissenschaftlich: Frau Prof. Dr. Katharina Anna Zweig von der Technischen Universität Kaiserslautern wird über Relevanz und Risiko in der Welt der Algorithmen sprechen – vielen Dank dafür!
 
Im Anschluss bekommen wir anhand von zwei weiteren Werkstattberichten Einblicke in Welt der Intermediäre: Frau Topel wird uns aus der Task Force Online-Plattformen des Bundeskartellamts berichten, dann bekommen wir ein Update aus der AG „Intermediäre“ der BLK.
 
Meine Damen und Herren, in einer globalen Medienwelt kommen wir mit der nationalen Gesetzgebung allein nicht wirklich weiter. Viele Aspekte der Medienregulierung werden wir auf europäischer Ebene regeln müssen. So sollte es in einer konvergenten Medienordnung eine Basisregulierung geben, die für alle audiovisuellen Mediendienste gilt und allgemeine Grundstandards regelt. Vorstellbar wäre, dass diese Basisregulierung auf europäischer Ebene verankert wird, während den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit vorbehalten bleibt, aus Gründen der Erhaltung eines qualitativ hochwertigen und vielfältigen Angebots strengere Regelungen, etwa in Verbindung mit einem Anreizsystem, vorzusehen.
 
Schließen möchte ich mit einem Blick in unsere Verfassung: Nach Artikel 5 Grundgesetz ist der Gesetzgeber nicht nur verpflichtet, vorherrschende Meinungsmacht zu verhindern. Sondern er muss auch die Rahmenbedingungen für ein möglichst vielfältiges Angebot schaffen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger, meine Damen und Herren, ist seit jeher das große Anliegen der Medienanstalten: Die Landesmedienanstalten fühlen sich – als neutrale föderale Instanzen, die mitgeholfen haben, dass in Deutschland einzigartige Rundfunklandschaften entstanden sind – diesem Grundsatz auch in der digitalen Welt verpflichtet!
 
Damit vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.