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Köpfe statt Konzepte? - Der Inhalt zählt mehr als die "Personality"-Verpackung

15.10.1998 | 1998

München. "Fernsehen braucht gute Köpfe wie die Bratwurst den Senf oder der Narziß den Spiegel." Diese Erkenntnis sei nicht neu, bemerkte Dieter Lesche in seinem Einführungsreferat zur Podiumsdiskussion "Köpfe statt Konzepte", die am zweiten Tag des BLM-Rundfunkkongresses den Programmchefs der deutschen Fernsehlandschaft Gelegenheit zum Schlagabtausch bot. Doch ein Kopf allein macht noch keinen Erfolg aus, waren sich Dieter Lesche, Helmut Thoma, Fred Kogel, Jan Körbelin und Günter Struve einig. Sie räumten ein, daß sie aus der Jagd nach den Köpfen und Personalities in der letzten Zeit einiges gelernt hätten: "Wir haben die Wirkung von den Köpfen etwas überschätzt", meinte SAT.1-Programmgeschäftsführer Kogel, der das Motto "Der Name ist Programm" dereinst ausgegeben hatte. Was die künftige Programmpolitik betrifft, äußerte die Runde einstimmig: Der Inhalt, das Konzept einer Sendung bzw. eines Formats, muß stimmen, sonst nützt die beste "Personality"-Verpackung nichts.

Nach Ansicht von ProSieben-Programmdirektor Jan Körbelin stellt sich die Frage "Köpfe statt Konzepte?" nicht, nur die Kombination von beidem könnte zum Erfolg führen. Als Programmchef müsse man sich eher fragen: Was sind die Konzepte, und welche Köpfe passen dazu? Er betonte auch, daß hinter jedem Kopf ein Team stehe, und die Performance des Konzeptes von diesem Team abhänge.

Allerdings werden die Personalities vor der Kamera weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Dabei müssen es aber nicht immer Stars sein, die sich die Sender gegenseitig abkaufen. Man sollte, so Körbelin, auch eigene Gesichter aufbauen. Mit Verweis auf die "Eigengewächse" Hans Meiser, Peter Kloeppel und Barabara Eligmann, bestätigte dies auch Noch-RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma. Es sei wohl wahr, daß die Sender aufgrund des Konkurrenzdrucks oft nach dem anderen Prinzip verfahren seien. So habe RTL mit dem Abwerben von Margarethe Schreinemakers im Grunde nur auf die Personaloffensive von SAT.1 geantwortet. Man dürfe aber eins nicht vergessen: "Letztlich macht der Sender die Stars und nicht die Stars den Sender."

Verlieren die Programmchefs die Kontrolle über ihre Sendungen, wenn wie im Falle von Schreinemakers Moderation, Redaktion und Produktion über ein outgesourctes Unternehmen läuft, an dem der "Kopf" beteiligt ist? Während Kogel bekannte, nie ein Freund von Outsourcing gewesen zu sein, hält Thoma "Outsourcing" mit Blick auf das wirt-schaftliche Risiko des Senders für die einzige mögliche Form, Fernsehen variabel zu gestalten. Das Risiko wird auf diese Weise verlagert, was auch die Öffentlich-Rechtlichen inzwischen ganz oder halbherzig praktizieren. Beispiele dafür sind "Christiansen" und "Privatfernsehen" mit Friedrich Küppersbusch. ARD-Programmdirektor Günter Struve betonte jedoch, das Outsourcing ginge nicht so weit, daß sich die outgesourcten Redaktionen gegen die redaktionelle Führung der ARD durchsetzen könnten. "Der Star allein", so Struve im Hinblick auf die Kontrollfrage, darf nicht sein einziger 'check and balances' sein.

Zu wenig Experimentierfreudigkeit bei der Realisierung neuer und origineller Kon-zepte warf Dieter Lesche, Ge-schäftsführer von Non-fiction, den Sendern vor. Darauf Körbelin: "Es gibt im Moment keine Fernsehlandschaft, in der so viel experimentiert wird wie in Deutschland." Alle Programmchefs räumten allerdings ein, daß die Experimentierfreude aufgrund des hohen wirtschaftlichen Risikos ihre Grenzen habe. An den Konzepten bestehender Formate indes werde kontinuierlich gearbeitet, berichteten die Praktiker in der zweiten Podiumsrunde. Personality und Outsourcing allein bietet jedenfalls keine Erfolgsgarantie, wie das Beispiel von "Privatfernsehen" zeigte. Moderator Friedrich Küppersbusch versuchte mit dem Vorurteil aufzuräumen, daß die "Köpfe" vor der Kamera eigene Firmen gründeten, um sich dann besser verkaufen zu können. Dieser Trend, so der Mitgesellschafter von probono, sei herbeigeredet worden. Eine Gefahr berge diese angebliche Entwicklung aber schon: "Sie tragen das Visagen- Risiko."

ZDF-Unterhaltungschef Axel Beyer sieht dagegen sehr wohl den Trend, daß sich "Stars" nun zusammen mit ihrer Produktionsfirma verkaufen. Sender, die Interesse an einer Zusammenarbeit hätten, so Beyer mit Blick auf "Kerner", müßten sich dieser Entwicklung fügen. Michel Souvignier, Geschäftsführer der Produktionsfirma "Couch Potatoe", mit der sich Bärbel Schäfer kürzlich selbständig gemacht hat, verneinte entschieden, daß die eigene Firmengründung etwas mit Geldgier zu tun habe. Um diesen mörderischen Job vor der Kamera durchzustehen, brauchten die Moderatoren ihr eigenes Umfeld um sich. Kontrolle durch den Sender gebe es dabei sehr wohl noch. Generell würde auch jede Konzeptentwicklung nur in starker Abstimmung mit dem Sender laufen.

Ein Patentrezept für die Entwicklung eines guten Konzeptes gibt es offenbar nicht. Alexander Stille, Chef von Crea-TV, die u.a. Hans Meiser und Birte Karalus produzieren, stellte klar, daß die Marktbedingungen die Entwicklung der Formate entscheidend bestimmten und sich eine Produktionsfirma auf keinen Fall auf einen Kunden, sprich:Sender, verlassen dürften, sondern ihre Aktivitäten breit fächern müßten. "Bewährtes plus ein bißchen Risiko" bezeichnete Küppersbusch als derzeit gängiges Konzept für die Entwicklung neuer Sendungen. Die Gestaltung eines Konzeptes sei vom Zeitgeist und vom Markt abhängig, Produktionsfirmen und Ideenlieferanten müßten eigentlich die Aufgabe eines "Maßanzug-Schneiders" erfüllen. In den Anfangszeiten des dualen Rundfunksystems hätte es mehr Experimentierfreude gegeben. Wirkliche Innovationen gibt es im Unterhaltungsbereich laut Beyer nicht mehr, weil die Spielformen immer dieselben blieben: "Wir sind im Grunde nur Verpackungskünstler." Allerdings hätten die Sender aus ihrer Hektik der letzten Zeit gelernt und würden den Programmen jetzt eine längere Bewährungsfrist einräumen.