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Pressemitteilungen

Medienjournalisten zwischen Feuilleton und Wirtschaftsnachrichten - Das duale Rundfunksystem hat auch die Kritiker verändert

14.10.1998 | 1998

München. Die Umwälzungen der Fernsehlandschaft in Deutschland sind auch an den Medienredaktionen bei Zeitungen, Zeitschriften und Fachinformationsdiensten nicht spurlos vorübergegangen. Das journalistische Berufsbild des "Fernsehkritikers" habe sich zwar seit Auflösung des öffentlich-rechtlichen Sendemonopols Mitte der 80er Jahre nicht grundlegend verändert, es sei aber aufgrund der zunehmenden Medienwirtschafts- und Medienpolitik-Berichterstattung und durch die von den Privatsendern betriebene "Konfektionierung" des Programmangebotes nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten "marginalisiert" worden. Diese Einschätzung teilten die Medienjournalisten Lutz Hachmeister (HMR-International), Barbara Sichtermann (Die Zeit), Uwe Kam-mann (epd-Medien), Ulf Brychcy (Süddeutsche Zeitung) und Karl-Otto Saur (Kontor für Kultur) bei einer von Dr. Ulrich Berls (Bayerische Akademie für Fernsehen) geleiteten Podiumsdiskussion auf dem BLM-Rundfunkkongress.

Karl-Otto Saur, einst Ressortleiter der SZ-Medienredaktion, sagte: "Die Bedeutung der Programmkritik hat sich in den letzten Jahren stark minimiert." Für Kritiken stehe selbst in den großen überregionalen Tageszeitungen immer weniger Platz zur Verfügung. Und die Regionalzeitungen würden dazu übergeben, sich ihre Fernsehprogrammseiten inklusive Vorankündigungen von Textagenturen komplett zuliefern zu lassen. Diese nachlässige Behandlung spiegele den Stellenwert der Medienberichterstattung in den meisten Zeitungshäusern wider.

Fernsehkritiker haben nach Auffassung von Barbara Sichtermann immer mehr Probleme, sich durch den Dschungel der Programme zu kämpfen. "Das Problem des heutigen Fernsehens ist, daß es sich der Kritik verweigert." Deshalb falle es den Fernsehkritikern immer schwerer, ihre Rolle als "Ratgeber des Zuschauers" effektiv wahrzunehmen.

Der einstige Leiter des Grimme-Institutes und heutige Unternehmensberater Lutz Hachmeister sagte voraus, daß sich auch in Deutschland eine andere, professionellere Art der Medienberichterstattung etablieren werde. "Wir werden auch hier Blätter wie Variety oder den Hollywood-Reporter bekommen." Diese amerikanischen Fachzeitschriften würden in exemplarischer Weise und mit hohen Qualitätsstandards Programmkritik und Marktanalyse miteinander verbinden. Demgegenüber leide der deutsche Medienjournalismus noch immer unter dem "nicht besonders hohen Niveau" der Berichterstattung und der oftmals anzutreffenden Unkenntnis der Autoren.

Demgegenüber verteidigte Uwe Kammann, Redaktionsleiter bei epd-Medien, den deutschen Medienjournalismus. "Die deutschen Fernsehkritiker sind nicht besser und nicht schlechter als die deutschen Theater- oder Literaturkritiker". Auch SZ-Wirtschaftsredakteur Ulf Brychcy nahm den Berufsstand in Schutz. Es gebe in Deutschland inzwischen eine ganze Reihe von Wirtschaftsjournalisten, die mit großer Kompetenz über die Medienindustrie schreiben und dabei dennoch nicht den Blick für das Produkt "Fernsehprogramm" verloren haben. Der Vorwurf der mangelnden Professionalisierung gehe ins Lehre, wenn man Medienjournalisten mit anderen Fachjournalisten vergleicht. "Ein Wirtschaftsredakteur, der über die Automobilindustrie schreibt, muß doch auch nicht wissen, wie man eine Zündkerze auswechselt", sagte Brychcy.