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Von Analog- zu Digital-TV - Verbreitungskonzepte und Übergangsszenarien - BLM-Präsident Ring warnt vor Verunsicherung der Verbraucher

15.10.1998 | 1998

München. Die Umstellung der Rundfunkversorgung in Deutschland von analoge auf digitale Technologie bis zum Jahr 2010 ist mit erheblich größeren technischen und finanziellen Problemen verbunden als erwartet. Insbesondere das terrestrisch über Grundsendernetze verbreitete sogenannte DVB-T bedarf daher einer klaren Einfürhungsstrategie, bei der Programmanbieter, Netzbetreiber, Geräteindustrie und Politik an einem Strang ziehen müssen. Das wurde bei einer Fachdiskussion im Rahmen des BLM-Rundfunkkongresses deutlich. BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring betonte, es gebe zwar einen "bunten Strauß technischer Möglichkeiten". Es müsse aber schon bald einen gemeinsamen Nenner geben. Ring: "Wir können es uns nicht leisten, die Verbraucher durch eine jahrelange Diskussion zu verunsichern."

Nach einem Beschluß der noch amtierenden Bundesregierung soll der Übergang in die digitale Rundfunktechnologie bis zum Jahr 2010 weitgehend abgeschlossen sein. Dazu ist ein zeitlicher Fahrplan mit allen Interessengruppen vereinbart worden. Die Umstellung betrifft die Verbreitung über Kabel, Satellit und Terrestrik. Allerdings fehlen von Seiten der Regierung klare Umstellungsszenarien.

Der Vorsitzende der technischen Plattform im DVB-Projekt, Prof. Dr. Ulrich Reimers, betonte, die digitale Zukunft habe auch in Deutschland längst begonnen. Über Kabel und Satellit würden bereits mehrere dutzende Programme digital ausgestrahlt. Lediglich in der Empfangstechnologie gebe es noch Nachholbedarf. Er versicherte aber, daß bis Ende 1998 ein gemeinsamer Softwarestand für das sogenannte Application Programming Interface (API) vorliegen werde. Ein standardisiertes API in den digitalen Set-Top-Boxen (Empfangsgeräten) ist Voraussetzung dafür, daß die Programmanbieter mit ihren individuellen Angeboten jeden potentiellen Kunden erreichen können. Es ist die technische Schnittstelle zwischen dem Anbieter und Nutzer. Reimers räumte ein, daß es noch sehr harte Lizenzverhandlungen mit der Firma Sun wegen deren Software Java gebe.

Hinsichtlich DVB-T zeigt sich Reimers zuversichtlich, da es auch in anderen Ländern konkrete Bestrebungen gebe, diese Technologie einzuführen. Er nannte Schweden, Italien, Großbritannien, Spanien, Australien, Neuseeland, China, Singapur und Argentinien. Dadurch würde ein weltweiter "Dominoeffekt" ausgelöst werden. In Niedersachsen werde demnäst ein Pilotversuch mit 40 Grundnetzsendern beginnen. Dabei lege man besonderen Wert auf den mobilen und den portablen Empfang.

Prof. Dr. Albrecht Ziemer, Produktionsdirektor des ZDF, räumte dem terrestrischen Digital-TV nur dann eine Chance ein, wenn der Verbraucher dadurch in den Genuß zusätzlicher Angebote kommt. Er nannte dabei konkret die Anbindung an Online-Dienste sowie zusätzliche Infotainment-Angebote. Ziemer plädierte für einen "harten inselweisen Umstieg", der zunächst in ostdeutschen Ballungsräumen beginnen sollte. Danach werde sich DVB-T "wie ein Joghurtpilz ausbreiten". Eine jahrelange Parallelausstrahlung von analogen und digitalen Signalen sei unter finanziellen Gesichtspunkten nicht zu leisten, so Ziemer.

Dagegen plädierte der Telekom-Manager Thomas Wächter für einen "weichen" Umstieg, der ebenfalls in Ballungsräumen beginnen sollte. Allerdings müsse in einem Übergangszeitraum das analoge Fernsehen durch neue digitale DVB-T-Angebote ergänzt werden, um dem Verbraucher einen Anreiz für den Umstieg zu bieten. Die Telekom habe in Berlin einen derartigen Versuch gestartet und wolle zur Funkausstellung 1999 rund 20 digitale Programme terrestrisch anbieten.

Vor dem hohen technischen Aufwand bei der Umrüstung der Grundnetzsender warnte der Abteilungsleiter Rundfunksender beim Bayerischen Rundfunk, Armin Lau. Vor allem für den mobilen Empfang der Signale seien Senderleistungen notwendig, die mit der vorhandenen Technologie nicht zu realisieren seien. Derzeit stünden die Sendemasten zu weit auseinander, um ganz Deutschland mit dem terrestrischen Digitalfernsehen versorgen zu können. Versorgungslücken seien daher unvermeidlich. Nach Ansicht von Jürgen Sewcyk, Leiter Übertragungstechnik bei RTL, sollte DVB-T ohnehin nur in den Ballungsgebieten eingeführt werden.

Sewcyk forderte, daß sich die Landesmedienanstalten an den technischen Investitionen der Privatsender beteiligen, um Chancengleichheit mit den gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sendern zu erlangen. BLM-Präsident Ring schloß derartige Subventionen jedoch kategorisch aus.

Bei der Umstellung von analog zu digital im Kabelnetz kommt es nach Auffassung von Ring darauf an, in welchen Besitz die Leitungen vom Beginn des kommenden Jahres an wechseln. "Die Ausgliederung des Telekom-Netzes", so Ring, "ist die wichtigste Frage des ganzen Umstiegsszenarios."