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Rundfunk und Pornographieverbot Ergebnisse und Diskussion einer Studie zum Geltungsbereich des Pornographieverbots im Rundfunk

19.04.2002 | 17 02
Angesichts der seit längerem geführten Debatte über die Definition sowie die Unzulässigkeit bzw. Zulässigkeit von Pornographie im Fernsehen zwischen den Landesmedienanstalten einerseits und den Fernsehveranstaltern und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) andererseits, hat die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) im vergangenen Jahr eine Untersuchung zum Pornographieverbot im Rundfunk in Auftrag gegeben. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse wurden vom Autor der Studie, dem Direktor der kriminologischen Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, Prof. Dr. Hans-Jörg Albrecht, am heutigen Freitag in der Landeszentrale erstmals vorgestellt und im Anschluss diskutiert.

In seiner Begrüßung wies der Präsident der BLM und Vorsitzende der Gemeinsamen Stelle Jugendschutz, Programm, Medienkompetenz und Bürgermedien (GSJP) der Landesmedienanstalten, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, darauf hin, dass die Programmpraxis mancher Fernsehveranstalter erkennen lasse, dass sie das absolute Verbot von Pornographie im Rundfunk offensichtlich als obsolet betrachten. Die Landesmedienanstalten hätten diesem Versuch der Verschiebung von Grenzen bislang erfolgreich entgegengewirkt und seien dabei von Seiten der Gerichte ausdrücklich in ihrer Aufsichtspraxis bestätigt worden. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner jüngsten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Beanstandung der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) gegenüber PREMIERE wegen der Ausstrahlung von fünf pornographischen Filmen den von den Landesmedienanstalten zugrunde gelegten strafrechtlichen Pornographiebegriff bestätigt. "Das Verbot von Pornographie im Rundfunk bezieht nach wie vor auch Pay-TV und Pay-Per-View-Angebote mit ein, die den gleichen gesetzlichen Bestimmungen unterliegen wie das Free-TV", so Ring. Angesichts der Wünsche der Veranstalter nach einer Liberalisierung, wies der Vorsitzende der GSJP darauf hin, dass Pornographie ein verzerrtes Bild von Sexualität, Geschlechterrollen und zwischenmenschlichen Beziehungen im Allgemeinen vermittle und damit fragwürdige Einstellungen und Rollenbilder transportiere. Wegen der Schwere der nicht auszuschließenden Schäden habe der Gesetzgeber deshalb festgelegt, dass Pornographie stets einen Fall schwerer Jugendgefährdung darstelle und deshalb verboten sei. "Es geht hier zentral um das Wohl und den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen", so Ring.

Im Anschluss daran stellte Prof. Dr. Hans-Jörg Albrecht seine Studie zur Reichweite des Pornographieverbots im Rundfunk vor. Albrecht legte dar, dass der Gesetzgeber nach wie vor davon ausgehe, dass Jugendliche durch den Konsum jugendgefährdender Medieninhalte in ihrer sozialen, psychologischen und im besonderen sexualpsychologischen Entwicklung Schaden erleiden können. Unterstützt werde diese Annahme durch allgemeine Untersuchungen zu Medienwirkungen, die zeigten, dass bei einer breitflächigen und über längere Zeiten andauernden Aufnahme von Filmen oder anderen Medieninhalten unerwünschte und negative Folgen auftreten könnten.
Mit § 184 StGB habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden pornographisches Material immer und unabhängig von der Art der Pornographie und deren Intensität als den Jugendschutz beeinträchtigend einzustufen: "Der § 184 Abs. 2 StGB ist deshalb als grundsätzliches Verbot für die Verbreitung pornographischer Sendungen über den Rundfunk auszulegen." Albrecht machte darüber hinaus deutlich, dass Veränderungen der gegenwärtigen Rechtslage angesichts der eindeutigen Regelungen nicht durch eine veränderte Auslegung herbeigeführt werden könnten. Vielmehr sei allein der Gesetzgeber dazu berufen, Veränderungen in den heute geltenden Beschränkungen und Verboten zur Verbreitung von Pornographie im Rundfunk zu ermöglichen.

In den Ländern der Europäischen Union gebe es trotz der herrschenden Unterschiede im Hinblick auf die strafrechtliche und rundfunkrechtliche Regulierung der Pornographie eine weitgehende Übereinstimmung sowohl in der strategischen Ausrichtung als auch in den Strukturen der Pornographiekontrolle: "Der Europäische Standard betrifft die überall geltende Annahme, dass pornographische Darstellungen die Entwicklung von jungen Menschen gefährden. Hieraus leitet sich durchgehend die Sichtweise ab, dass junge Menschen vor pornographischen Darstellungen im Rundfunk geschützt werden müssen", so Albrecht. In den Ländern der Europäischen Union, in denen die Verschlüsselung von Programmen als Implementation von Jugendschutz akzeptiert werde, sei es immer der Gesetzgeber, der die Bedingungen für eine Ausstrahlung festlege.

Könne Premiere mit einer solch strengen Auslegung des Pornographieverbots im Rundfunk leben? Mit dieser Frage an den Justitiar von Premiere, Dr. Burkhart Menke, eröffnete Moderator Dr. Volker Lilienthal (stv. Redaktionsleiter epd medien) die anschließende Diskussion. Neben Ring, Albrecht und Menke saßen auf dem Podium: die Fernsehjournalistin und stellvertretende Vorsitzen-de der Hamburgischen Anstalt für neue Medien, Heike Mundzeck; Prof. Dr. Hubertus Gersdorf von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock sowie Arno Greetfeld, Oberstaatsanwalt und Zentralstellenleiter strafrechtlicher Ju-gendmedienschutz.

Er könne mit einem solchen "Parteigutachten" gut leben, so Menkes Antwort, teile aber nicht die Einschätzung, dass nur der Gesetzgeber berufen sei, die Regelungen zu verändern. Premiere sei genauso wie alle anderen Beteiligten an einer Klarstellung der Auslegung des Pornographieverbots im Rundfunk interessiert, insbesondere was eine Lockerung angesichts veränderter technischer Möglichkeiten betreffe. Dieser Klarstellung bedarf es nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Greetfeld auch gar nicht: "Mit dem §184 Abs. 2 wollte der Gesetzgeber ein absolutes Pornografieverbot im Fernsehen gewährleisten." Er sehe keine Veranlassung der einschränkenden Auslegung dieses Verbots.

Den Aspekt einer notwendigen gesellschaftlichen Wertediskussion betonten sowohl Heike Mundzeck (HAM) als auch der GSJP-Vorsitzende Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring. "Die Achtung der Würde eines so intimen Vorgangs sollte nicht so leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden", so Mundzeck, die vor allem die neu eingeführte Splitscreen-Methode bei Premiere kritisierte, die noch zu einer Verschärfung der Problematik führe. Auch Ring betonte, dass es bei der Diskussion über das Verbot der Pornographie im Rundfunk nicht um irgendwelche "Lässigkeiten" gehe, sondern um eine entscheidende Wertefrage: "Wir befinden uns mitten in einer Wertediskussion über das Menschenbild. Diese gesellschaftliche Diskussion können wir nicht Gerichten überlassen, sondern da brauchen wir eine rechtspolitische Diskussion in den Parlamenten."

Im Dilemma sah Prof. Dr. Hubertus Gersdorf die Landesmedienanstalten, da ihnen nichts anderes übrig bleibe, als ein "verfassungswidriges Gesetz zu exekutieren". Gersdorf plädierte im Gegensatz zu Albrecht dafür, dass sich angesichts der neuen technischen Möglichkeiten durch die Vorsperre im digitalen Abofernsehen etwas ändern müsse. Wenn durch den Einsatz von Technik gewährleistet sei, dass Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu pornographischen Sendungen im digitalen Bezahlfernsehen hätten, dann wäre kein Schutzgut betroffen und somit dürfe die Ausstrahlung von Verfassung wegen nicht verboten werden.