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Augsburger Mediengespräche mit 400 Besuchern: "Medien inszenieren Politik immer mehr wie Showveranstaltungen"

01.07.2002 | 35 02
Guido Westerwelle im "Big Brother"-Container, Gerhard Schröder bei "Wetten daß?" und Edmund Stoiber beim Endspiel der Fußball-WM neben Fußballidol Pele: Was in der heutigen Mediendemokratie mehr zähle als die politische Botschaft, sei das "bewegliche (Fernseh-)Bild", so die Antwort von Westerwelle-Berater Fritz Goergen auf die Leitfrage der 2. Augsburger Mediengespräche "Politik und Medien: Wer inszeniert wen?". Rund 400 Besucher waren auf Einladung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und der Augsburger Radio- und TV-Sender am Freitag, 28. Juni, in den Augsburger Rathaussaal gekommen, um mit zu erleben, wie Medienberater, Journalisten und die Wissenschaft die Abhängigkeit von Politik und Medien beurteilen.

Michael Spreng, der Wahlkampfberater von Edmund Stoiber, pflichtete Goergen zwar bei, dass die Bilder immer mehr an Bedeutung gewinnen, kritisierte aber gleichzeitig, dass "Medien die Politik immer mehr wie Show- oder Theaterveranstaltungen inszenieren". Allerdings wären Ereignisse wie die Fußball-WM oder ein Besuch in Bioleks Talkshow nur zusätzliche Angebote der Medien. Im Endeffekt käme es auf die Kompetenz der Politiker an. Die Inszenierung der Politik durch die Medien wollte Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur des Berliner Tagesspiegels, gar nicht leugnen. Er wies aber darauf hin, dass die Politiker dies auch erwarteten: "Natürlich entscheiden und inszenieren Medien die Politik, nur nicht immer so, wie es sich die Politiker wünschen."

Vor einem zu ausgeprägten "Politainment" hatte in der Begrüßung BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring gewarnt: Die politischen Parteien hätten sich in den letzten Jahren mehr "auf das politische Design als auf die Parteiprogramme" konzentriert. Spätestens seit Möllemann kenne jeder den Imperativ: "Mach dich selbst zur Marke"! Andererseits gab Ring zu bedenken, dass unterhaltende Politik und politische Unterhaltung auch als Integrationsfaktor in einer Mediendemokratie wirken können. Ein bisschen zu viel "Markenbewusstsein" kritisierten einige Podiumsteilnehmer in Bezug auf die FDP-Strategie. Als Beispiel für eine "missratene Inszenierung" bezeichnete Michael Kronacher, Kommunikationsstratege und Berater von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die jüngste Auseinandersetzung zwischen Guido Westerwelle und Jürgen Möllemann. Diese Inszenierung sei eindeutig aus dem Ruder geraten, weil politische Prozesse eben doch nicht steuerbar seien. Tagesspiegel-Chefredakteur di Lorenzo schlug noch einen härteren Ton an: "Wenn durch inszenierten Tabubruch Wahlerfolge erzielt werden sollen, dann ist die Demokratie in Gefahr."

Doch können Medien den Wahlkampf entscheiden oder gar die Politik steuern? Auf diese Frage von Moderatorin Anne Will (Tagesthemen) hatte der Publizistikwissenschaftler Prof. Dr. Hans Mathias Kepplinger eine eindeutige Antwort: "Medienkommentare können dramatisieren, aber sie sind nicht wahlentscheidend." Die Kandidaten würden durch Ereignisse wie Fernsehduelle maximal drei Prozentpunkte gewinnen oder verlieren. Im Endeffekt ginge es darum, wem die Wähler zutrauten, die politischen Probleme zu lösen. Diese Wähler aber zu erreichen, wandte Goergen ein, werde immer schwieriger, weil Politik zu einem "Geschäft der Eliten" geworden sei. Die Politiker glaubten nur, sie täten etwas, was die Bürger interessiere. Eigentlich ginge es gar nicht um die Alternative "Vermittlung politischer Inhalte oder Personality-Show?", sondern um den Wettbewerb, eine genügend große Anzahl von Menschen zu erreichen. Deshalb müsse die goldene Regel im Medienzeitalter lauten: "Bitte möglichst keine politische Botschaft ohne ein passendes Bild!"