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Großes Interesse für Augsburger Mediengespräche 2003 - Kriegsberichterstattung: Zwischen Instrumentalisierung und notwendiger Distanz

12.09.2003 | 59 2003
Eine wahrhaftige Kriegsberichterstattung kann es nicht geben, nur eine vernünftige. Darüber waren sich die Korrespondenten und Redaktionsverantwortlichen einig, die bei den 3. Augsburger Mediengesprächen über "Nachrichten zwischen Propaganda und Zensur" diskutierten. Mehr als 400 Besucher waren am 11. September 2003, genau zwei Jahre nach dem Terroranschlag in New York, auf Einladung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und der Augsburger Radio- und TV-Sender ins Rathaus gekommen, um die Diskussion mit Friedhelm Brebeck (ehemaliger ARD-Korrespondent), Ulrich Tilgner (ZDF-Korrespondent in Bagdad), n-tv-Chefredakteur Markus Föderl, SZ-Auslandskorrespondent Tomas Avenarius und Prof. Dr. Johanna Haberer, Professorin für christliche Publizistik, zu verfolgen. Die Manipulation sowohl der Reporter vor Ort als auch der Medienkonsumenten zuhause hat in Zeiten der High-Tech-Kriege und der High-Tech-Information zugenommen. Die zentrale Frage laute also, inwieweit Medien von den Kriegsparteien instrumentalisiert werden und überhaupt noch die notwendige Distanz wahren können, betonten BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring und Klaus Kirchner, 2. Bürgermeister der Stadt Augsburg, in ihren Grußworten. Folgerichtig eröffnete Moderatorin Sabine Noethen die Diskussion also mit der Frage an Johanna Haberer, ob sie sich über den Irak-Krieg gut informiert gefühlt habe. Vom deutschen Fernsehen generell ja, so Haberer, fügte aber einschränkend hinzu: "Im Krieg sind Medien immer strategische Partner zur Desinformation, sie müssen sich nur dagegen wehren." Dafür ist nach Ansicht von Tilgner vor allem Gebietskenntnis und Erfahrung vor Ort notwendig. Nur so könne man die Befindlichkeiten der Bevölkerung einschätzen und die von den Kriegsparteien gesteuerten Informationen richtig einordnen. Überhaupt Informationen zu erhalten bzw. nicht manipulierte Informationen zu bekommen, ist eines der Hauptprobleme der Korrespondenten in Kriegs- und Krisengebieten. In diesem Zusammenhang wurde die Rolle der "eingebetteten Journalisten" im Irak-Krieg sehr kontrovers beurteilt. Während SZ-Korrespondent Avenarius dieses Phänomen generell als "Tabubruch" bezeichnet ("Damit gebe ich den Anspruch auf freie Berichterstattung auf!"), plädierte Tilgner dafür, die Möglichkeit zur Information zu ergreifen, selbst wenn sie nur in dieser Form besteht. Diese Kollegen könnten - anders als die Generäle - nach dem Krieg Lügen aufdecken. N-tv-Chefredakteur Föderl merkte an, dass es sich um einen "entlarvten" Tabubruch gehandelt habe, da jeder gewusst hätte, dass man inszenierte Nachrichten serviert bekomme. Die Bewertung der Quelle "embedded journalists" stehe und falle mit der Frage, wie diese Informationen redaktionell eingeordnet werden, gab Brebeck zu bedenken. Aus dem Puzzlespiel der Informationen ein schlüssiges Gesamtbild zu erstellen, sei die Kunst der Zentralredaktion, bestätigte Föderl. Ein weiteres Problem für die Korrespondenten sind die Arbeitsbedingungen vor Ort. Avenarius hob hervor, dass gerade Bilder eine starke manipulative Kraft hätten, und die Sender häufig deshalb so viel "Mist" absetzen würden, weil Wettbewerbssituation und Quotendruck so eine große Rolle spielten. Außerdem werde zu wenig Geld für eine vernünftige Kriegsberichterstattung ausgegeben. Dagegen wehrten sich Tilgner und Brebeck mit dem Argument, dass die Kollegen gute Bilder sogar gegen den Willen der Sender untereinander austauschten. "Der Krieg ist inszeniert, nicht die Bilder", so Tilgner, der auf ein ganz anderes Problem hinwies, nämlich die heutige Schnelligkeit der Kriegsverläufe und den enormen Zeitdruck für die TV-Journalisten, viele Male täglich auf Sendung sein zu müssen. "Das geht nur mit einem funktionierenden Back up und gutem Management." Wie schwer es für Journalisten sein kann, sich distanziert "dem Abenteuer Krieg zu entziehen" (Avenarius), zeigte Brebeck, der zum Schluss über den Zusammenhalt unter Kollegen etwas ins Schwärmen geriet. Seiner Meinung nach gibt es die Konkurrenz nur in der täglichen Quotenstatistik, draußen sei sie so gut wie gar nicht vorhanden.