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BLM-Forum zum Kabelmarkt: Deutschland, einig Kabelland? - Von Kooperation und Konsens noch wenig zu spüren

09.07.2003 | 48 2003
Nach jahrelangem Stillstand und dem Verkauf der restlichen Kabelnetze ist wieder Schwung in die Entwicklung des deutschen Kabelmarktes gekommen, doch von "Deutschland, einig Kabelland" sind die Marktteilnehmer offenbar noch relativ weit entfernt. Einen heftigen Schlagabtausch lieferten sich die Repräsentanten der Netzebenen 3 und 4, der Wohnungswirtschaft und der Programmanbieter gestern beim Kabelforum in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), auf dem "die Zukunft der Breitbandkabelnetze im Wettbewerb der Multimediaplattformen" unter der Leitfrage "Deutschland, einig Kabelland?" diskutiert wurde.

Dabei hatte der Gastgeber, BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, gleich im Grußwort betont: "Im Verhältnis zwischen Netzbetreibern und Veranstaltern wird es ohne vernünftige Kooperationen nicht gehen. Meines Erachtens ist aber auch die Kooperation zwischen den Netzebenen 3 und 4 die beste Möglichkeit, um das Kabel im Wettbewerb mit anderen Übertragungswegen zu stärken."

Das digitale Fernsehen mit seiner Kiosk-Vielfalt und neuen Nutzungsmöglichkeiten bildet den Schlüssel für den Erfolg der Kabelnetzbetreiber und auch der meisten anderen Marktteilnehmer, da waren sich die Diskutanten in München einig. Darüber hinaus will die Kabel Deutschland GmbH, wie CEO Roland Steindorf erläuterte, noch Internet-Zugang via Kabel - zunächst in den Testgebieten Berlin, Leipzig, Bayreuth und München - anbieten. Doch wie der Umstieg von analog auf digital konkret vollzogen werden soll, über diese Frage besteht noch kein Konsens. Eine Simulcast-Phase soll es auf jeden Fall geben, um den Umstieg für die Zuschauer attraktiv zu gestalten. Hier wünscht sich die Kabel Deutschland entsprechende Unterstützung durch die Landesmedienanstalten, während bei der analogen Kanalbelegung der Wunsch nach mehr Mitbestimmung laut wurde. Steindorf zeigte sich zwar einerseits kooperationsbereit gegenüber der Netzebene 4 und Wohnungswirtschaft, gab aber andererseits offen zu, dass man sich in Konkurrenz befinde.

Ein Ball, den Heinz-Peter Labonte vom Fachverband für Rundfunkempfangs- und Kabelanlagen sofort offensiv zurückspielte: "Wir haben nach wie vor den Kundenzugang, und das Hören auf Kunden erspart viele Wunden." Gegenwind bekamen die Kabelnetzbetreiber vom Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen (GdW). Dr. Claus Wedemeier vom GdW bot zwar die Partnerschaft beim Ausbau der Netze an, aber nur auf Basis fairer Geschäftsmodelle. Er plädierte vor allem für den Ersatz des klassischen "Gestattungsvertrages" zwischen Netzbetreiber und Wohnungsunternehmen durch einen modernen Gestattungsvertrag, der ein befristetes Eigentums- und Betreiberrecht der Kabelunternehmen beinhaltet.

Programm- und Diensteanbieter als Wegbereiter

Das Geschäftsmodell des "Triple-Plays" (Telefonie, Internet und Rundfunk) rentiere sich für Neueinsteiger nicht mehr, verdeutlichte Dr. Berthold Heil von Detecon International. Genauso sieht es auch die Kabel Deutschland GmbH, die stark auf Premiere und das digitale Abo-Fernsehen setzt. Entsprechend begrüßte Premiere-Chef Dr. Georg Kofler den angenehm frischen unternehmerischen Wind in der deutschen Kabellandschaft, doch die neue Situation dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Kabel die Zuschauer viel koste, aber weniger bringe als andere Übertragungswege. Laut Kofler sind vor allem zwei Schritte notwendig, um das digitale Fernsehen zum Massenmarkt werden zu lassen: ein neues sicheres Verschlüsselungssystem und die Penetration der Digital-Receiver. Um die Eintrittsschwelle extrem niedrig zu halten, soll es die Set-top-Box in einem Paketangebot für nur einen Euro "oben drauf" geben. "Premiere wird in den nächsten 18 Monaten einen Markt für 2-2,5 Mio. digitale Receiver schaffen", kündigte Kofler an, betonte aber gleichzeitig, dass er die Set-top-Boxen nur als ca. zweijährige Übergangsphase sehe bis zur Einführung von Fernsehern mit integriertem Empfangsteil. Für interaktive Anwendungen sieht der Premiere-Chef nur begrenzte Chancen.

Premiere als Türöffner für den digitalen Massenmarkt hat in der derzeitigen Situation einen Sonderstatus. Etwas schwieriger gestaltet sich die Frage der Digitalisierung für die Free-TV-Anbieter. So betonte die Vizepräsidentin des VPRT, Ingrid Haas, in der Podiumsdiskussion, dass die Programmveranstalter von den Kabelnetzbetreibern gerne wüssten, worauf man sich "einlassen müsse". Wichtig sei für RTL zum Beispiel die Art der Programmbündelung. Die verschiedenen Marken müssten sich untereinander vertragen.

Konsensbereitschaft aller Marktteilnehmer gefragt

Kritik an der Zahlungsbereitschaft der großen Sender bei der Kabeleinspeisung äußerte Peter Stritzl, Gesellschafter der ewt-Gruppe: "Das gerne von den Programmanbietern zitierte Diskriminierungsverbot beim Zugang zu den Netzen muss natürlich auch im Hinblick auf die Bereitschaft zur Bezahlung von Einspeiseentgelten an Netzbetreiber gelten. Ich finde es nicht richtig, wenn sich große Sender weigern, kleineren Netzbetreibern das ihnen zustehende Transportentgelt zu bezahlen". Trotz aller Interessengegensätze auf dem deutschen Kabelmarkt appellierte Stritzl an die Konsensbereitschaft der Marktteilnehmer. Das Veranstaltungsmotto "Deutschland, einig Kabelland?" habe einen Haken, und zwar das Fragezeichen am Ende. "Dieses Fragezeichen in ein Ausrufezeichen umzuwandeln, ist das Gebot der Stunde für alle Marktteilnehmer, die an der Entwicklung der Breitbandkabelnetze in diesem Lande Interesse haben."