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Medienrat beschließt Anrufung der KDLM - Entscheidung der KEK soll aufgehoben werden

26.01.2006 | 01 2006
Der Medienrat der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) hat in seiner Sitzung am 26. Januar 2006 den Präsidenten der BLM beauftragt, die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM) im Verfahren Kauf der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel Springer AG anzurufen. Ziel der Anrufung der KDLM ist, festzustellen, dass der Fortsetzung der Anbietertätigkeit der von der Landeszentrale genehmigten Programmanbieter Kabel 1 K1 Fernsehen GmbH, N24 Gesellschaft für Nachrichten und Zeitgeschehen GmbH und 9LIVE Fernsehen GmbH & Co. KG nach der angemeldeten Änderung der Inhaber- und Beteiligungs­verhältnisse unter Berücksichtigung der von der Axel Springer AG selbst ange­botenen Maßnahmen Gründe der Meinungsvielfalt im Fernsehen nicht entgegen­stehen. Der Medienrat hat damit deutlich gemacht, dass er von der Entscheidung der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) vom 10. Januar 2006 abweichen will. Die KEK hatte in ihrer Entscheidung gemäß § 29 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) das Entstehen vorherr­schender Meinungsmacht angenommen und die Übernahme nicht für unbedenklich erklärt.

Die Mehrheit des Medienrats vertritt die Ansicht, dass die negative Entscheidung der KEK rechtswidrig ist: Zum einen ist die KEK nicht befugt, eine Gesamt­würdigung des Sachverhalts vorzunehmen, wenn die in § 26 Abs. 2 RStV genannte Relevanzschwelle von 25 % Zuschaueranteil nicht erreicht ist. Dies ist nicht der Fall, da der auch von der KEK zugrunde gelegte Marktanteil der ProSiebenSat.1 Media AG lediglich bei 22,06 % liegt. Nach dem gesetzlich vorgesehenen Abzug von 2 % für die regionalen Fernsehfenster in Sat.1 und weiteren 3 % für die Drittsendezeiten, die die KEK fälschlich vom errechneten Gesamteinfluss unter Einbeziehung anderer Medienmärkte abzieht, liegt der für die Beurteilung maß­gebliche Zuschaueranteil aller Programme der ProSiebenSat.1-Gruppe nur bei 17,06 %.

Nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV wird „bei Erreichen eines Zuschauermarktanteils von 25 %, sofern das Unternehmen auf einem medien­relevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat oder eine Gesamtbeurteilung seiner Aktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschauermarktanteil von 30 von Hundert entspricht…“ vorherrschende Meinungsmacht vermutet. Dieser Wortlaut lässt klar erkennen, dass der Gesetzgeber Beteiligungen am Fernsehmarkt mit weniger als 25 % medienkonzentrationsrechtlich für nicht relevant hält. Unterhalb der Relevanz von 25 % findet deshalb Kontrolle nach § 26 Abs. 2 RStV nicht statt. Die Entstehungs­geschichte des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV bestätigt dieses Ergebnis. Die KEK begründet zu Unrecht ihre Loslösung vom Gesetzestext mit verfassungs­rechtlichen Erwägungen.

Aber selbst wenn man dem Ansatz der KEK folgen würde, trotz Nichterreichens der Relevanzschwelle von 25 % Zuschaueranteil die medienrelevanten Märkte einzu­beziehen, wird bei näherer Prüfung der Vorgehensweise der KEK deutlich, dass ihre Berechnungen weder methodisch noch wissenschaftlich haltbar sind. Zur Frage, ob von der KEK sinnvolle Messgrößen verwendet werden und ob diese Mess­größen unterschiedlicher Märkte sinnvoll und richtig verrechnet werden, hat die Landeszentrale bei dem renommierten Forschungsinstitut TNS Infratest GmbH eine Bewertung in Auftrag gegeben, die u.a. zu folgenden Ergebnissen kommt:
  • Die KEK rechnet dem tatsächlichen Zuschaueranteil der ProSiebenSat.1 Media AG in Höhe von 22,06 % unterschiedlich gewichtete Marktanteile der sich im Besitz der Axel Springer AG befindlichen Tageszeitungen, Programm­zeitschriften, Publikumszeitschriften und Online-Dienste zu und kommt damit auf einen angeblichen Meinungseinfluss von 42 Prozent. Zur Berechnung der Zuschaueranteile im Fernsehen stellt die Sehdauer die relevante Bezugsgröße dar. Anstatt bei den Printobjekten eine möglichst ähnliche Messgröße zu wählen, orientiert sich die Berechnung der KEK in diesem Fall an der verkauften Auflage, die jedoch wenig aussagt über die tatsächliche Nutzung und nur als außer­ordentlich grober Indikator für Meinungsmacht bezeichnet werden kann.
  • Willkürlich ist zudem die Wahl der von der KEK festgelegten Gewichtungs­faktoren, die im Bezug zum Fernsehen bei Tageszeitungen mit zwei Drittel, bei Programmzeitschriften bei einem Siebtel, bei Publikumszeitschriften mit einem Zehntel und bei Online-Angeboten mit 50 Prozent festgelegt werden. Dies bedeutet u.a., dass Programmzeitschriften wie beispielsweise die „Funkuhr“ mit einem deutlich höheren Meinungseinfluss als z.B. meinungsrelevante Publikums­zeitschriften wie „Spiegel“ oder „Stern“ gezählt werden.
  • Problematisch ist außerdem, dass die KEK den Zeitschriftenmarkt in Publikums- und Programmzeitschriften zerlegt, da dies erhebliche Auswirkungen auf die Messergebnisse hat: Die Summe der Messergebnisse aus den Teilmärkten ist nach dem Rechenmodell der KEK systematisch höher als der Marktanteil im Gesamtmarkt der Zeitschriften. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, die Meinungsgröße für Meinungsmacht gezielt zu erhöhen oder zu reduzieren.
  • Methodisch und wissenschaftlich nicht haltbar ist das Addieren von Marktanteilen aus verschiedenen Teilmärkten zur Gewichtung von Meinungsmacht, da es dabei unter bestimmten Marktkonstellatio­nen vorkommen kann, dass der errechnete Gesamtmarktanteil über 100 % liegt. Dies widerspricht jedoch der üblichen Definition von Marktanteil, der sich als Anteil eines Marktteilnehmers an der Summe aller Teilnehmer an diesem Markt definiert. So käme nach dem Berechnungsmodell der KEK die Bertelsmann-Gruppe auf einen Marktanteil von 37 %. Gemeinsam kämen Springer und Bertelsmann demnach bereits auf 79 % Marktanteil. Bei Einbeziehung der weiteren gewichtigen Sender und Verlage wie ARD, ZDF, Burda, Bauer, Holtzbrinck sowie aller im TV, Hörfunk, Print und Onlinemarkt vertretenen Akteure, ergäbe sich nach dem Rechenmodell der KEK als Summe der Einzel­gewichte eine Meinungsmacht von 290 Prozent. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass die von der KEK gewählte Berechnungs­methode wissenschaftlichen Grundsätzen nicht genügt.
Nachdem der Medienrat in seiner heutigen Sitzung den Präsidenten der BLM beauftragt hat, die KDLM anzurufen, kann die KDLM innerhalb von drei Monaten mit einer Dreiviertelmehrheit ihrer gesetzlich bestimmten Mitglieder den KEK-Beschluss durch einen eigenen Beschluss ersetzen.


>> Kontakt: Dr. Wolfgang Flieger, Tel. (089) 63 808-313, wolfgang.flieger@blm.de