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„Verantwortungskultur“ statt Stammtischdiskussionen - BLM und JFF präsentieren Studie „Neue Wege durch die konvergente Medienwelt“

19.01.2007 | 02 07

Nicht die Zeit, die Jugendliche in der konvergenten Medienwelt verbringen, ist entscheidend, sondern wie sie sich darin bewegen. Statt also Stammtischdis­­kus­sionen über das Verbot bestimmter Medieninhalte zu führen, sollte lieber mehr Geld in die Forschung investiert und die „Verantwortungskultur“ von Inhalte-Anbie­tern gestärkt werden, lautete das Fazit einer Expertenrunde, die gestern in der BLM über die Ergebnisse der Studie „Neue Wege durch die konvergente Medienwelt“ diskutierte (als Bd. 85 der BLM-Schriftenreihe erschienen).
 
Im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) hat das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis die konver­genzbezogene Mediennutzung von 11- bis 17-Jährigen untersucht. Dabei wurden insbesondere mediale Kultwelten wie „Star Wars“ oder auch „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ unter die Lupe genommen, die über verschiedene Mediengattungen hinweg (Fern­sehen, Internet und Computerspiel) den Dreh- und Angelpunkt der Mediennutzung Jugend­licher bilden: Sie suchen und finden Vergnügen, Information, Kommunika­tion und Inter­aktion in der immer komplexer werdenden Medienwelt.
 
Zugang zur vernetzten Medienwelt haben mittlerweile fast alle, es gibt allerdings ent­schei­dende Unterschiede in der Art der Nutzung. So sehen z.B. insbesondere Heran­wachsende mit niedrigem Bildungshintergrund die Medien eher als Konsum­raum an: Am Computer spielen, fernsehen oder Filme sehen, steht für sie im Vorder­grund. Heranwachsende mit hohem Bildungshintergrund dagegen nutzen die Medien auch als Gestaltungsraum: Sie holen sich im Internet neues Material zu einem Interessengebiet, beziehen in Internetforen Stellung zu einem Thema oder produzieren eigene Filme am PC. Damit drücken sie ihre Zugehörigkeit zu einer jugendkulturellen Szene aus. Das sind nur einige der Ergebnisse, die Prof. Dr. Helga Theunert und Ulrike Wagner vom JFF vorstellten (im Internet abzurufen unter www.blm.de und www.jff.de).
  
Angesichts der Erkenntnisse aus der Studie hielten es die Wissenschaftler und Regulierungsvertreter auf dem Podium für wenig zielführend, in der öffentlichen Debatte nur nach mehr Verboten zu rufen. Stattdessen sollten fördernde Maßnah­men ergriffen werden, die auch die Chance der Medienvernetzung nutzen, nämlich kreative Vielfalt zu unterstützen. „Stammtischdiskussionen helfen uns nicht weiter“, betonte BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring mit Blick auf die Verbots-Debatte. Einen rechtsfreien Raum ohne jegliche Aufsicht dürfe man aber genauso wenig akzeptieren. Darin war er sich mit den anderen Experten einig. Einen erhöhten Forschungsbedarf stellte Ring hinsichtlich des Phänomens der konvergenten Medienaneignung fest. Dieses Phänomen sei bisher weder in der Pädagogik noch in der Medienforschung ein zentrales Thema.
 
„Die Zeit läuft uns davon“, kritisierte Jutta Croll, Geschäftsführerin der Stiftung Digitale Chancen, die forderte, im Hinblick auf die sinnvolle Nutzung des Potenzials von Spielen und Internet. Hier seien insbesondere Erziehungsver­antwortliche wie Jugendleiter oder Lehrer gefragt, die aber so gut wie gar nicht in medienpädago­gischer Hinsicht ausgebildet wären. Es gebe zwar einen Bedarf, aber keine aus­reichende Infrastruktur für die Ausbildung in medienpädagogischen Fragen, be­stätigte der Medienpädagoge Prof. Dr. Bernd Schorb von der Universität Leipzig.
 
Mit Blick auf die Computerspiel-Debatte wies er noch auf einen weiteren Aspekt hin, der abseits der Bildungsfrage berücksichtigt werden sollte: Wenn Jugendliche mit hohem Bildungsniveau ihre sozialen Bindungen durch mediale Bindungen ersetzen, könne dies auch massive Probleme verursachen. Da Jugendliche ihre Identität zum großen Teil auch aus Medien beziehen würden, könnte man diesen Prozess dazu nutzen, positive Inhalte zu verbreiten. Deshalb plädierte er dafür, die „Verantwor­tungskultur“ der Spielehersteller und -entwickler stärker einzufordern. Diesen Begriff hatte vorher Dr. Wolfgang Schulz, Direktor des Hans-Bredow-Instituts, eingebracht. Angesichts der vernetzten Medienwelt, so Schulz, sollte die Regulierung stärker in eine "Verantwortungskultur“ überführt werden.
 
In diese Verantwortungskultur müsste laut Theunert auch das Bildungssystem ein­gebunden werden, um die Bildungsspaltung bei der Mediennutzung zu über­winden. Genauso wie Dr. Dagmar Hoffmann von der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg mahnte sie eine Beratung von Lehrern und Eltern in puncto verzahnter Medienwelt an.
 
>> Kontakt: Bettina Pregel, Tel. (089) 63 808-318, bettina.pregel@blm.de