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Verbote helfen nicht immer weiter - 300 Gäste bei den 7. Augsburger Mediengesprächen über „Computerspiele und Gewalt“

22.07.2009 | 42 2009

„Computerspiele und Gewalt“ – das Thema polarisiert wie kaum ein anderes. Die einen rufen nach gesetzlichen Verboten, die anderen mahnen die Verantwortung der Spieleindustrie und der Eltern an. In diesem Spannungsfeld bewegte sich auch die Diskussion bei den 7. Augsburger Mediengesprächen, der gestern rund 300 Besucher im Rathaussaal folgten. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien hatte Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Jugendschutz zur Diskussion der Frage „Computerspiele und Gewalt – Helfen Verbote weiter?“ eingeladen.

Computerspiele grundsätzlich als schädlich zu verteufeln, insbesondere im Zuge hitziger Debatten nach Amokläufen, macht keinen Sinn. Darin waren sich sowohl die Podiumsgäste als auch die Gastgeber einig. Denn digitale Spiele seien allgegenwärtig und längst ein Teil der Kultur, betonte BLM-Präsident Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring in der Begrüßung. Deshalb müsse sich die Gesellschaft mit der Frage auseinandersetzen: „Machen ausschließlich wir etwas mit Spielen oder machen Spiele auch etwas mit uns?“ Genauso wie Ring mahnte auch der Augsburger Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl eine Versachlichung der Debatte an: „Ich halte nichts davon, das Thema ‚Computerspiele und Gewalt’ erst hysterisierend hochzujubeln und es dann wieder in der Kiste verschwinden zu lassen.“

Eines zeigen die Marktzahlen und Studien ganz deutlich. Computerspiele üben insbesondere auf Jugendliche eine große Faszination aus. „Da ist etwas dran, an diesem zweiten Leben im Spiel: Energie, Aufregung“, alles, was in unserem Zusammenleben verloren gegangen sei, berichtete Schauspielerin Ulrike Kriener von ihren Erfahrungen als Mutter eines 14-jährigen Jungen.

Warum Computerspiele so viel Faszination ausüben, versuchte der Kinderpsychologe und Erziehungswissenschaftler Wolfgang Bergmann am Beispiel des Online-Rollenspiels „World of Warcraft“ zu erklären. Die Bildung von Gilden ersetze das, was wir unseren Kindern teilweise verweigerten: soziale Bindungen und Leistung ohne Druck. Wir müssten begreifen, dass wir unsere Kinder „in Leistungsängste“ zwingen würden und zu wenige gemeinsame Erlebnisse mit den Kindern hätten. Die Konsequenz daraus wäre die Flucht aus der Realität in die Welt des Computerspielens: „Wer die Realität gerne erlebt, verliert sich nicht in der Virtualität.“ Statt für Verbote durch den Staat oder die Eltern, die nicht weiter helfen, plädierte er deshalb für „Prophylaxe“ im Familienleben: „Wir dürfen den Kindern das nicht verbieten, sie aber auch nicht damit alleinlassen.“

Die Eltern und die Gesellschaft sieht auch Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow vom Institut für Medienwissenschaften in Paderborn in der Verantwortung. Er beklagte zunächst ein Informationsdefizit unter den Kritikern: Man müsse Games auch spielen, um sie zu verstehen. Die Gewaltdarstellung nehme in der gesamten Medienlandschaft zu. Deshalb müsste genau differenziert werden, ehe eine Branche komplett in die „Schmuddelecke“ gestellt werde. Seiner Ansicht nach überwiegen die positiven Effekte digitaler Spiele: strategisches Denken, symbolisches Handeln und die Förderung der Kreativität. Er warnte aber auch davor, die Computerspiele „zum Babysitter“ werden zu lassen, weil die Eltern keine Zeit mehr hätten. Die Gewaltfrage sieht der Spieleexperte gar nicht mehr als ein solch beherrschendes Problem an. In Zukunft sollte lieber die Suchtgefahr in den Fokus der gesellschaftlichen Diskussion gerückt werden.

Die Suchtfaktoren, die insbesondere Online-Spiele beinhalteten, sollten nicht unterschätzt werden, bestätigte Verena Weigand, Leiterin der Stabsstelle der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Deshalb sollten diese Faktoren wie beispielsweise sozialer Druck durch Gruppenzugehörigkeit Eingang in die Jugendschutzbewertung finden. Die Jugendschützerin und Medienpädagogin warnte aber auch davor, die Verantwortung für die negativen Auswirkungen von Spielen wie Sucht- oder Gewaltproblematik immer hin und her zu schieben: Gesetzlicher Jugendschutz diene dazu, vor allem sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zu schützen, deren Eltern eben nicht die komplette Verantwortung für den Medienkonsum ihrer Kinder übernehmen könnten.

In diesem Zusammenhang gab auch Moderator Thomas Kausch zu bedenken: Nicht alle Eltern hätten die Zeit und die finanziellen Mittel, ihren Kindern sportliche Aktionen wie Kanufahren oder Bergsteigen für das sinnliche Erleben anzubieten, so wie es Ulrike Kriener gefordert hatte. So einfach könne den Gefahren auch nicht begegnet werden, warnte der Psychologe Prof. Dr. Helmut Lukesch. Aggressive Dispositionen von Jugendlichen würden durch gewalthaltige Spiele verstärkt. Deshalb sollte die Spieleindustrie in die Pflicht genommen und gesellschaftlich geächtet werden, wenn sie mit solchen Spielen Geld verdient. Bestimmte Spiele dürften eben nicht mehr produziert und beworben werden. In diesem Sinne begrüße er das Verbot von so genannten „Killerspielen“.

Dass Verbote eine Berechtigung hätten und vor allem auch eine „gesellschaftliche Signalwirkung“ an die Eltern, hatte die Bayerische Familienministerin Christine Haderthauer im Verlauf der Diskussion betont. Man sollte allerdings genau prüfen, weshalb und wann der Staat eingreifen müsse. In diesem Sinne plädierte sie dafür, zum einen die Erziehungskompetenz der Eltern zu fördern und zum anderen im Gespräch mit der Spieleindustrie einen Wertekonsens zu finden, um die positiven Wirkungen von Spielen zu stärken.

 



>> Kontakt: Bettina Pregel, Tel. (089) 63808-318, bettina.pregel@blm.de