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Kosten, Daten, Inhalte – „Apps sollen Spaß machen, aber nicht den Spaß verderben“ - BLM-Fachtag zum Thema Nutzerschutz in Apps

08.10.2015 | 54 2015
Ein Alltag ohne Apps ist nicht nur für Jugendliche, sondern auch für viele Erwachsene nicht mehr vorstellbar. 175 Milliarden Apps sollen 2015 heruntergeladen werden, so Schätzungen. Doch die mobilen Alleskönner sind nicht nur praktisch, informativ und unterhaltsam, sondern können auch Risiken bergen. Ein Anlass für die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), den Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe zu Themen aus Jugend- und Nutzerschutz unter das Motto „Lasst Euch nicht verAPPeln! Kosten, Daten, Inhalte: Worauf (junge) Nutzer achten sollten“ zu stellen. Die Fachtagung mit mehr als 130 Besuchern fand gestern in München statt.
 
„Apps sollen Spaß machen, aber nicht den Spaß verderben“, betonte BLM-Präsident Siegfried Schneider in seiner Begrüßung. Deshalb ginge es letztlich darum, durch die Vermittlung von Medienkompetenz und intelligente Regulierung einen Ausgleich zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen zu schaffen: „Zentrale Anliegen einer solchen Regulierung bleiben der Jugendmedienschutz und das Gebot der Menschenwürde“, sagte Schneider. „Beim Datenschutz sei es „derzeit die Herausforderung, gesetzlich sicherstellen, dass unsere Daten nur kontrolliert verwendet werden“. Wichtige Impulse setze hier aktuell das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das das sogenannte „Safe-Harbor-Abkommen“ für ungültig erklärte. Persönliche Daten von Europäern dürfen demnach nur noch in den USA gespeichert und verarbeitet werden, wenn europäische Datenschutzstandards beachtet werden.
 
Kommunikation, Selbstdarstellung, Spielen – „Apps erfüllen urmensch­liche Bedürfnisse, die uns erst zu Menschen machen“, sagte der Journalist Friedemann Karig in seiner Keynote und betonte, dass für ihn die positiven Trends der Digitalisierung überwiegen. Durch mehr Daten und mehr Informationen entstünden mehr Wissen und mehr Fortschritt. Man müsse sich in der digitalen Welt aber darüber bewusst sein, dass Diskussionen anders – lauter und oftmals auch eindimensionaler – ausgetragen werden als im analogen Zeitalter: „Vieles, was früher ein Punkt war, ist heute ein Ausrufezeichen. Die Fragezeichen kommen dabei manchmal zu kurz.“
 
Einen Überblick über die beliebtesten Apps gab Jutta Schirmacher, Referentin im Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM. Nach den Messenger-Apps seien nach wie vor Facebook, Instagram, YouTube und Games am beliebtesten. Schirmacher warnte vor Kostenfallen wie In-App-Käufen, die gerade für Kinder kaum zu erkennen seien. Datenschutz-Risiken sprach sie am Beispiel WhatsApp an: „Die automatische Synchronisierung der Kontakte, Angaben zum Online-Status der Nutzer, Nachrichten mit Abofallen oder ein US-Server können problematisch sein.“
 
Zum Trend der Selbstvermessung – mittels Apps, die die Gesundheit optimieren sollen – sprach Veranstaltungs-Moderator Dr. Christian Stöcker von Spiegel Online mit Florian Schumacher, Gründer von Quantified Self Deutschland. Schumacher überprüft sich täglich mit Apple Watch, Fitness Tracker und ähnlichem. Ihm gebe das ein gutes Gefühl: „Messen ist für mich kein Selbstzweck. Es hilft, mich besser zu verstehen oder mir etwas zur Gewohnheit zu machen.“ Seine Gesundheitsdaten im Netz oder auch bei seiner Krankenkasse zu wissen, sei für ihn kein Problem.
 
„Wollen wir wirklich so viele persönliche Daten unreflektiert herausgeben?“, fragte dagegen Birgit Kimmel, die Pädagogische Leitung von klicksafe, der EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz. Sie plädierte dafür, erst einmal „gesellschaftlich auszuhandeln, wohin es gehen soll“ und forderte eine „ethische Debatte“ zum Thema. Ähnlich sah das die Rechtsanwältin und Bloggerin Ramak Molavi. Sie wies darauf hin, dass „kaum eine App datenschutzrechtlich in Ordnung“ sei und warnte: „Es ist nur sehr schwer zu erkennen, was hinter einer App-Software stecke.“ Bei einem amerikanischen Server sei grundsätzlich Vorsicht angebracht.
 
Um mögliche Auswirkungen von Datenpreisgabe für Nutzer und Gesellschaft drehte sich die Abschlussdiskussion. Während Dr. Kristina Hopf, Referatsleiterin im Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM, darauf hinwies, dass „Jugendliche davon ausgehen, nichts zu verbergen zu haben“ und deshalb häufig leichtfertig Daten preisgeben, war der Medienwissenschaftler Dr. Thomas Bächle von der Universität Bonn der Ansicht, dass Privatheit neu definiert werden müsse: „Mit unseren sehr normativen Vorstellungen werden wir an modernen Technologien scheitern.“ Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Daten­schutzaufsicht, meinte dagegen, dass „wir alle relativ freigiebig mit unseren personenbezogenen Daten sind“. Man müsse sich der Gegenleistungsfunktion der Daten – etwa um eine App kostenlos herunterladen zu können – bewusst sein. Dass es nichts Neues sei, Daten zu nutzen, darauf wies Dr. Klaus-Peter Potthast, Ministerialdirigent des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, hin. Mit Big Data bewege man sich heute allerdings in einer anderen Dimension. Problematisch werde dieses Geschäft, „wenn der Zugang zu bestimmten Leistungen an Datenpreisgabe gekoppelt“ werde, wie das etwa im Bereich der Krankenversicherungen möglich sei. Hopf: „Datenschutz könnten sich dann nur noch diejenigen leisten, die das Geld für eine teurere Versicherung inklusive Datenschutz haben.“ Einig waren sich die Diskussions-Teilnehmer in einem Punkt: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist in Zeiten von Big Data unverzichtbar.