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BLM-Rechtssymposion hinterfragt Macht der Mediaagenturen

12.10.2015 | 63 2015
Unabhängige, kleine TV-Sender und die regionalen Anbieter haben es auf dem Werbemarkt schwer, denn die großen Mediaagenturen haben aufgrund ihres Trading-Modells den TV-Werbemarkt fest im Griff. Ob diese Macht der Mediaagenturen durch Rundfunkregulierung begrenzt werden kann, war Thema des BLM-Symposions Medienrecht 2015 („Vielfaltssicherung durch chancengleichen Zugang zu Finanzierungs­quellen“).
 
Wenn Werbezeiten ausgebucht sind und die Einnahmen trotzdem nicht stimmen, weil Rabatte von bis zu 80 % nicht unüblich sind, dann kann man mit dem Fernsehwerbemarkt insgesamt nicht zufrieden sein, so BLM-Präsident, Siegfried Schneider in seinem Grußwort.
 
„So laufen lassen kann man es nicht mehr“, prangerte Prof. Dr. Helmut Thoma die Rabattschlacht und das Gebaren der Mediaagenturen an. In Frankreich habe man diese gesetzlich begrenzt. In Deutschland sieht Thoma die Medienvielfalt und die Programmlandschaft in Gefahr und forderte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die großen Mediaagenturen könnten durch ihre Macht das Programm indirekt mitbestimmen, weil die großen Sendergruppen aufgrund mangelnder Reichweiten der Kleinen doch fast keine Konkurrenz mehr hätten. Da liege das Sparen am Programm nahe, meinte der ehemalige RTL-Geschäftsführer und heutige Geschäftsführer von NRW.TV: „Warum soll ich teure Serien produzieren? Da halte ich doch lieber mit der Kamera auf den nächsten Messi drauf“, beschrieb er die ausschließlich an Kosten orientierte Produktionspolitik der Sender. Und wer kümmere sich in der Medienpolitik um die Begrenzung der Agenturmacht? „Niemand“, so Thomas Kritik.
 
Das Problem: Die Rolle der Mediaagenturen hat sich stark verändert – von der reinen Beraterfunktion (wo buche ich als Werbekunde Anzeigen oder TV-Spots, um meine Zielgruppe zu erreichen?) zum Rabatthändler, um es zugespitzt zu formulieren. Vier relevante Agenturen verfügen über mehr als 80 Prozent des Werbevolumens in Deutschland, wobei der größte Player fast die Hälfte des Werbegeschäfts abwickelt. Da große Werbepakete von den Vermarktungsgesellschaften der Sender gekauft werden, haben die Agenturen im Rabattpoker die Vorteile und kleinere Sender das Nachsehen, weil sie aufgrund des Tradings gar nicht erst ins Geschäft kommen.
 
„TV-Finanzierung – Herausforderung für kleine TV-Sender“ lautete folgerichtig der Titel der Präsentation von Robert Stahl, CTO des Vermarkters Goldbach Germany. Anhand eines „Power Ratio“ (Net Share of Advertising in Relation zum Audience Share) belegte Stahl die negativen Folgen des Tradings für die kleinen TV-Anbieter. Der TV-Werbemarkt in Deutschland wachse noch immer (4,9 Mrd. in 2015 bis 6 Mrd. in 2020). Die kleinen TV-Anbieter könnten aufgrund der beschriebenen Vermarktungssituation bisher nicht profitieren. Um kleineren Sendern (nationalen wie AXN oder Welt der Wunder sowie regionalen wie Hamburg 1, NRW TV oder der TV Bayern-Verbund) eine Chance zu geben, bietet der Vermarkter mit der Aggregation von Einzelreichweiten zu einer gesamten von GFK gemessenen Goldbach TV Werbeblock-Reichweite für die Integration eines Goldbach TV-Werbeblocks und den kleinen Spartenanbietern die Möglichkeit ins „Relevant Set“ der Werbeagenturen zu kommen.
 
Diese Art von „Genossenschaftsmodell“, so umschrieb Moderator Prof. Roland Bornemann, Justitiar der BLM, das Goldbach-Angebot hält Thoma für nicht ausreichend. Braucht es also doch den Gesetzgeber, um das System aufzubrechen? Laut dem Medienrechtler Prof. Dr. Mark D. Cole, Wissenschaftlicher Direktor des Europäischen Instituts für Medienrecht (EMR) gibt es auf Basis des geltenden Rundfunkrechts durchaus Anknüpfungspunkte, und zwar auf europarechtlicher Ebene, auf verfassungsrechtlicher Ebene, im Rahmen der Werberegelungen des Rundfunk-Staatsvertrages und im Zusammenhang mit dem Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht.
 
Im Zentrum von Coles Überlegungen steht dabei das Gebot der Medienvielfalt, das sich auch aus Art. 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention und einer Reihe von Erwägungsgründen der Europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) ableiten ließe. Ein weiterer Anknüpfungspunkt: Das in der Verfassung festgeschriebene Gebot der Sicherung von Meinungsvielfalt, das sich laut Bundesverfassungsgericht aus der Rundfunkfreiheit ableiten lässt. Daraus könnte ein Schutzauftrag des Rundfunkgesetzgebers erwachsen, um Vermach­tungsstrukturen im Fernsehmarkt zu vermeiden.
 
Für noch relevanter hält Cole die in § 7 des Rundfunk-Staatsvertrages festgelegten Werberegelungen, wonach Werbetreibende das Programm inhaltlich nicht beeinflussen dürfen. Hier sieht Cole auch Ansatzpunkte im Rahmen der Aufsicht durch die Landesmedienanstalten. Das Problem: Dafür müsste der indirekte Einfluss der Mediaagenturen auf die Programmgestaltung nachgewiesen werden, so Cole. Daran aber hätte keiner der Beteiligten irgendein Interesse. „Problem erkannt, aber nicht gebannt“, so sein Fazit.
 
In Frankreich hingegen habe der Gesetzgeber das Problem bereits gebannt, berichtete Thoma. Dort wären die Mediaagenturen wieder auf ihre Beraterfunktion zurückgestutzt worden, die keine marktbeherrschende Stellung haben dürften. Doch wird der Mut der Medienpolitik in Deutschland so weit reichen? Daran zweifelten nicht nur die Diskutanten auf dem Podium, sondern auch einige Symposions-Teilnehmer. Was wirklich helfen würde, so Professor Cole als erster Schritt: “Transparenz“, gerade auch weil die ehedem vorhandene „Neutralität“ der Berater von Werbetreibenden durch deren Trader-Position in Frage gestellt sei.
 
 
Eine Fotogalerie und weitere Informationen finden Sie unter: www.medienpuls-bayern.de