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Be yourSELFIE - Fachtagung Jugendschutz und Nutzerkompetenz der BLM thematisierte Selbstdarstellung im Netz

16.06.2016 | 31 2016
Selfies werden gepostet, hochgeladen, geshared und geteilt. Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und YouTube machen es möglich. Deren Nutzung geht fast immer mit einer umfangreichen Selbst­darstellung einher. Was Menschen – insbesondere Kinder und Jugendliche – dazu bewegt, sich öffentlich zu präsentieren, ihr Privatleben zu offenbaren und die eigene Beliebtheit in Form von Likes, Friends und Klicks zu messen, stand im Fokus der Veranstaltung „Be yourSELFIE! Worauf junge Nutzer bei der Selbstdarstellung im Netz achten sollten“. 150 Teilnehmer diskutierten am 14. Juni auf der 2. Fachtagung Jugendschutz und Nutzerkompetenz der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) den souveränen und verant­wortungsbewussten Umgang mit der medialen Selbstdarstellung.
 
Martin Gebrande, der Geschäftsführer der Landeszentrale, verdeutlichte in seinem Grußwort, dass sich 64 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 13 Jahren nach der aktuellen JIM-Studie in Online-Communities wie beispielsweise WhatsApp und Snapchat sicher fühlen. „Ein trügerisches Sicherheitsgefühl in Bezug auf die Daten, von denen ein großer Teil Fotos zur Selbstdarstellung sind.“ Genau hier setze die Tagung an: Es ginge um die Frage, worauf junge Nutzer bei der Selbstdarstellung im Netz achten sollten. „Wir wollen das Thema aber nicht nur unter dem Aspekt der Risiken betrachten, sondern aus verschiedenen Perspektiven: aus der kunsthistorischen, der medienpsychologischen und der gesell­schaftspolitischen Perspektive“, erklärte Gebrande.
 
Schon in der Renaissance fertigten Künstler Selbstporträts von sich an. Dank Smartphone kann sich heute jeder – auch ohne Künstler zu sein –selbst in Szene setzen. Was das Kunstwerk mit dem Selfie verbindet, erklärte der Kunsthistoriker Dr. Ulrich Blanché: „Jedes Selbstporträt beinhaltet die Botschaften 'Ich – Hier – Jetzt'“. Der Wissenschaftler der Universität Heidelberg zog das Fazit: Obwohl ein Selfie nicht immer mit dem Werk eines Künstlers gleichzusetzen ist, knüpft der Selfie-Trend an die Selbstinszenierungen Dürers und Van Goghs an.
Mit der Selbstinszenierung durch Text beschäftigte sich die Sprachwissenschaftlerin Dr. Netaya Lotze von der Universität Münster. Dabei ging sie auf die vielfältigen Variationen von Nicknames, Emoticons und Abkürzungen ein, die Jugendliche zur Kommunikation und Selbstdarstellung verwenden. Die Beispiele zeigten, wie der Einsatz der Sprache das Foto-Selbstbildnis unterstützt und ergänzt.
 
Warum Menschen diese Form der Selbstinszenierung gerne nutzen und welche Bedürfnisse dahinter stecken, erläuterte die Medienpsychologin Dr. Astrid Carolus von der Universität Würzburg. Ab dem Entwicklungsstadium, in welchem das Kind sein Selbst in Abgrenzung zu anderen erkennt, entstehe ein Interesse am eigenen Bild. Auf der Suche nach einem unverwechselbaren „Selbst“ experimentieren der Psychologin zufolge vor allem Jugendliche mit ihren Online-Identitäten und probieren sich aus. „Kinder brauchen dabei Unterstützung. Dann kann das Netz trotz vieler Risiken auch bei der Weiterentwicklung des Selbst helfen.“
 
Informationsmaterial und Anregungen für die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bekamen die Teilnehmer der Veranstaltung an den Stationen der Ideenbörse in der Mittagspause.
 
Fabian Frank, Rechtsanwalt bei iRights.Law, klärte über Urheber- und Persönlich­keitsrechte auf. Beispielsweise darüber, dass „bei Kindern bis sieben Jahren nur Erziehungsberechtigte über die Veröffentlichung im Netz entscheiden dürfen“. Er empfahl, die Privatsphäre-Einstellungen Sozialer Netzwerke regelmäßig zu überprüfen. „Es besteht ein enormes Risiko, dass Inhalte sich verbreiten und Nutzer die Kontrolle auch in rechtlicher Sicht aus der Hand geben.“ Jutta Schirmacher, Referentin im Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM, stellte die aktuellen Entwicklungen und Ausprägungen von Selbstdarstellungen im Netz in den Mittelpunkt ihres Vortrags. Dabei nahm sie Beispiele der Selbstdarstellung von Prominenten und Politikern genauso in den Blick wie unterschiedliche Darstellungs­formen bei männlichen und weiblichen Jugendlichen. Selfies seien eine „Form der Image-Pflege“, sagte Schirmacher, „die leicht auch schiefgehen kann.“
 
Unter dem Stichwort „Fail“ finden sich im Internet zahlreiche Videos, die ungewollte Unfälle oder missglückte Stunts zeigen. Sonja Schwendner, stellvertretende Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM, zeigte dem Publikum Beispiele der medialen Selbstinszenierung, die aus Jugendschutzsicht problematisch sind. Hier geht es um Themen wie Pornografie, Gewaltdarstellungen, selbst­verletzendes Verhalten und Extremismus. Die Gefahr bei solchen Angeboten sieht Schwendner im Nachahmungseffekt wie im Empathieverlust. „Wir brauchen den Jugendschutz, weil es immer Angebote geben wird, die Kinder und Jugendliche nicht verkraften können“, so Schwendner.
 
Was fehlende Empathie mit Menschen macht und warum die digitale Welt ein neues Zeitalter der Aufklärung braucht, darüber diskutierten zum Abschluss Dr. Astrid Carolus, die Medienethikerin Dr. Nina Köberer und die Publizistin Anke Domscheit-Berg. Während Köberer aus medienethischer Sicht an die Bedeutung der Verantwortung jedes Einzelnen bei der täglichen Praxis medialen Handelns appellierte, machte Domscheit-Berg deutlich, vor welchen Herausforderungen die Gesellschaft heute steht: „Unsere Jugend ist die erste Generation, die total überwacht ist“. Gemeinsam mit ihren Podiumskolleginnen forderte sie deshalb mehr kundige Gesprächspartner für die Generation Selfie.
 
Die Landeszentrale will pädagogisch Tätige und Eltern bei der Medienerziehung unterstützen. Mit der aktuell erschienenen Broschüre „Selbstdatenschutz! Tipps, Tricks und Klicks“ bietet die Landeszentrale verständlich aufbereitete Informationen für einen selbstbestimmten und kompetenten Umgang mit den eigenen Daten. Die Broschüre kann unter https://www.blm.de/aktivitaeten/medienkompetenz/materialien.cfm bestellt und heruntergeladen werden.
 
Fotos und weitere Informationen zur Fachtagung finden Sie unter www.medienpuls-bayern.de