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Virtuell – vernetzt – mobil: Fachtagung des Forums Medienpädagogik der BLM informiert über digitale Spiele in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen

11.11.2016 | 70
Die einen spielen Fußball, die anderen Gangster: Digitale Spiele gehören zu den liebsten Freizeitaktivitäten von Kindern und Jugendlichen. Fast 70 Prozent der 12- bis 19-Jährigen daddeln täglich oder mehrmals pro Woche. Themen wie exzessive Nutzung, Datenschutz und Kostenfallen gewinnen deshalb an Relevanz für Eltern und Erzieher. Wie groß hier der Bedarf nach Aufklärung ist, zeigte die ausgebuchte 22. Fachtagung des Forums Medienpädagogik der BLM am 10. November. Gemeinsam mit Moderator Dr. Erich Jooß, Vorsitzender des Medienrats der BLM, tauchten rund 180 Teilnehmer in die Welt aus Datenbrillen und Smartphone-Games wie Pokémon Go ein.
 
Über die Trends in der Games-Welt informierte Marek Brunner, Leiter des Testbereichs bei der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). 50 Millionen Nutzer, so der Profitester, hätten Pokémon Go zeitgleich an der Spitze des Hypes gespielt – ein extrem erfolgreiches Beispiel für ein Augmented Reality-Spiel, das entsprechend viele Tagungsteilnehmer im Rahmen der Ideenbörse in den Pausen auch ausprobieren wollten – genauso wie die Virtual Reality-Brillen. Brunners Prognosen: Gratis-Spiele, genannt Free2Play, werden Standard bleiben. Virtual Reality bei Spielen und Serious Games bleiben eine Nische.
 
Dabei sind Computerspiele gut geeignet, um Bildungsinhalte zu vermitteln: Das sei das Ergebnis mehrerer Studien, erklärte Jeffrey Wimmer, Professor für Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt Medienrealität an der Universität Augsburg. Damit der Bildungstransfer funktioniere, müssten Lernspiele sich jedoch in Qualität und Tiefe den Entertainment-Spielen angleichen. Wimmer warb dafür, Spiele und deren Entwicklung in den Unterricht mit einzubeziehen, denn: „Digitale Spiele sind die öffentlich-rechtlichen Welten von Kindern und Jugendlichen.“
 
Welches Wissen vermitteln digitale Spiele überhaupt – und welche Werte? Jochen Koubek, Professor für Angewandte Medienwissenschaft an der Universität Bayreuth, hatte darauf eine überraschende Antwort. Er verglich Ego-Shooter-Spiele mit Schach. Beide kultivieren dem Medienforscher zufolge strategisches Denken und helfen, komplexe Regelsysteme zu verstehen. „Mündige Spieler sind sich des Als-Ob-Charakters ihrer Spielfiguren bewusst. Aber diese Mündigkeit muss geübt und pädagogisch begleitet werden.“
 
Für Verena Weigand, Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM, verharmlost der Vergleich von Egoshooter-Games mit Schach die Risiken. „Medienpädagogik reicht nicht, um Jugendschutzprobleme in den Griff zu bekommen.“ Datenschutz, Kostenfallen und exzessive Nutzung seien neben den Gewaltdarstellungen drängende Probleme bei digitalen Spielen.
 
Und wie sieht es in der Praxis aus? „Die meisten Eltern haben Angst, dass sie die Kontrolle verlieren und ihr Kind überfordert ist“, erklärte Maja Savasmann, die für das Referentennetzwerk der Stiftung Medienpädagogik Bayern auf Elternabenden im Einsatz ist. Als Lehrerin erlebt sie immer wieder besorgte Eltern, die sich von der technologischen Entwicklung überfordert fühlen. Neben dem Zeitkontingent sind die Fragen nach Gewalt, Abhängigkeit und Datenschutz die häufigsten. Gerade bei komplexen Rollenspielen und Ego-Shootern sei schnell die Sorge da: Machen solche Spiele agressiv? Oder abhängig?
 
Wann wird aus exzessiver Nutzung eine Sucht? Dr. Klaus Wölfling, Psychologischer Leiter der Ambulanz Spielsucht an der Universität Mainz, stellte dazu einige Kriterien vor. So können „gedankliche Eingenommenheit“, „erfolglose Abstinenz­versuche“ oder „Lügen über das tatsächliche Ausmaß des Computerspiels“ auf eine Sucht hinweisen. Ab 2017 werden Internet- und Computersucht in Deutschland deshalb voraussichtlich ins Diagnosesystem psychischer Störungen aufgenommen.
 
Über die Aspekte Datenschutz und Kostenfallen klärte Ramak Molavi auf. Die Rechtsanwältin und Bloggerin (iRightsinfo) machte klar, dass sich viele Daten – etwa die Standortbestimmung – nicht ausschalten lassen, weil sonst das Spiel ad absurdum geführt werde. Molavi nannte den Datenschutz ein Produkt aus Deutschland: „Bei uns ist er ein Grundrecht, in den USA nicht.“ Das sei problematisch, weil die meisten Spieleanbieter ihren Firmensitz im Ausland haben.
 
Auch Pokémon Go kommt aus den USA. Um solchen Spieletrends reflektiert zu begegnen, braucht es Aufklärung und Hintergrundwissen. Das unterstrich Martin Gebrande, Geschäftsführer der BLM, in seinem Grußwort. „Die jährliche Fachtagung der BLM ist ein Schritt zu mehr Medienkompetenz.“ Denn der nächste Spiele-Hype kommt ganz gewiss.
 
Vorträge und Fotos der Tagung sind unter www.medienpuls-bayern.de zu finden.